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machte sich niemand über den Tod des Alten irgendwelche Gedanken. Boris Timofejitsch war eben gestorben, wie viele nach dem Genuß von Pilzen starben. Man beerdigte ihn in aller Eile, ohne selbst die Rückkehr des Sohnes abzuwarten, denn die Tage waren heiß; der nach Sinowij Borissowitsch geschickte Bote hatte ihn auf der Mühle nicht angetroffen. Sinowij Borissowitsch hatte gerade die Gelegenheit, einen Wald, der hundert Werst weiter lag, billig zu kaufen; er war hingefahren, um sich den Wald anzusehen, und hatte niemandem angesagt, wo dieser Wald liege.

      Nachdem Katerina Lwowna dieses erledigt hatte, geriet sie ganz außer Rand und Band. Sie war ja auch sonst keine schüchterne Frau; jetzt konnte man aber unmöglich erraten, was sie noch alles vorhatte. Sie geht stolz einher, kommandiert das ganze Haus und läßt Ssergej nicht von ihrer Seite. Das kam dem Hausgesinde anfangs etwas merkwürdig vor, Katerina Lwowna verstand aber, die Leute so reich zu beschenken, daß ihnen das Staunen verging. Sie sagten sich nur: Die Frau hat wohl mit dem Ssergej angebandelt. Das ist ihre Sache, und nur sie allein wird sich dafür zu verantworten haben.

      Ssergej genas indessen von seinen Wunden, ging wieder aufrecht einher, tänzelte stolz wie ein Falke um Katerina Lwowna, und die beiden hatten wieder das allerschönste Leben. Die Zeit rollte aber nicht nur für sie beide dahin: der beleidigte Gatte Sinowij Borissowitsch eilte nach langer Abwesenheit nach Hause.

      VI

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ein glühheißer Nachmittag, und die Fliegen ließen keine Ruhe. Katerina Lwowna schloß die Fenster des Schlafzimmers, verhängte es von innen mit einem wollenen Tuche und legte sich mit Ssergej auf das hochgetürmte Bett, um nach dem Essen auszuruhen. Katerina Lwowna weiß nicht, ob sie schläft oder wacht, es ist aber so furchtbar heiß, der Schweiß läuft ihr von der Stirne, und sie kann vor Hitze kaum atmen. Katerina Lwowna fühlt, daß es nun Zeit ist, aufzuwachen; daß es Zeit ist, in den Garten zu gehen, um Tee zu trinken; sie kann aber unmöglich aufstehen. Endlich kommt die Köchin vor die Schlafzimmertüre und klopft: »Der Samowar unter dem Apfelbaume wird kalt.« Katerina Lwowna erwacht und beginnt den Kater zu tätscheln. Zwischen ihr und Ssergej wälzt sich auf dem Bette ein prächtiger, grauer Kater; er ist groß und wohlgenährt und hat einen so mächtigen Schnurrbart wie ein Amtmann. Katerina Lwowna streichelt ihm das weiche Fell, und er schnuppert immer mit seiner stumpfen Schnauze an ihrem prallen Busen und schnurrt ein leises Lied, wie wenn er von der Liebe sprechen wollte. »Wie kommt nur der Kater her?« fragt sich Katerina Lwowna. »Ich habe hier auf dem Fenster Sahne stehen, er wird sie sicher fressen. Ich muß ihn hinauswerfen!« sagt sie sich und greift nach dem Kater. Er ist aber unter ihren Fingern wie ein Nebel verschwunden. »Wie kommt nur der Kater zu uns her?« denkt sich Katerina Lwowna im Halbschlummer. »In unserm Schlafzimmer hat es doch niemals einen Kater gegeben, und auf einmal ist so ein Vieh da!« Sie will wieder nach dem Kater greifen, und er ist schon wieder weg. »Was ist denn das? Ist es denn nur ein Kater?« fragt sich Katerina Lwowna wieder. Sie bekommt Angst, und ihre ganze Schläfrigkeit ist auf einmal wie weggeblasen. Sie sieht sich um — es ist gar kein Kater in der Stube, an ihrer Seite liegt nur der hübsche Ssergej und drückt mit seiner starken Hand ihre Brust gegen sein glühendes Gesicht.

      Katerina Lwowna stand auf, setzte sich auf das Bett und begann ihren Ssergej zu küssen und zu liebkosen. Dann richtete sie die zerwühlten Kissen und ging in den Garten, um Tee zu trinken. Die Sonne stand aber schon tief am Himmel, und auf die warme Erde senkte sich ein märchenhaft schöner Abend.

      »Ich habe zu lange geschlafen,« sagte Katerina Lwowna zu Aksinja und setzte sich auf den Teppich unter den blühenden Apfelbaum. »Aksinja, was mag das bedeuten?« fragte sie die Köchin, die Tassen mit dem Handtuch abwischend.

      »Was denn, Mütterchen?«

      »Es war kein Traum, ich sah es im Wachen, wie sich an mich irgendein Kater schmiegte.«

      »Was redest du?«

      »Es war wirklich ein Kater.«

      Und Katerina Lwowna erzählte ihr, was sie eben erlebt hatte.

      »Was brauchtest du ihn zu streicheln?«

      »Das weiß ich selbst nicht, warum ich ihn gestreichelt habe.«

      »Es ist doch seltsam!« rief die Köchin aus.

      »Es kommt auch mir seltsam vor.«

      »Das bedeutet sicher, daß dir etwas zustößt.«

      »Was soll mir zustoßen?«

      »Was dir zustoßen wird, kann dir, meine Liebe, niemand erklären. Es wird dir aber sicher etwas zustoßen.«

      »Ich habe den Mond im Traume gesehen, und dann kam dieser Kater,« fuhr Katerina Lwowna fort.

      »Der Mond bedeutet ein Kind.«

      Katerina Lwowna errötete.

      »Soll ich dir nicht den Ssergej herschicken?« fragte Aksinja mit der Vertraulichkeit einer Freundin.

      »Meinetwegen,« antwortete Katerina Lwowna. »Schick ihn mir wirklich her: ich will mit ihm Tee trinken.«

      »Darum frage ich auch, ob ich ihn herschicken soll,« sagte Aksinja und wackelte wie eine Ente zum Gartentor.

      Katerina Lwowna erzählte auch Ssergej das von dem Kater.

      »Es ist nichts als Einbildung,« antwortete Ssergej.

      »Warum habe ich aber früher diese Einbildung niemals gehabt, Sserjoscha?«

      »Ja, früher war manches anders! Früher verschmachtete mir das Herz, wenn ich dich auch nur mit einem Auge ansah, und heute habe ich deinen ganzen weißen Leib in meiner Gewalt.«

      Ssergej nahm Katerina Lwowna auf die Arme, drehte sie einmal in der Luft um und warf sie auf den weichen Teppich.

      »Ach, es schwindelt mir!« sagte Katerina Lwowna.

      »Sserjoscha, komm einmal her, setz dich zu mir,« rief sie, sich wollüstig streckend.

      Ssergej beugte sich, trat unter die tief herabhängenden, mit weißen Blüten beladenen Äste des Apfelbaumes und setzte sich auf den Teppich Katerina Lwowna zu Füßen.

      »Hast du wirklich nach mir geschmachtet, Sserjoscha?«

      »Gewiß, ich habe wohl geschmachtet.«

      »Wie hast du geschmachtet? Erzähl es mir!«

      »Kann man es denn erklären, wie man schmachtet? Ich habe mich halt nach dir gesehnt.«

      »Warum habe ich nicht gefühlt, daß du dich nach mir sehntest, Sserjoscha? Es heißt ja, daß man so was immer fühlt.«

      Ssergej gab keine Antwort.

      »Warum hast du immer gesungen, wenn du dich wirklich nach mir gesehnt hast? Ich hab ja gehört, wie du auf der Galerie deine Lieder sangst,« fragte Katerina Lwowna unter Küssen und Liebkosungen.

      »Was folgt daraus, daß ich gesungen habe? Auch die Mücke singt ihr Leben lang, doch nicht vor Freude,« antwortete Ssergej trocken.

      Es entstand eine Pause. Ssergejs Geständnis erfüllte Katerina Lwowna mit höchster Freude.

      Sie wollte noch mehr darüber sprechen, aber Ssergej runzelte die Stirne und schwieg.

      »Schau nur, Sserjoscha, was das für ein Paradies ist!« rief Katerina Lwowna aus, durch die dichten Zweige des blühenden Apfelbaumes in den heiteren blauen Himmel mit dem Vollmond blickend.

      Das Mondlicht drang durch die Blüten und Blätter des Apfelbaumes und überschüttete die Figur und das Gesicht der auf dem Rücken liegenden Katerina Lwowna mit zauberhaften Lichtflecken. Ein leiser warmer Windhauch bewegte kaum die schlafenden Blätter und brachte den feinen Duft der blühenden Gräser und Bäume. Die Luft flößte eine süße Mattigkeit, Wollust und dunkles Sehnen ein.

      Ssergej sagte noch immer nichts, und Katerina Lwowna hielt wieder inne und blickte

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