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in ein sofort errichtetes Hospital geschafft; einer ist gestorben, sechs andere hätten eine längere Dauer der Reise nicht überlebt. Die Mannschaft des „Astrolabe“ ist weniger mitgenommen.

      Das erste Schiff, das sich um die Ankunft der Franzosen bekümmert, ist eine englische Fregatte. D’Urville kann sich dem Verkehr mit den englischen Kollegen nicht entziehen; sie überlassen ihm sogar mit grösster Hilfsbereitschaft 150 Kupferplatten, die er zur Instandsetzung seiner Schiffe braucht und sich nirgends anders beschaffen kann, und nehmen nach Valparaiso seine Post mit, seine ersten Berichte über die bisherigen Ergebnisse der Reise. Denn es dauert vier Wochen, bis seine Mannschaft sich wieder erholt hat und er ebenfalls dahin aufbrechen kann.

      Die Nachricht von seiner Ankunft ist ihm vorausgeeilt und hat auf dort weilenden französischen Schiffen grosse Bestürzung verursacht. Die Offiziere empfinden das Unternehmen schon als eine Blamage Frankreichs, und ihr hitziger Patriotismus macht sie ungerecht gegen den eigenen Landsmann; einer von ihnen schreibt einem Freunde auf dem „Astrolabe“, dem Kommandanten der verunglückten Expedition bleibe nichts übrig, als sich eine Kugel vor den Kopf zu schiessen! Als d’Urville schliesslich selbst mit seiner wieder seetüchtigen Mannschaft und tadellosen Schiffen in Valparaiso erscheint, ist es seine peinlichste Aufgabe, die übertriebenen und erlogenen Gerüchte über den kläglichen Zusammenbruch der ganzen Expedition zu widerlegen und besonders die misstrauischen Landsleute eines Bessern zu belehren. — Sehr erpicht ist er darauf, zu erfahren, was unterdes aus der amerikanischen Expedition geworden ist; aber davon hat niemand etwas gehört; anscheinend ist sie noch gar nicht abgereist.

      Entdeckung des Adélie-Landes

      Als die französische Expedition nach einer sehr erfolgreichen Forschungsreise durch ganz Ozeanien am 12. Dezember 1839 in den Hafen von Hobart einläuft, ist sie weit schlimmer noch daran als vor anderthalb Jahren. An den sumpfigen Küsten Javas haben Ruhr und Fieber die beiden Schiffe derart verseucht, dass kaum noch ein völlig Gesunder an Bord ist; 16 Mann, darunter 3 Offiziere, sind auf der zwei Monate langen Fahrt nach Tasmania gestorben. Abermals wird in der Hafenstadt ein Hospital errichtet, und noch hier fordert die Krankheit neue Opfer. Kann die zweite Antarktisfahrt nicht am 1. Januar beginnen, dann wird es zu spät im Jahr, um Erfolge zu erzielen, die d’Urvilles eigenmächtigen Entschluss rechtfertigen können; Briefe aus der Heimat melden ihm, dass seine erste Fahrt keinen günstigen Eindruck dort gemacht hat. An Wiederherstellung aller Kranken in drei Wochen ist nicht zu denken; wer weiss, ob ihm noch genug Leute auch nur für ein Schiff übrigbleiben! Aber seiner Absicht, mit dem „Astrolabe“ allein den zweiten Vorstoss in die Antarktis zu machen, widersetzen sich Freund Jacquinot und seine Offiziere mit Leidenschaft: „Wir dürfen uns doch da nicht trennen, wo es am notwendigsten ist, beisammen zu sein!“ Dem muss der Kommandant beipflichten. Die Lücken in der Mannschaft werden also notdürftig durch Werbung Freiwilliger ausgefüllt; es sind meist Deserteure von Walfängern, Franzosen und sogar Engländer! Noch am Tage vor der Abfahrt stirbt der junge Künstler Goupil, der Zeichner der Expedition, und die vom Arzt gesundgeschriebenen Leute sehen keineswegs so aus, als ob sie den drohenden Strapazen gewachsen sind. Die Verantwortung des Kommandanten ist doppelt schwer.

      Überall hat d’Urville herumgefragt: was aus der amerikanischen Expedition geworden sei? Niemand weiss etwas davon; der englische Gouverneur von Tasmanien, Sir John Franklin, der berühmte Polarfahrer, versichert ihm, nie auch nur davon sprechen gehört zu haben. Erst am 24. Dezember erfährt er, dass Wilkes mit seiner Flotte in Sydney ist, nur wenige Tagereisen von Hobart entfernt, und sich aus seine zweite Eisfahrt vorbereitet; niemand weiss etwas über seine bisherigen Entdeckungen; allen Mitgliedern der amerikanischen Expedition ist strengstes Stillschweigen auferlegt. Andern Tags besucht ihn überraschend genug der Entdecker von Graham- und Enderbyland, Kapitän Biscoe, selbst; er kommt auf seinem Enderby-Schiff soeben von Sydney, hat Wilkes gesprochen, aber auch nichts Näheres über seine Erlebnisse herausholen können. Biscoe hat kürzlich wieder einen Vorstoss nach Süden versucht, und zwar auf dem Meridian von Neuseeland, ist aber nur bis zum 63. Breitengrad gekommen; mehrere Kollegen haben ihm übrigens versichert, im Süden der Macquarie-Insel müsse Land sein, aber bisher sei noch keiner da hinuntergesegelt. Biscoe hat offenbar etwas läuten gehört, ohne noch zu wissen, wo die Glocken hängen, und d’Urville ahnt noch weniger, was sich neuerdings während seines Aufenthalts in Ozeanien, begeben hat: ein anderer Enderby-Schiffer, Kapitän John Balleny, ist, um Robben zu fangen, mit zwei kleinen Fahrzeugen, der „Eliza Scott“ (154 T.) und dem Kutter „Sabrina“ (54 T.), von den Campbell-Inseln aus, also auf dem Meridian von Neuseeland, südwärts gefahren, bis zum 69. Breitengrad gekommen und hat am 9. Februar 1839 tatsächlich südlich von der Macquarie-Insel jenseits des 66. Breitengrades mehrere Inseln entdeckt mit tätigen Vulkanen, deren Ausbruch er beobachtete; an ihrer Existenz kann also kein Zweifel sein. Balleny ist dann auf dem 65. Breitengrad als erster nach Westen gesegelt, während alle seine Vorgänger sich vom Westwind nach Osten treiben liessen, und glaubt, vom 26. Februar bis 3. März, zwischen dem 131. und 118. Längengrad, mehrere Küsten gesichtet zu haben; dem am 3. März mit ziemlicher Bestimmtheit erkannten Landstrich hat er den Namen „Sabrina-Land“ gegeben. Balleny kann allerdings nicht beschwören, dass er wirklich Land sah, denn zu genauerer Untersuchung fehlt ihm die Zeit, wo keine Robben sind, kann er sich nicht aufhalten; es mag auch nur ein ungeheurer Eisberg und das Land dahinter Wolken gewesen sein; an den Balleny-Inseln aber ist nicht zu rütteln, und auch das Sabrina-Land hat sich seitdem auf den Karten der Antarktis behauptet, ohne dass seine wirkliche Existenz bis heute bewiesen ist. Auf der Rückfahrt ist der Kutter „Sabrina“ mit Mann und Maus untergegangen, aber Ballenys Bericht hat bei allen, die ihn kennen, die grösste Aufmerksamkeit erregt; im australischen Viertel der Antarktis ist augenscheinlich noch mehr zu finden als nur der magnetische Südpol.

      Von Ballenys Erfolgen hört damals nur einer, der Führer der englischen Südpolexpedition, die man in Hobart erwartet, Kapitän Ross; wenige Tage vor seiner Abreise, Ende September 1839, erhält er diese wichtige Nachricht. D’Urville kann noch nichts davon wissen, aber bei den Andeutungen Biscoes spitzt er natürlich die Ohren. Hat der englische Kapitän auch den Befehlshaber der amerikanischen Expedition auf die Gegend südlich der Macquarie-Insel hingewiesen, so kann es zwischen der französischen Expedition, die dort unten zwischen 160 und 120° ö. L. arbeiten will, wo bisher nur Cook gewesen ist, und der amerikanischen zu einem unbequemen Wettlauf kommen; warum sonst ist Wilkes gerade in Sydney? Um so mehr Grund, die Abreise zu beschleunigen.

      D’Urville versucht zunächst, auf dem Strich der geringsten Abweichung der Magnetnadel geradezu auf den magnetischen Südpol loszufahren, merkt aber bald, dass zu solch einem Seiltanz seine Instrumente nicht genau genug funktionieren. Auch sind Wind und Strömung ihm entgegen. Schon vier Tage nach der Abfahrt meldet der Arzt des „Astrolabe“ vier Kranke, die „Zelée“ hat schon sieben, und einer ihrer besten Matrosen stirbt. Todesursache: Ruhr! Die Seuche bricht aufs neue aus! Am 16. Januar signalisiert die Wache das erste Eis. All das weissagt nichts Gutes. Vor zwei Jahren zeigten sich die ersten Eisberge auf 59°, und die Expedition kam nicht bis zum 65. Diesmal ist sie auf 60°, und das schwimmende Eis ist schon so dick und bald auch so frisch, so wenig zerfallen, dass es erst kürzlich vom festen Lande, wo es gewachsen ist, abgebrochen sein muss. D’Urville fürchtet schon am 16., bald durch eine ebensolche Eismauer aufgehalten zu werden wie im Weddellmeer; dafür spricht auch die plötzlich auffallend ruhige See; diesmal wird die Eisschranke jedenfalls an dahinterliegenden Landstrecken ihren festen Stützpunkt haben. Wider Erwarten dringen die Schiffe am 18. Januar bis zum 64. Breitengrad vor, weit südlicher als Cook, der sich auf dieser ganzen Strecke oberhalb des 60. gehalten und mit dem Eis nirgends angebunden hat. Aber am Abend des 18. schwindet alle Hoffnung, noch weiter nach Süden zu gelangen; ungeheure Tafeleisberge, wie d’Urville sie nur bei den Süd-Orkney-Inseln, also in der Nähe festen Landes, gesehen hat, riegeln den Weg ab; sie bestätigen seine Überzeugung, dass in ihrem Rücken auch hier ein Landkern sein muss, von dem sie herkommen. Am 19. werden ihrer immer mehr, einer ist fast 2 Kilometer lang und so frisch, als sei er tags zuvor von Küstengletschern abgebrochen. Mehrmals schon hat die Wache durch Landmeldung die Besatzung in Aufregung versetzt, es sind immer nur dunkle Wolken über dem Horizont; am 19. aber sieht See-Ingenieur Dumoulin vom Mastkorb aus schwarzgraue Flecken, die deutlich hervortreten und bei längerer Beobachtung unverändert bleiben; er selbst wagt noch kaum an seine Entdeckung zu glauben und muss sich erst durch

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