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VERSUNKEN. Cheryl Kaye Tardif
Читать онлайн.Название VERSUNKEN
Год выпуска 0
isbn 9783958351479
Автор произведения Cheryl Kaye Tardif
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Weil du mich dafür hast. Und jetzt hör auf, mich abzulenken. Ich muss noch mein Kleid anziehen und mich schminken.«
Marcus saß auf der Bettkante und wartete. Jane schaffte es immer, dass sich das Warten lohnte, und auch an diesem Abend enttäuschte sie ihn nicht. Als sie aus dem Badezimmer kam, wirkte sie in ihrem Designerkleid aus der West Edmonton Mall wie eine Erotikgöttin. Der kleine Babybauch war kaum zu sehen.
»Wie sehe ich aus?«, fragte sie und befühlte nervös die neuen goldblonden Haarsträhnchen.
»Wahnsinnig sexy.«
Langsam drehte sie sich im Kreis, um das elegante schwarze Kleid mit dem tiefen Rückenausschnitt richtig zur Geltung kommen zu lassen. Sie warf einen Blick über ihre mit Glitter gepuderte Schulter. »Also gefällt dir mein neues Kleid?«
»Mir würde es noch besser gefallen, wenn es sich auf dem Boden befinden würde«, sagte er leise.
Minuten später lagen sie außer Atem und lachend wie Teenager auf den zerknitterten Bettlaken. Sex mit Jane war immer so aufregend, jung und vor allem spaßig.
Nachdem sie sich wieder angezogen hatte, ging Jane ins Badezimmer zurück, um ihre Frisur und ihr Make-up zu richten. »Ich bin jetzt getarnt«, sagte sie, als sie wieder raus kam. »Lass uns gehen.«
»Yes, Ma'am.«
Er hörte sie wispern: »Sechs plus acht plus zwei …«
»Machst du schon wieder dieses Zahlenlehrezeugs?«, fragte er sie grinsend.
Als Jane gemerkt hatte, dass sie schwanger war, war sie zu einem Esoterikkongress gegangen, wo ihr ein Numerologist etwas über das Addieren von Daten beigebracht hatte. Seitdem rechnete sie die Zahlen immer wieder durch, wenn ein wichtiger Termin anstand, um herauszufinden, ob es ein guter Tag sein würde oder nicht. Sie hatte Marcus sogar dazu gebracht, Lottozettel an Tagen mit einer Drei im Datum zu kaufen, denn das bedeutete laut ihr, dass sich Geld anbahnte. Bisher hatten sie jedoch noch nichts gewonnen, aber er machte es ihr zuliebe trotzdem.
»Was ist heute?«
Sie lächelte. »Eine Sieben.«
»Aha, die glücksbringende Sieben.« Er sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. »Das heißt wohl, dass ich Glück haben werde?«
»Hattest du doch wohl gerade schon, Mister.«
Sie waren zu spät beim Preisverleihungsbankett erschienen, womit sie sich nicht gerade beliebt gemacht hatten. Jane war als Ehrengast geladen gewesen, da sie für ihr neuestes Videospiel für BioWare den Preis als ›beste Programmiererin‹ erhalten hatte. Als Jane auf die Bühne trat, um ihren Preis entgegenzunehmen, hätte Marcus sich nicht vorstellen können, jemals stolzer auf sie zu sein. Bis die Nacht kam, in der Ryan geboren wurde.
Ryan … mein Sohn, den ich getötet habe!
Marcus schüttelte den Kopf und zwang die Erinnerungen zurück in die Dunkelheit, wo sie hingehörten. Er nahm eine Dose Rasierschaum in die Hand und starrte auf das Etikett, ohne es wirklich zu sehen.
Rasieren oder nicht rasieren? Das war hier die Frage.
»Ach was, heute nicht«, brummte er.
Seit Wochen hatte er sich schon nicht mehr rasiert. Ein Haarschnitt war auch längst überfällig. Zum Glück waren sie auf seiner Arbeitsstelle nicht allzu streng, was die äußere Erscheinung anging. Aber sein Vorgesetzter würde vermutlich trotzdem einen Kommentar dazu abgeben.
Der Weckton an seiner Armbanduhr piepste nun.
Ihm blieben also noch zwanzig Minuten, um die Notrufzentrale zu erreichen. Dann konnte er sich wieder hinter der Anonymität verstecken, nur eine gesichtslose Stimme am Telefon zu sein.
***
Yellowhead County Emergency Services in Edson, Alberta, beherbergte im zweiten Stock des geräumigen Gebäudes in der 1st Avenue eine kleine, aber kompetente Notrufzentrale. Im gleichen Stockwerk befanden sich auch vier Räume, die als Lehrzimmer für Erstehilfe, Wiederbelebungs- und Sanitäterkurse vermietet wurden. Die Notrufzentrale hatte eine Vollzeitbesetzung von vier Telefonvermittlern mit zwei Vorgesetzten – eine Tagschicht und eine Nachtschicht. Außerdem gab es eine Handvoll gutausgebildeter, aber schlecht bezahlter Zusatzkräfte und drei regelmäßige ehrenamtliche Helfer.
Als Marcus das Gebäude betrat, erwartete ihn Leonardo Lombardo bereits am Fahrstuhl. Doch Leo wirkte alles andere als glücklich, ihn zu sehen.
»Du siehst aus, als wäre gerade dein Hund gestorben«, meinte Marcus.
»Ich habe doch gar keinen.«
»Wie wär's dann mit einer warmen, fröhlichen Begrüßung? Oder hat die Mafia dich angeheuert, mich aus dem Weg zu räumen?«
Leo, ein durchschnittlich großer Mann Ende vierzig, trug am Bauch um die dreißig Pfund zu viel mit sich herum. Sein dunkles italienisches Aussehen ließ ihn auf Fremde geheimnisvoll und gefährlich wirken. Im Ort tratschte man, dass Leo ein Amerikaner mit Verbindungen zur Mafia war. Aber Marcus wusste ganz genau, wer die Gerüchte in Umlauf gebracht hatte. Leo hatte einen wirklich kranken Sinn für Humor.
Doch jetzt grinste sein Freund nicht.
»Du musst wirklich mal sehen, dass du Schlaf nachholst.«
Marcus zuckte die Achseln und bestieg den Fahrstuhl. »Schlaf wird total überbewertet.«
»Du siehst scheiße aus.«
»Danke.«
»Bitte.« Leo drückte den Knopf fürs zweite Stockwerk und holte dann zögernd Luft. »Pass auf, Mann …«
Marcus wusste, dass es nichts Gutes verhieß, wenn Leo einen Satz mit diesen drei Worten anfing.
»Du bist nicht mehr bei der Sache«, sagte Leo. »Du fängst an, Fehler zu machen.«
»Was soll das denn heißen? Ich mache doch meine Arbeit.«
»Du hast eine Massenkarambolage von gestern Abend falsch abgeheftet. Shipley hat den halben Morgen lang danach gesucht. Ich hab versucht, dir Rückendeckung zu geben, aber er ist trotzdem ziemlich sauer.«
»Shipley ist immer sauer.«
Pete Shipley machte ein wahres Ritual daraus, Marcus das Leben schwer zu machen, wann immer es möglich war – und es war anscheinend oft möglich. Shipley, der Boss der Tagschicht, regierte die Notrufdispatcher mit eiserner Hand und so viel Arroganz, dass er damit allen auf die Nerven ging.
Die Fahrstuhltür öffnete sich. Marcus stieg als Erster aus.
»Ich finde den Report schon wieder, Leo.«
»Wie viel Schlaf hast du heute gehabt, Marcus?«
»Vier Stunden.« Das war gelogen, und beide wussten es.
Marcus machte sich auf den Weg zu seinem Schreibtisch, der durch einen Raumteiler von Leos getrennt war. Hinter ihnen saßen die anderen Vollzeitangestellten. Er winkte Parminder und Wyatt zu, als sie sich auf den Weg nach Hause machten. Da sie die Nachtschicht machten, traf er sie immer nur beim Kommen und Gehen. Jetzt wurden ihre Schreibtische zur Unterstützung von freien Mitarbeitern bemannt.
»Sieh zu, dass du in Zukunft mehr schlafen kannst«, brummte Leo.
»Mit dem Schlafen ist es komisch, Leo. Nicht lachhaft komisch, sondern seltsam komisch. Wenn man erst mal einige Zeit lang ohne Schlaf oder nur mit einem kurzen Nickerchen auskommt, ist er einem auf einmal gar nicht mehr so wichtig. Mir geht's gut. Ehrlich.«
»Was für ein Schwachsinn.«
Im Flur wurde nun eine Tür zugeknallt und schnitt ihnen damit das Wort ab.
Pete Shipley erschien und füllte den Flur mit Wut und seiner massiven Statur vollkommen aus. Er ragte über alle in die Höhe, auch über Marcus, der mehr als einen Meter achtzig groß war. Shipley, der früher in der Armee als Captain gedient hatte, war wie