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Der rote Faden. Axel Rudolph
Читать онлайн.Название Der rote Faden
Год выпуска 0
isbn 9788711445259
Автор произведения Axel Rudolph
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Am 17. Juni nahm ich Urlaub und fuhr am 18. mit dem Frühzug nach Stralsund, wo ich im Hotel „Berliner Hof“ abstieg. Durch einen Anruf im Kabarett „Plaza“ erfuhr ich von dem dortigen Portier, dass Frl. Holm in der Mönchstr. bei einer Frau Peschke wohne. Ich begab mich sofort dorthin und ersuchte die Wirtin, mich Frl. Holm zu melden. Frl. Holm kam mir schon auf dem Flur entgegen; sie war zum Ausgehen angezogen und sagte mir sofort, sie sei im Begriff, eine Spazierfahrt anzutreten. Sie forderte mich auf, sie zu begleiten.
Auf dem Weg zur Garage begann ich bereits, ihr den Grund meines Hierseins zu erklären. Frl. Holm sagte, sie könne sich schon denken, weshalb ihre Schwester mich mobil gemacht habe; ich solle mir aber nicht einbilden, dass sie auf ihr Engagement verzichte.
Wir haben dann an einer Tankstelle den Wagen bestiegen. Frl. Holm lenkte. Wir fuhren in langsamem Tempo durch die Stadt. Ich kenne Stralsund und seine Umgebung nicht und kann daher nicht sagen, welchen Weg wir fuhren. Wir waren jedoch sehr bald auf offener Landstrasse. Während der Fahrt versuchte ich Frl. Holm zu bewegen, nach Berlin zurückzukehren. Sie wurde sehr ärgerlich, schalt auf ihre Schwester und wurde auch gegen mich ausfallend. Als ich nicht nachgab, geriet sie in eine so grosse Empörung, dass sie mitten auf der Landstrasse den Wagen anhielt und mich aufforderte, auszusteigen und sie in Ruhe zu lassen.
Ich versuchte, diese Aufforderung scherzhaft zu nehmen, aber Frl. Holm wiederholte sie in sehr energischem Tone. Ich war darüber empört, kam jedoch ihrer Aufforderung nach und stieg aus. Frl. Holm gab Gas und fuhr weiter, ohne mir noch einen Blick zuzuwerfen. Ich sah ihr nach, bis sie an einer Biegung der Landstrasse meinem Gesichtskreis entschwand. Frl. Holm fuhr auch, nachdem sie mich abgesetzt hatte, in durchaus ruhigem Tempo weiter. Ich schätze die Geschwindigkeit auf höchstens 40 Kilometer.
Ich war über den Misserfolg meiner Mission und das Verhalten Frl. Holms sehr ärgerlich. Da ich keine Verkehrsmittel entdecken konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu Fuss auf den Rückweg nach Stralsund zu machen. Als Frl. Holm mich absetzte, möge es ungefähr 2.50 Uhr gewesen sein. Ich habe höchstens drei bis vier Minuten an der Stelle gestanden und ihr nachgeschaut, bis ich mich zum Rückmarsch entschloss. Irgend etwas Ungewöhnliches habe ich nicht bemerkt. Auf der Fahrt sind uns einige Autos entgegengekommen, auch erinnere ich mich an ein Fuhrwerk. Genaue Angaben kann ich darüber nicht machen.
Nachdem ich etwa zehn Minuten gegangen war, wurde ich von einem plötzlich einsetzenden heftigen Gewitterregen überrascht. Ich wurde stark durchnässt, und als ich ein Gehöft auftauchen sah, suchte ich dort Schutz. Die Leute, ein älteres Ehepaar, luden mich ein, in die Stube zu kommen, und wir unterhielten uns dort, bis der Regen nachliess. Um 3.40 Uhr — nach der Uhr in der Stube des Gehöftes — bin ich weiter nach Stralsund gegangen, und zwar die Landstrasse entlang. Ich erinnere mich, kurz vor der Stadt ein Auto gesehen zu haben, das mir entgegenkam und in dem neben einigen Zivilisten zwei Polizeibeamte sassen.
Um halb fünf Uhr bin ich im Hotel angelangt. Ich habe mich in meinem Zimmer umgezogen und gewaschen. Dann habe ich eine Tasse Kaffee im Hotel getrunken und versucht, Frau Nerger in Berlin telefonisch zu erreichen. Ich erhielt durch das Hausmädchen den Bescheid, dass Frau Nerger ausgegangen sei, am Abend aber zurückerwartet würde.
Darauf bin ich — gegen sieben Uhr — noch etwas ausgegangen, um mir die Sache mit Frl. Holm noch einmal gründlich zu überlegen. Ich bin die Hauptstrasse hinuntergebummelt und schliesslich in einem Kaffeehaus, gegenüber dem Rathaus, eingekehrt. Dort habe ich einen Kognak getrunken und dann noch einmal versucht, Nergers zu erreichen. Diesmal meldete sich Frau Nerger am Apparat. Ich berichtete ihr, dass ich leider erfolglos gewesen sei. Frau Nerger bat mich dringend, doch noch einen Versuch zu machen. Auch sie war über das Verhalten ihrer Schwester empört. Ich beschloss daraufhin, noch einen Tag hier zu bleiben, mir am Abend die Vorstellung in der „Plaza“ anzusehen und im Anschluss daran noch einmal mit Frl. Holm zu sprechen. Gegen neun Uhr ging ich zum Hotel zurück, wo mich die Beamten erwarteten. Von dem tragischen Unglücksfall, der Frl. Holm inzwischen betroffen, habe ich erst hier im Polizeibüro gehört.
Ich erkläre ausdrücklich, dass zwischen Frl. Holm und mir nur rein freundschaftliche und kameradschaftliche Beziehungen bestanden. Ferner erkläre ich, dass es während der Fahrt oder überhaupt während unseres Zusammenseins durchaus keinen persönlichen Streit zwischen Frl. Holm und mir gegeben hat. Ich habe auch nicht versucht, sie gewaltsam zu veranlassen, nach Berlin zurückzukehren. Frl. Holm war meines Wissens eine gute und sehr vorsichtige Fahrerin.
Nachträglich erklärt König noch auf Befragen: Den Namen der Leute, bei denen ich vor dem Regen Schutz suchte, kenne ich nicht. Es war ein ziemlich grosses Gehöft, östlich von der Landstrasse, zu dem ein breiter, etwa fünfzig Meter langer Feldweg führte. Etwa hundert Meter links von dem Gehöft sah ich eine Ziegelei.
v. g. u.
Werner König.
Stralsund, den 18. Juni, 23 Uhr.
Sartorius, Krim.-Komm.
*
Vernehmung.
In der Mordsache Holm
habe ich den Landwirt Franz Klaasen, Stralsund, vernommen.
Zu den Personalien erklärt Befragter:
Ich heisse Franz Peter Klaasen, geb. 9. 9. 1888 zu Stralsund, Landwirt, ev., verh., bisher unbescholten.
Zur Sache befragt, erklärt Klaasen:
Es ist richtig, dass gestern nachmittag gegen drei Uhr ein Fremder in meinem Hof vor dem Regen Schutz suchte. Ich sah den Mann von der Landstrasse herkommen. Er lief den Feldweg herunter, weil es so stark regnete. Den Rockkragen hatte er hochgeschlagen. Meine Frau und ich liessen ihn in die Stube kommen. Er wollte erst nicht, um nicht den Fussboden nass zu machen, kam aber herein, als wir ihn nötigten. Er blieb etwa eine Stunde bei uns, bis der Regen aufhörte. Wir sprachen über das Wetter und darüber, wie weit es noch bis Stralsund sei. Der Fremde sagte, er sei bei einem Spaziergang vom Regen überrascht worden. Bevor er ging, gab er unserem sechsjährigen Enkelkind, das in der Stube spielte, fünfzig Pfennig. Wir sahen dann, wie er in raschem Schritt die Landstrasse nach Stralsund entlang ging.
Dem König gegenübergestellt, erklärt der Landwirt Klaasen: Jawohl, das ist der Mann, der gestern von 3 bis 3.40 Uhr in unserer Stube war. Ich erkenne ihn wieder. Ein Irrtum ist ausgeschlossen.
v. g. u.
Franz Klaasen, Landwirt.
Stralsund, den 19. Juni, 10 Uhr vorm.
Sartorius, Krim.-Komm.
Ermittlungsbericht.
Gutachten des Sachverständigen Ingenieur Sperber, Stralsund.
Auf Anordnung und im Beisein des Krim.-Komm. Sartorius habe ich den Personenkraftwagen IA 98 025 untersucht.
Der Wagen zeigt eine leichte Eindrückung der Haube, eine Beschädigung des linken Kotflügels und zum Teil verbrannte oder angesengte Polstersitze. Die Windschutzscheibe ist zertrümmert.
Bei dem Anprall gegen den Baum kann der Wagen höchstens ein Tempo von 15 Kilometer gehabt haben, eher weniger. Andernfalls müssten die Beschädigungen erheblich stärker sein, insbesondere wäre es dann unmöglich, dass die Lampen unversehrt geblieben wären.
Es ist möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich, dass die auf dem Lenksitz sitzende Person von den Splittern der Windschutzscheibe nicht verletzt worden ist. Dagegen müssten am Körper der betreffenden Person unbedingt Prellungen festzustellen sein, selbst dann, wenn der Wagen im Augenblick des Anpralls nur ein geringes Tempo hatte.
Völlig ausgeschlossen ist, dass der Wagen infolge des leichten Anpralls in Brand geraten konnte.
gez. Karl Sperber, Ing.
Gerichtl. vereid. Sachverständiger für das Kraftfahrwesen.
*
Polizei-Präsidium