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zu gehen. Zuweilen verzweifle ich an meinem Leben.«

      »Warum heiratest du nicht?«

      »Ja, heiraten, das ist leicht gesagt! Wen soll ich hier heiraten? Ich bin ja ein unbedeutender Mensch; ein Mädchen aus dem Kaufmannsstande wird mich nicht nehmen, und die von unserem armen Stande sind viel zu ungebildet, das wissen Sie doch selbst. Kann denn so ein Mädchen die Liebe richtig verstehen? Aber auch die Reichen verstehen sie nicht viel besser. Für jeden andern Menschen wären Sie wohl der Trost seines Lebens, Ihr Gemahl hält Sie aber wie einen Kanarienvogel im Bauer.«

      »Ja, ich langweile mich,« sagte Katerina Lwowna unwillkürlich.

      »Wie soll man sich auch nicht langweilen bei solch einem Leben, gnädige Frau! Selbst wenn Sie einen Geliebten hätten, wie die andern Frauen, so hätten Sie gar keine Möglichkeit, mit ihm zusammenzukommen.«

      »Nein, du redest Unsinn. Ich glaube aber, daß es mir lustiger zumute wäre, wenn ich ein Kindchen hätte.«

      »Erlauben Sie die Bemerkung, gnädige Frau: ein Kind kann man auch nicht so von heute auf morgen bekommen. Ich habe ja genug in den Kaufmannsfamilien gelebt und kenne mich in diesen Dingen gut aus. In einem Liede heißt es: ‚Wenn du keinen Liebsten hast, stirbt das Herz vor Schmerzenslast.‘ Diesen Schmerz empfinde ich so stark, Katerina Lwowna, daß ich mir das Herz aus der Brust schneiden und es Ihnen vor die Füßchen werfen könnte. Und es würde mir dann viel leichter zumute werden ...«

      Seine Stimme zitterte.

      »Was erzählst du mir von deinem Herzen? Ich brauche es nicht. Geh ...«

      »Nein, erlauben Sie, gnädige Frau,« sagte Ssergej, am ganzen Leibe zitternd und einen Schritt näher kommend. »Ich weiß, ich sehe und begreife, daß auch Sie es nicht leichter haben als ich. Alles hängt jetzt aber nur von Ihnen ab, alles ruht in Ihrer Hand!« Die letzten Worte hauchte er nur.

      »Was willst du? Was willst du? Was bist du zu mir gekommen? Ich werde mich aus dem Fenster stürzen,« sagte Katerina Lwowna, von einer namenlosen Angst erfaßt, und griff mit den Händen nach dem Fensterbrett.

      »Du Unvergleichliche, du mein Leben! Was sollst du dich aus dem Fenster stürzen?« flüsterte Ssergej frech. Er riß die junge Frau vom Fenster los und umschlang sie mit seinen Armen.

      »Laß los! Laß los!« stöhnte Katerina Lwowna leise, unter Ssergejs heißen Küssen ermattend und sich unwillkürlich an seine mächtige Brust schmiegend.

      Ssergej nahm sie wie ein kleines Kind auf die Arme und trug sie in eine dunkle Ecke.

      Im Zimmer trat nun eine Stille ein, die nur durch das gleichmäßige Ticken der Taschenuhr Sinowij Borissowitschs unterbrochen wurde, die über dem Bette Katerina Lwownas hing. Dieses Ticken störte aber niemand.

      »Geh,« sagte Lwowna nach einer halben Stunde, ohne Ssergej anzublicken, ihr zerzaustes Haar vor dem kleinen Spiegel richtend.

      »Was soll ich jetzt von hier fortgehen?« fragte Ssergej mit seliger Stimme.

      »Der Schwiegervater wird die Türe zusperren.«

      »Ach, meine liebe Seele! Hast du denn nur solche Männer gekannt, die eine Türe brauchen, um zur Geliebten zu gelangen? Wenn ich zu dir oder von dir will, so finde ich überall eine Türe,« antwortete der Bursche, auf die Balken, die die Galerie stützten, zeigend.

      IV

       Inhaltsverzeichnis

      Sinowij Borissowitsch blieb noch eine Woche auf der Mühle, und seine Frau ergötzte sich diese ganze Zeit allnächtlich bis an den lichten Tag mit Ssergej.

      In diesen Nächten wurde im Schlafzimmer Sinowij Borissowitschs gar viel Wein aus dem Keller des Schwiegervaters ausgetrunken, viel Süßes gegessen, viel geküßt und viel mit den schwarzen Locken auf den weichen Kopfkissen gespielt. Die Landstraße ist aber nicht immer so eben wie eine Tischdecke, es gibt auch Löcher und Buckel.

      Boris Timofejitsch konnte keinen Schlaf finden. Der Alte irrte in seinem bunten Kattunhemd durch das stille Haus, trat bald an das eine, bald an das andere Fenster und sah plötzlich das rote Hemd Ssergejs langsam den Balken unter dem Fenster der Schwiegertochter hinuntergleiten. Eine schöne Bescherung! Boris Timofejitsch ging in den Hof und packte den Burschen bei den Beinen. Dieser holte zuerst zu einem Schlage aus, überlegte sich aber, daß es zu viel Lärm geben würde.

      »Sag einmal,« fragte Boris Timofejitsch, »wo warst du eben, du Dieb?«

      »Wo ich war, da bin ich nicht mehr, Boris Timofejitsch,« antwortete Ssergej.

      »Hast du bei der Schwiegertochter übernachtet?«

      »Das ist meine Sache, Herr, wo ich übernachtet habe. Höre aber auf meine Worte, Boris Timofejitsch: was gewesen ist, läßt sich nicht mehr ändern. Tu wenigstens deinem Kaufmannshause keine Schande an. Sag mir, was willst du jetzt von mir? Was für eine Genugtuung soll ich dir geben?«

      »Du sollst, Verruchter, fünfhundert Peitschenschläge bekommen,« antwortete Boris Timofejitsch.

      »Die Schuld ist mein, der Wille ist dein,« sagte der Bursche. »Sag, wohin ich dir folgen soll, trinke mein Blut.«

      Boris Timofejitsch führte Ssergej in seine gemauerte Vorratskammer und schlug ihn so lange mit der Peitsche, bis sein Arm erlahmte. Ssergej gab keinen Ton von sich, zerkaute aber die Hälfte seines Hemdärmels mit den Zähnen.

      Boris Timofejitsch ließ Ssergej in der Kammer liegen, bis sein blutiggeschlagener Rücken verheilen würde, stellte ihm einen irdenen Krug mit Wasser hin, versperrte die Kammer mit einem großen Schloß und schickte nach dem Sohn.

      Auch heute noch legt man hundert Werst auf einer russischen Landstraße nicht an einem Tag zurück, Katerina Lwowna kann aber ohne ihren Ssergej auch nicht eine Stunde aushalten. Ihre ganze zügellose Natur kam zum Durchbruch, und sie wurde sehr kühn und entschlossen. Sie erfuhr, wo Ssergej eingesperrt war, sprach mit ihm durch die Eisentüre einige Worte und machte sich auf die Suche nach den Schlüsseln. »Väterchen, laß doch den Ssergej heraus!« wandte sie sich an den Schwiegervater.

      Der Alte wurde ganz grün vor Wut. Von seiner sündigen, bisher aber noch immer gehorsamen Schwiegertochter hatte er eine solche Frechheit nicht erwartet.

      »Was fällt dir ein?« Und er fiel über Katerina Lwowna mit Schimpfworten her.

      »Laß ihn heraus,« bestürmte sie ihn, »ich schwöre dir bei meinem Gewissen, daß es zwischen uns nichts Schlimmes gegeben hat.«

      »So, es hat nichts Schlimmes gegeben!« sagt er und knirscht mit den Zähnen. »Was habt ihr dann in den Nächten getrieben? Die Kissen deines Mannes durchgeklopft?«

      Sie aber hört gar nicht auf: »Laß ihn heraus!«

      »Wenn die Dinge so stehen,« sagt Boris Timofejitsch, »so will ich dir folgendes sagen: wenn dein Mann zurückkommt, werden wir dich, du treulose Frau, im Pferdestalle mit eigenen Händen durchpeitschen. Ihn aber, den Schurken, werde ich gleich morgen ins Zuchthaus schicken.«

      So hatte Boris Timofejitsch beschlossen; sein Beschluß wurde aber nicht zur Tat.

      V

       Inhaltsverzeichnis

      Boris Timofejitsch aß an diesem Abend einen Brei mit Pilzen und fühlte gleich darauf ein Brennen im Schlunde; es zwickte ihn im Magen, er bekam Erbrechen und starb gegen Morgen auf die gleiche Weise, wie die Ratten in seinem Speicher. Für die Ratten aber pflegte Katerina Lwowna mit eigenen Händen eine Speise mit einem gefährlichen weißen Pulver, das sie in Verwahrung hatte, anzurichten.

      Katerina Lwowna ließ ihren Ssergej sofort aus der gemauerten Kammer heraus und legte ihn, ganz ohne Scheu vor den Leuten,

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