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      Kaum hatte Katerina Lwowna die Kerze ausgeblasen und sich auf dem weichen Pfühle ausgestreckt, als sie auch sofort einschlief. Nach den ausgelassenen Spielen dieser Nacht schläft sie so fest, daß auch Arme und Beine wie erstarrt sind; und sie hört durch den Schlaf, wie die Türe aufgeht und der gestrige Kater als ein schweres Knäuel aufs Bett springt.

      »Was ist das für eine Plage mit diesem Kater?« fragt sich die todmüde Katerina Lwowna. »Ich habe ja die Türe mit eigenen Händen zugesperrt und auch das Fenster geschlossen, und er ist schon wieder da. Gleich werde ich ihn hinauswerfen!« Katerina Lwowna wollte schon aufstehen, aber die schlafenden Arme und Beine gehorchten ihr nicht. Der Kater stieg aber auf ihrem Körper umher und schnurrte so seltsam, wie wenn er Menschenworte spräche. Katerina Lwowna überlief es kalt.

      »Morgen muß ich ganz bestimmt Weihwasser mit ins Bett nehmen«, sagt sie sich, »anders kann ich diesen seltsamen Kater gar nicht los werden!«

      Der Kater aber schnurrt ihr dicht vor dem Ohre und spricht: »Bin ich denn ein Kater? Du urteilst nicht klug, Katerina Lwowna, wenn du mich für einen Kater hältst. Ich bin ja der ehrengeachtete Kaufmann Boris Timofejitsch. Ich sehe jetzt bloß darum so schlecht aus, weil mir nach dem Imbiß, den mir meine liebe Schwiegertochter vorgesetzt hat, alle Gedärme gesprungen sind. Darum erscheine ich auch denen, die von der Sache wenig verstehen, als ein Kater. Wie geht es dir nun jetzt, Katerina Lwowna? Wie beobachtest du Gottes Gebot? Ich bin vom Friedhofe hergekommen, um zu sehen, wie du mit Ssergej Philippowitsch das Bett deines Mannes wärmst. Schnurr — Murr, ich sehe ja nichts. Fürchte mich nicht: nach deinem Imbiß sind mir, wie du siehst, auch die Augen ausgelaufen. Schau mir doch in die Augen, meine Liebe, fürchte dich nicht!«

      Katerina Lwowna sah hin und schrie vor Entsetzen auf. Zwischen ihr und Ssergej liegt wieder der Kater. Er hat den Kopf des Boris Timofejitsch in der gleichen Größe, wie ihn der Verstorbene bei Lebzeiten gehabt hat, und statt der Augen Feuerkreise, die sich nach verschiedenen Richtungen drehen.

      Ssergej erwachte, beruhigte Katerina Lwowna und schlief wieder ein. Sie konnte aber nicht mehr einschlafen, und das war gut.

      Sie liegt mit offenen Augen da, und plötzlich kommt es ihr vor, als ob jemand über das Tor in den Hof gestiegen wäre. Sie hört, wie die Hunde aufspringen, sich aber gleich wieder beruhigen, wie wenn sie jemand streichelte. Es vergeht eine Minute, und sie hört, wie der Riegel unten zurückgeschoben wird und wie die Haustür aufgeht. »Entweder kommt mir das alles nur so vor, oder mein Sinowij Borissowitsch ist eben zurückgekehrt und hat die Türe mit seinem Schlüssel aufgemacht«, dachte sich Katerina Lwowna und stieß Ssergej in die Seite.

      »Sserjoscha, hör einmal«, sagte sie, sich auf einen Ellenbogen aufrichtend und die Ohren spitzend.

      Jemand stieg tatsächlich die Treppe hinauf und näherte sich langsam mit leisen Schritten der versperrten Schlafzimmertüre.

      Katerina Lwowna sprang schnell im bloßen Hemd aus dem Bett und machte das Fenster auf. Ssergej stürzte im gleichen Augenblick auf die Galerie und umschlang mit den Beinen den Balken, an dem er schon mehr als einmal aus dem Schlafzimmer der Hausfrau hinuntergeglitten war.

      »Nein, du sollst nicht fort! Leg dich hier nieder ... Bleib in meiner Nähe«, flüsterte Katerina Lwowna und warf ihm durch das Fenster seine Kleider und Schuhe zu. Sie selbst schlüpfte aber wieder unter die Bettdecke und wartete.

      Ssergej hörte auf Katerina Lwowna; er glitt den Balken nicht hinunter, sondern kauerte sich auf der Galerie unter dem Dachvorsprung nieder.

      Katerina Lwowna hört indessen, wie ihr Mann dicht vor die Türe kommt und mit verhaltenem Atem lauscht. Sie hört sogar sein Herz vor Eifersucht klopfen; sie fühlt aber kein Mitleid, sondern nur ein böses Lachen in sich aufsteigen.

      »Ja, suche nur den gestrigen Tag!« denkt sie sich und lächelt so unschuldig wie ein neugeborenes Kind.

      Das dauerte an die zehn Minuten. Schließlich wurde es Sinowij Borissowitsch zu dumm, draußen zu stehen und zu lauschen, wie seine Frau schläft. Er klopfte an ...

      »Wer ist da?« rief Katerina Lwowna nach einer Weile mit verschlafener Stimme.

      »Einer von der Familie«, antwortete Sinowij Borissowitsch.

      »Bist du es, Sinowij Borissowitsch?«

      »Natürlich! Als ob du es nicht hörtest!«

      Katerina Lwowna sprang im bloßen Hemd auf, ließ den Mann ein und schlüpfte wieder in das warme Bett.

      »Vor Sonnenaufgang ist es immer so kalt,« sagte sie, sich in die Decke hüllend.

      Sinowij Borissowitsch trat ein, sah sich um, betete vor dem Heiligenbilde und sah sich wieder um.

      »Nun, wie geht es dir?« fragte er seine Frau.

      »Es geht«, antwortete Katerina Lwowna, sich aufsetzend und eine vorne offene Jacke anziehend.

      »Ich soll wohl den Samowar bereiten?« fragte sie.

      »Nein, wecke die Aksinja, daß sie es macht.«

      Katerina Lwowna schlüpfte in die Schuhe und lief hinaus. Eine halbe Stunde blieb sie fort. In dieser Zeit machte sie den Samowar und schlich sich leise auf die Galerie hinaus.

      »Bleib da!« flüsterte sie Ssergej zu.

      »Wie lange soll ich noch sitzen?« fragte Sserjoscha gleichfalls flüsternd.

      »Wie dumm du doch bist! Sitz, bis ich dich rufe.«

      Und Katerina Lwowna setzte ihn wieder auf die gleiche Stelle hin.

      Ssergej konnte aber von der Galerie alles hören, was im Schlafzimmer vorging. Er hörte, wie die Türe wieder aufging und wie Katerina Lwowna zu ihrem Mann zurückkehrte. Jedes Wort konnte er hören.

      »Was hast du so lange getrieben?« fragte Sinowij Borissowitsch seine Frau.

      »Den Samowar habe ich gemacht«, antwortet sie ruhig.

      Es vergehen wieder einige Minuten. Ssergej hört, wie Sinowij Borissowitsch seinen Rock auf den Kleiderrechen hängt. Nun wäscht er sich und spritzt mit dem Wasser umher; dann läßt er sich ein Handtuch geben; dann beginnt er wieder ein Gespräch.

      »Wie habt ihr den Vater beerdigt?« fragt er.

      »Er ist verschieden, und wir haben ihn beerdigt«, antwortet sie.

      »Das ist doch wirklich sonderbar!«

      »Gott allein weiß, wie es gekommen ist,« antwortet Katerina Lwowna, mit den Teetassen klappernd.

      Sinowij Borissowitsch geht nachdenklich durch das Zimmer.

      »Nun, und wie hast du die Zeit verbracht?« fragt Sinowij Borissowitsch seine Frau von neuem aus.

      »Ich glaube, unser Zeitvertreib ist jedermann bekannt; Bälle besuchen wir nicht, Theater ebenfalls nicht.«

      »Du scheinst dich aber wenig über die Rückkehr des Gatten zu freuen!« beginnt Sinowij Borissowitsch wieder, sie scheel anblickend.

      »Wir beide sind ja nicht mehr so jung, daß wir vor Freude den Verstand verlieren sollen! Was soll ich mich auch freuen? Nun muß ich wieder für dich arbeiten und herumrennen!«

      Katerina Lwowna lief hinaus, um den Samowar zu holen, machte wieder einen Sprung auf die Galerie zu Ssergej, zupfte ihn am Ärmel und sagte ihm: »Sserjoscha, paß jetzt auf!«

      Ssergej wußte zwar nicht recht, was jetzt kommen sollte, machte sich aber bereit.

      Katerina Lwowna kehrte ins Schlafzimmer zurück. Sinowij Borissowitsch kniete eben auf dem Bett und hängte über dem Kopfende seine silberne Uhr mit der Glasperlenkette auf.

      »Sagen Sie mir einmal, Katerina Lwowna, warum haben Sie, wo Sie allein waren, beide Betten aufgedeckt?« fragte er plötzlich die Frau mit seltsamem Ausdruck.

      »Ich habe Sie immer erwartet«, antwortete Katerina Lwowna, ihn ruhig anblickend.

      »Dafür

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