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— Erwin Röseler.“ — Eine Gruppenaufnahme der Tanzschule Blendorf, die zwischen anderen Tanzschülern Graziella Holm und den vorgenannten Erwin Röseler zeigt. — Mehrere Prospekte sowie das Programm einer Aufführung der Tanzschule Blendorf. — Unbeschriebenes Briefpapier und Briefumschläge.

      Die sämtlichen Effekten wurden polizeilich sichergestellt.

      Stralsund, den 18. Juni, 20 Uhr.

      gez. Sartorius, Krim.-Komm.

      Seit langem ist in den Dienstzimmern der Stralsunder Kriminalpolizei nicht so fieberhaft gearbeitet worden wie in diesen Spätnachmittagstunden des 18. Juni. Kommissar Sartorius setzt alles daran, die Mordsache Holm rasch aufzuklären oder wenigstens die Fäden in die Hand zu bekommen. Zwischen ihm und der Greifswalder Staatsanwaltschaft gehen dringende Ferngespräche hin und her. Die Polizeiposten und Landjägereien der Umgebung sind mobil gemacht. Bis hinüber nach Rügen ist der gesamte Apparat der Polizei alarmiert. Von Stralsund aus gehen sofort zwei Kriminalbeamte nach Sassnitz und Binz, um den dortigen Kollegen bei etwaigen Ermittlungen in den um diese Zeit stark besuchten Bädern zur Hand zu gehen. Die übrigen, dem Kommissar Sartorius zur Verfügung stehenden Beamten sind an diesem Abend dauernd unterwegs.

      Die Bevölkerung Stralsunds merkt nichts von dieser fieberhaften Tätigkeit. Noch ist nichts weiter durchgesickert, als dass auf der Landstrasse nach Demmin heute nachmittag ein schweres Autounglück stattgefunden hat. Da es sich bei der Verunglückten nicht um eine in Stralsund bekannte Persönlichkeit handelt, regt man sich nicht sehr über die Nachricht auf. Selbst Frau Peschke und der Garagenbesitzer Assmann vermuten in den Vernehmungen, denen sie unterworfen wurden, nicht mehr als die üblichen amtlichen Erhebungen zur Klärung der Schuldfrage bei dem Unglücksfall. Nur die dunklen und zweifelhaften Elemente in der Stadt und Umgegend merken, dass „etwas Besonderes los ist“. Gegen alle Kleiderordnung erscheinen plötzlich in den Herbergen und Schlafstellen Kriminalbeamte, die nicht zu den mit der gewöhnlichen Kontrolle der Fremden betrauten Beamten gehören. Ausweispapiere und Pässe werden haarscharf geprüft, einige Verdächtige müssen sogar nachweisen, wo sie sich am heutigen Nachmittag aufgehalten haben. Die „Kunden“ auf den Landstrassen Vorpommerns haben heute einen „schlechten Tag“. Die Landjäger scheinen sich plötzlich unheimlich vermehrt zu haben. Allenthalben tauchen die Streifen auf, stellen jeden Wanderer und „flebben“ mit einer Gründlichkeit, die weit über das übliche Mass hinausgeht. Selbst der harmloseste, ehrsamste Handwerksgeselle auf Wanderschaft muss es sich gefallen lassen, drei-, viermal innerhalb weniger Stunden seine Ausweise revidiert zu sehen.

      Aber bei alledem kommt wenig heraus. Als Kommissar Sartorius gegen neun Uhr abends von der Haussuchung im Zimmer der Ermordeten heimkehrt, versammelt er seine Beamten zu einer kurzen Besprechung im Dienstzimmer. Die Ergebnisse der ersten Ermittlungen werden verglichen und besprochen. Es ist wenig, sehr wenig. Die Suche nach Spuren am Tatort ist völlig ergebnislos geblieben. Die bei der Toten und in ihrer Wohnung gefundenen Sachen ergeben keinen Anhaltspunkt. Vor allem bleibt das Motiv der Tat in geheimnisvolles Dunkel gehüllt.

      Kriminalassistent Wendhöfer, ein älterer und besonnener Mann, wirft die Frage auf, ob nicht schliesslich doch ein Unglücksfall vorliegen könnte. Auch das wird noch einmal gründlich erwogen. Die geringen Beschädigungen des Wagens machen einen Unfall zwar unwahrscheinlich, schliessen die Möglichkeit jedoch nicht aus. Nach dem Gutachten des Sachverständigen kann der Wagen zwar unmöglich durch den Anprall gegen den Baum in Brand geraten sein, aber andererseits ist auch nicht klar festzustellen, wie überhaupt das Feuer entstanden ist.

      Kommissar Sartorius schüttelt zu den Argumenten seines Assistenten den Kopf. „Alles schön und gut, Wendhöfer, aber wie erklären Sie dann die unzweifelhaften Würgemale am Halse der Toten?“ Das vermag der Assistent auch nicht, und so bleibt notwendig die Annahme bestehen, dass ein Verbrechen vorliegt.

      „Wir werden mehr wissen, wenn wir den Begleiter der Holm haben“, hofft Kommissar Sartorius und lässt sich die Fremdenlisten der Hotels vorlegen. Sie sind alle von gestern. Die heutigen Meldezettel werden erst im Laufe des nächsten Vormittags eingehen. In den vorliegenden Listen befindet sich kein Herr König aus Berlin.

      Zwei Beamte werden abgeschickt, um die wenigen Gasthäuser der Stadt zu revidieren. Bereits dreiviertel Stunden später kommt ein Anruf. Einer der Beamten teilt mit, dass im Hotel „Berliner Hof“ tatsächlich ein Mann wohnt, der sich als Assessor Werner König aus Berlin eingetragen hat.

      „Er ist heute vormittag dort abgestiegen“, sagt der Beamte im Fernsprecher. „Zur Zeit befindet er sich nicht hier im Hotel, aber abgereist ist er noch nicht. Seine Sachen sind noch im Zimmer.“

      „Bleiben Sie im Hotel und erwarten Sie die Rückkehr des König“, dekretiert Kommissar Sartorius nach kurzem Nachdenken. „Wenn er kommt, führen Sie mir den Mann vor. Ist er bis elf Uhr nicht zurückgekehrt, so machen Sie mir Meldung.“

      „Wenn er nicht zurückkehrt“, sinnt der Kommissar hoffnungsvoll, nachdem er den Hörer hingelegt hat, „wenn dieser König sich davongemacht hat, ohne sein Gepäck im Hotel abzuholen, dann haben wir die Spur, dann ist er hinreichend verdächtig, um nach ihm fahnden zu lassen. Vielleicht liegt der Fall ganz einfach. Vielleicht handelt es sich um ein Eifersuchtsdrama oder einen persönlichen Racheakt.“

      Aber so einfach liegt die Mordsache Holm nicht.

      II

      Ermittlungsbericht.

      In der Mordsache Holm

      habe ich auf Anordnung des Krim.-Komm. Sartorius gemeinsam mit dem Krim.-Wachtm. Müller in den Gasthäusern nach dem Begleiter der Holm gefahndet.

      Im Hotel „Berliner Hof“ stellte ich an Hand der Fremdenliste fest, dass ein Assessor Werner König aus Berlin heute vormittag dort abgestiegen ist. Auf Befragen erklärte der Portier, dass Herr König das Zimmer 12 bewohne, etwa um 19 Uhr ausgegangen und bisher noch nicht zurückgekehrt sei. Ich setzte mich daraufhin fernmündlich mit Krim.-Komm. Sartorius in Verbindung, der mich beauftragte, im Hotel die Rückkehr des König abzuwarten und ihn zur Vernehmung zum Polizeiamt zu bringen.

      Um 21.52 Uhr erschien ein Herr im Hotel, den der Portier uns als den Gesuchten bezeichnete. Er bejahte meine Frage, ob er Herr König aus Berlin sei. Auf meine Aufforderung, mir zum Polizeibüro zu folgen, gab er zunächst an, Assessor bei der Berliner Staatsanwaltschaft zu sein. Er kam darauf jedoch ohne Widerstreben unserer Aufforderung nach.

      Stralsund, den 18. Juni, 23.30 Uhr.

      gez. Wendhöfer, Krim.-Ass.

      Müller, Krim.-Wachtm.

      Vernehmung.

      In der Mordsache Holm

      habe ich in meinem Amtszimmer den Assessor König, Berlin, vernommen.

      Zu den Personalien gibt der Befragte an:

      Ich heisse Werner Karl Heinrich König, geb. am 10. 1. 1907 zu Berlin, Assessor bei der Staatsanwaltschaft III, Berlin-Moabit, wohnhaft Berlin, Uhlandstr. 455, deutscher Staatsangehöriger, ev., ledig, nicht vorbestraft.

      Obige Personalien erhärtet der Befragte durch Vorlage seines Reisepasses Nr. 2 497 622 sowie seiner amtlichen Legitimation.

      Zur Sache gibt König auf Befragen an:

      Ich bin seit drei Jahren mit Herrn und Frau Nerger, Berlin-Kladow, Amselallee 14, befreundet und verkehre in deren Haus. Dort lernte ich auch, vor einem Jahr ungefähr, die Schwester der Frau Nerger, Fräulein Graziella Holm, kennen.

      Am 12. Juni d. J. rief mich Frau Nerger an, sagte mir in sehr erregtem Ton, dass ihre Schwester Graziella ohne ihr Vorwissen ein Engagement als Tänzerin angenommen habe, und bat um meinen Besuch, um die Sache mit mir zu besprechen. Nach Dienstschluss fuhr ich zu Frau Nerger und erfuhr dort, dass Graziella in einem drittklassigen Lokal in Stralsund auftreten wolle, und zwar schon am 15. Juni. Frau Nerger war sehr aufgebracht darüber. Sie erklärte, dass ihr Mann höchst unwillig darüber sei und dass alle ihre Verwandten es als einen Skandal betrachten würden, wenn der Name der Familie auf öffentlichen Varietéanzeigen zu lesen sein würde. Sie erklärte ferner, dass auch sie selbst es als ein Unglück

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