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der Marquise. Sie blickte hinüber nach den Eminenzen und dem Grossmeister und den vielen Priestern hinter ihnen.

      „Wir sind hier halb in der Kirche!“ sagte sie. „Die Frau schweige in der Kirche!“

      „Auch, wenn man sie bittet zu reden?“ versetzte der Kardinal Chigi. Quinette von Giou neigte ehrfurchtsvoll den dunklen schönen Kopf.

      „Ich bin nicht nur eine Französin! Ich bin eine Frau. Eine Frau wünscht kein Blutvergiessen! Ich bin überzeugt: Jedermann in Frankreich — von meinem erhabenen König abwärts — ersehnt nur den Frieden auf Erden!“

      Ich wollte, ich könnte mit dieser Unschuldsmiene heucheln!“ raunte der elegante junge Abbate zu dem Monsignore.

      „Wenn aber der Antichrist keinen Frieden gibt, Madame, so muss sich Ihr König Ludwig der Vierzehnte entscheiden! Wird er Europa retten helfen oder nicht? Sie kommen von seinem Hof. Sie kennen dort die Stimmung!“

      „Ich verstehe nichts von Kriegsdingen. Ich werde heute mittag noch in St. Peter auf den Knien für den Frieden beten!“ Die Marquise antwortete es, halblaut vor Ehrerbietung, dem kardinal. „Mehr kann eine Frau nicht tun!“

      „Ich möchte diese Frau nicht zum Feind haben!“ sprach der Abbate zu dem Monsignore. „Da steht sie eben auf und rafft ihre schwarze Schleppe.“

      „. . . und verschwindet unauffällig, während sich die Kardinäle mit dem Malteser unterhalten!“

      Auch Adrian von Rimburg verabschiedete sich nach kurzer Zeit mit tiefer Verbeugung vor den Eminenzen und sich weltmännisch verneigend vor der Schönen Welt im Saal. Er stülpte sich in der Vorhalle die breite Krempe des mit Goldschnur besetzten silbergrauen Huts über das unruhig bewegte, spitzbärtige Antlitz und nahm den langen, mit Elfenbein besetzten Bambusstock, den er zum Galanteriedegen an der Seite trug. Er schritt die prunkvolle breite Freitreppe des Palastes Chigi hinab und trat in den Barockhof. In dem dunkelgrünen Lorbeergebüsch, das ihn nach der Höhe hin abschloss, lächelten unter Palmen und Zypressen kleine weissmarmorne Liebesgötter erwartungsvoll dem Ritter entgegen, wie er mit ungestümen Schritten auf Quinette von Giou zutrat.

      „Sie gaben mir einen Augenwink, Ihnen zu folgen“, versetzte er gedämpft.

      Die Marquise stand zart und schlank in ihrer schwarzseidenen, weitgebauschten Robe vor der Silbersäule eines Springbrunnens. Sie erwiderte nichts.

      „Warum, Madame?“ Es klang atemlos.

      Quinette von Giou blieb immer noch stumm. Sie sah ihn nur an. Und er sie. Die Amoretten schmunzelten. Das Plätschern des Wassers klang durch die Stille. Die Stimme Adrians von Rimburg stockte, als er frug:

      „Was haben Sie mir zu sagen?“

      „Dass ich Sie bewundere! Sie sind ein Mann!“

      „Deren gibt es viele!“

      „Hier in Rom, in der Stadt der Kirchen und der Priester, hat ein Krieger nicht solch ein Gewicht!“ sagte die Marquise. „Aber wir Franzosen sind Kinder des Ruhmes. Wir ehren den Helden. Euer Grossmeister selbst erzählte, ehe Sie kamen, von der Tapferkeit, mit der Sie im Mittelmeer fochten!“

      „Es ist sehr gnädig von Seiner Eminenz!“

      „Wie gross, muss Ihre Standhaftigkeit in der Gefangenschaft gewesen sein!“

      „Sie liegt hinter mir!“

      „Ich darf Ihnen das alles sagen!“ Quinette von Giou trat vertrauensvoll, mit fromm gefalteten Händen, einen Schritt näher. „Denn es hat ja keine Folgen. Sie haben, wenn Sie jetzt auch weltliche Tracht tragen, Enthaltsamkeit gelobt. Sie sind ein Mönch in Waffen!“

      „Ich bin kein dienender Malteser Bruder von Gelübde, sondern von dieser Welt! Ich war nur ein freiwilliger Hilfsritter auf Zeit!“

      „Dann hätte ich Ihnen das nicht sagen dürfen!“ Die Marquise aus Versailles wich verwirrt und erschrocken ein paar Schritte zurück. „Mein Herz war so voll. Ich bitte Sie: Betrachten Sie es als nicht gesprochen!“

      „Das kann ich nicht!“ Die dunklen Augen des Ritters von Rimburg glühten.

      „Hätte ich gewusst, dass wir Frauen für Sie nicht ein Blendwerk des Teufels sind . . .“

      „Ich habe seit Jahren kaum eine Frau gesehen!“ sprach Adrian von Rimburg. „Auf den Maltesergaleeren, auf denen wir gegen die Ungläubigen kreuzten, gab es keine und in der ägyptischen Gefangenschaft erst recht nicht. Sie sind die erste Frau, der ich seit langem wieder begegne . . .“

      „Und nicht die letzte!“ Quinette von Giou sagte es in einem leisen, fast schmerzlichen Ton. „Es wird Ihnen ein Leichtes sein, mich und das Gespräch zu vergessen. Bitte — tun Sie es als Edelmann und seien Sie verchwiegen!“

      Sie schien sich zu bezwingen, als sie doch wieder näherkam und ihm die Hand zum Kuss reichte. Dann schritt sie leichtfüssig auf die Sänften zu, die in der Torwölbung des Palastes warteten, und befahl, während sie in einen der Kasten schlüpfte, den beiden Trägern:

      „Haltet an der Schweizerwache vor dem Vatikan!“

      4

      Als die Marquise von Giou sich im Innern des Tragstuhls wohlig wie ein Kätzchen in die weichen Polster gekuschelt hatte, zog sie gegen neugierige Blicke von aussen die Seidenvorhänge an den beiden kleinen Zeitenfenstern zu, lehnte den dunklen Kopf in die Ecke und verfiel in ein Träumen. Sie schloss die langen Wimpern. Ihr kluges, feines, durch den weissen Puder fast zeitloses Gesicht gewann einen weichen, frauenhaften Ausdrück. Erst ein Stimmengewirr um sie herum liess sie aus ihrer Versunkenheit in sanfte Gedanken auffahren. Das war das Volkstreiben auf dem ungeheuren Platz vor dem Petersdom — das Gerassel der Staatskarossen und das Gequietsche der Ochsenkarren, das Geplauder stolzierender Damen und Kavaliere und die Rufe der Händler, Hufgetrappel der Reiter und Sandalengeklapper der Mönche, Pilgergesang, Bubengeschrei und Hundegebell, selbst Ruhgebrüll.

      Die Träger stellten die Sänftepfosten vor dem Bronzetor des. Vatikans auf das Pflaster. Ein Gewimmel geistlicher und weltlicher Menschheit strömte da an der Torwache vorbei nach dem Hof des heiligen Damasus. Aber vor einem vornehmen Herrn, der langsam und selbstbewusst heranwandelte, kreuzten, gerade als die Marquise aus dem Tragsessel stieg, die päpstlichen Schweizer in ihrer schwarzrotgelb geflammten und gebauschten Landsknechtstracht abwehrend die Hellebarden.

      Der Fremde vor ihnen war spanisch-niederländisch gekleidet. Er trug einen schwarzen, kurzen, ärmellosen Mantel über dem schwarzen Spitzenwams. Der schwarze Spitzenbesatz der schwarzen Kniehosen reichte über die schwarzen Strümpfe bis zu den schwarzen Schnallenschuhen. Ein hoher, breitkrämpiger, schwarzer Kegelhut überschattete sein kränklich-gelbes, feierlich geheimnisvolles Antlitz unbestimmten Alters, dessen eingefallene Wangen und spitzes Rinn kein Bart deckte. Über der grossen gebogenen Nase richteten sich zwei tiefliegende, mausgraue Augen durchdringend auf die beiden Hellebardiere. Ein gravitätischer Unwille zuckte um die dünnen, dünkelhaft geschürzten Lippen.

      „Haltet, wenn’s beliebt, die Waffenknechte besser in Zucht!“ sprach er streng zu einem päpstlichen Kammerherrn, der, schwarz gewandet wie er, herantrat.

      „Die Schweizer folgen ihrem Befehl, Don Theopompo Caretto!“

      „Indem sie einem Mann wie mir den Zugang verwehren?“

      „Goldmacher und Geisterbeschwörer haben an heiligen Stätten nichts zu suchen!“

      Der Alchymist schüttelte majestätisch den Kopf.

      „Ich entsinne bis heute mich hier nur noch eines einzigen ungehobelten Pförtners“, sprach er. „Das war, als ich eines Mittags meinen Freund Michel Angelo in der päpstlichen Kapelle, die er eben ausmalte, besuchen wollte!“

      „Michel Angelo starb vor mehr als hundert Jahren!“

      „Nun ja! Ich bin doch über tausend Jahre alt!“ sagte Theopompo Caretto. „Das ist der Welt bekannt!“

      „Und dass Ihr Vater und Sohn

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