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Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683
Год выпуска 0
isbn 9788711507414
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Für den falschen Glauben, du Hund!“
„Für den wahren! Für den wahren!“
„Herr Vater! Was liegt daran, was ein Christ spricht!“ rief verächtlich, mit noch knabenhaft heller Stimme der junge Emin. Aber der Bassa lüftete mühsam die steifen Knochen vom Divan. Er riss zitterig den Damaszenerjäbel aus der Scheide.
„Sage das noch einmal und du bist des Todes!“
„Zum drittenmal: für den wahren Glauben! Schlag zu!“
Der Ritter von Rimburg stand aufrecht, die Arme über der Brust gekreuzt, kaltblütig gefasst. Er zuckte mit keiner Wimper. Es wetterleuchtete nur leidenschaftlich in seinen dunklen Augen. Der schöne Jüngling Emin war hastig, in flatterndem weissen Gewand, aus seinem Kreuzsitz aufgeschnellt. Er stellte sich mit drei Sprüngen zwischen den Gefangenen und den Bassa.
„Willst du den Boden mit Christenblut beschmutzen?“ sprach er vorwurfsvoll.
Der Bassa erwiderte nichts. Er setzte sich wieder hin. Er strich sich finster den weissen Bart.
„Du wurdest ein Malteser?“ frug er feindselig.
„Nur ein weltlicher Ritter vom Succurs. Ein freiwilliger Kämpfer auf Zeit!“
„. . . und wurdest gefangen?“
„Der General unserer Galeere lag verwundet auf Deck eures geenterten Schiffs. Wir konnten uns dort nicht halten. Ich deckte mit der Klinge seine Rettung zu uns hinüber. Inzwischen löste sich Bord von Bord. Ich blieb allein bei euch zurück.“
„Diese selbe Galeere und dieser selbe Kapitän . . . Wer war es damals?“
„Mein Freund, ein deutscher Ritter!“
„Dieses selbe Schiff kreuzt seit Neumond auf hoher See vor Rosetta.“ Es war ein Lauern in der brüchigen Stimme des Bassa. „Was hat das zu bedeuten?“
„Wie soll ich, ein Gefangener, das wissen?“
„Ja. Wie sollst du das wissen?“ Der Greis zog eine Papyrusrolle aus den gelbseidenen Falten seiner Leibschärpe und reichte sie dem Malteser. „Setze dich auf den Boden vor dem Perlmuttertischchen nieder, nimm die Geierfeder, die da liegt, und übersetze in Latein, was da türkisch geschrieben steht!“
„Der Ungläubige ahnt nicht, dass es ein Staatsgeschäft von höchster Wichtigkeit ist, das er da überträgt“, sagte leise, während drüben der Federkiel kratzte, der Bassa zu seinem Sohn. „Der Name der Republik Venedig, der wir einen geheimen Frieden anbieten, während wir das Reich des Christenkaisers überschwemmen, ist nirgends genannt! Nun — bist du fertig?“
„Hier ist der lateinische Brief!“ Der Ritter im Bart lachte spöttisch, indes er seine mittelgrosse schlanke Gestalt vom Boden erhob. „Aber die Venetianer werden seine Fetzen in die Lagune werfen!“
„Woher weisst du . . .?“ Der Bassa beugte sich kurzatmig und wutzitternd vor.
„. . . dass dieser Brief dem Dogen gilt . . .?“
„Es steht kein Wort davon in dem Brief!“
„Es ist nicht schwer zu erraten, wenn man euch und das Mittelmeer kennt!“
„Die Venetianer sind unsere Feinde! Wir haben nichts mit ihnen gemein!“
„Waren nicht eben noch die venetianischen Kauffahrer bei Euch? Ich sah sie, als ich im Garten arbeitete.“
„Allah weiss, was sie hier wollten! Du nicht!“
„Sie kamen an mir vorbei, als ich hierher geführt wurde. Ich verstehe Italienisch. Der eine sagte zum andern: Schade, dass wir das lateinische Schreiben versiegelt überbringen müssen!“
Der Bassa Ferat ballte die Faust und schwieg. Sein Gefangener hob feierlich die Hand.
„Aber dieses Schreiben wird nicht mehr sein als ein Kamelfladen, den das Lagerfeuer frisst. Die ganze Christenheit werdet ihr kampfbereit zwischen euch und Wien finden — die Deutschen — die Polen — die Franzosen!“
„Nicht die Franzosen!“
„Auch sie, wenn sie erst ganz erkannt haben, welche Gefahr dem Glauben droht.“
„Dem Unglauben!“
„Christus in Ewigkeit!“
Wieder entblösste der greise Bassa grimmig zur Hälfte den Säbel. Wieder die sanfte Stimme seines Sohnes.
„Herr Vater: diese Klinge ist wohl so scharf, dass sie ein Frauenhaar in der Luft zerschneidet. Aber in Eurer Hand wird sie den Christen nicht töten. Lasst ab von ihm. Er ist Eurer nicht wert!“
Der Vater des jungen Emin liess den altersmüden Arm sinken und barg die Waffe in der Scheide. Er wurde plötzlich ruhig. Er blieb eine Weile stumm.
„Es darf niemand ausser mir und dem Dogen von diesem Schreiben wissen!“ sprach er dann in einem sonderbar gleichgültigen Ton. „Du aber weisst es . . .“
Der wirrmähnige, barbeinige Mann im Kamelkittel vor ihm schwieg.
„Es ist Gefahr, wenn es durch dich bekannt wird. Du könntest entweichen. Draussen kreuzt seit einer Woche eure Galeere!“
Der Ritter im Bart schwieg.
„Du wirst sie nicht erreichen. Du bist hitzig von Geblüt. Du hast zu viel geredet. Nun musst du das grosse Schweigen lernen!“
Der Malteser schwieg.
„Mache dich bereit. Wenn die Sonne zwei Stunden weiter gerückt ist, wirst du sterben!“
Der Ritter von Rimburg schwieg. Der Bassa würdigte ihn keines Blicks mehr. Auch der junge Emin hatte sein schönes, bräunliches Antlitz abgewandt und schaute hinaus auf das Meer, über dessen tiefem Blau drüben, gegen Abukir hin, das erste leise Abendrot leuchtete. Ein Händeklatschen seines Vaters rief den Schwarm der Neger herbei. Sie führten den Gefangenen mit sich fort.
Der Weg ging durch die Gärten nach dem düstern Lehmgebröckel der Hinterburg des Bassa voll geheimer Sänge, Keller und Kerker. Aus einer Feigenhecke hob früchtekauend, als der Malteser vorbei kam, der Obereunuch, der vorhin am Hafen gewesen, in schwefelgelbem Kaftan, seinen schwarzen Wollkopf. Er radebrechte hitzig und händefuchtelnd Italienisch, das die andern schwarzen Wächter nicht verstanden. Es war, als ob er den Ungläubigen in dessen eigener Sprache verfluchte. Aber diese Fisteltöne des Fettwansts verkündeten im Wortgesprudel: „Nur noch wenige Tage Geduld — lässt dir Rabbi Isaak, der Meister der Juden von Rosetta, sagen. Er und wir alle haben von dem General der Maltesergaleere draussen genug Sultaninengoldstücke bekommen. Wir verhelfen dir zur Flucht auf das Schiff. Es kreuzt jeden Abend vor der Nilmündung!“
Und leise und ruhig die Antwort des Maltesers.
„Lasse dem Kapitän der Galeere, meinem Mitbruder, durch die Fischerbarke wissen, dass ich nicht kommen werde. Mein Leben ist zu Ende.“
Dein Leben — Adrian von Rimburg — dein noch junges — dein dreiunddreissigjähriges Leben, das ein Wandern war durch die Welt und ein Suchen nach dir selbst. Das eine Unruhe war, von den Kinderschuhen ab bis zu dem roten Kreuz auf dem Maltesermantel und jetzt die grosse Ruhe ist vor der letzten Stunde.
Bald . . . bald . . . Unmerklich wandernd vergolden durch das kleine Fensterloch der Kerkerzelle die heissen Sonnenstrahlen, das Klettern der kleinen plumpen geschuppten Eidechsen an den brennend heissen Lehmwänden, das Geringel der schwarzen Tausendfüssler auf dem glühenden, gestampften Erdboden, das Geflatter eines verirrten Falters, der bunt wie das Leben selber durch die schwüle Staubluft gaukelt und plötzlich weg ist mit all seinem Farbenschmelz . . . so wie das Leben . . .
Und vor den dunklen Augen des Ritters Adrian von Rimburg zog noch einmal sein Leben vorbei, wie er da, die Hände über den Knien verschlungen,