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befördert wird er allerdings erst 1855 mit 57 Jahren —, dürfte er vor dem Kriegsgericht noch einigermassen glimpflich davongekommen sein. Die Aussagen seiner Offiziere aber wurden der Öffentlichkeit nicht vorenthalten, und eine Probe daraus genügt, um die Glaubwürdigkeit dieses Expeditionsführers rettungslos zu erschüttern.

      Der Stichtag den Franzosen gegenüber ist der 19. Januar 1840, an dem sie das Kap der Entdeckung sichten; anderntags landen sie an der Insel vor Adélie-Land auf 140° 12′ ö. L.; Wilkes muss also bis zum 19. mit aller Sicherheit Land wahrgenommen haben, wenn von einer Priorität vor den Franzosen die Rede sein kann. Und das behauptet er in der Erklärung, die er am 13. März 1840 veröffentlicht, und in einem amtlichen Bericht vom 11. März, als er eben von d’Urvilles Entdeckung gehört hat. Was sagen dazu die Offiziere?

      Leutnant Alden vom „Vincennes“, dem von Wilkes befehligten Flaggschiff, sagt aus: „Von einer Landentdeckung am neunzehnten Januar habe ich erst in Sydney sprechen gehört, als wir gleich nach unserer Ankunft erfuhren, dass die Franzosen am Nachmittag dieses Tages ihre Entdeckung gemacht hätten. Leutnant Wilkes war damals an Land; als er an Bord zurückkam, empfing ich ihn an der Leiter mit der Bemerkung, die Franzosen seien uns also zuvorgekommen. ‚O nein!‘ antwortete er mir. ‚Erinnern Sie sich nicht, dass Sie mir am Morgen des Neunzehnten Anzeichen von Land gemeldet haben?‘ Ich konnte mich dessen im Augenblick nicht entsinnen und erwiderte, ich würde im Logbuch nachsehen. Dessen Prüfung überzeugte mich zunächst, dass ich am Morgen dieses Tages die Wache hatte, und diese Tatsache in Verbindung mit andern Umständen erinnerte mich daran, dass ich tatsächlich seine Aufmerksamkeit auf etwas gelenkt hatte, das wie Land aussah. Das ging so zu: Das Wetter war am ganzen Morgen neblig gewesen. Etwas nach acht Uhr hörte ich das Getöse der See, die sich an einem nahen Eisberg brach. Ich benachrichtigte Wilkes davon, und er kam aufs Oberdeck. Der Nebel stieg nach und nach, so dass wir den Eisberg sehen konnten; bald darauf wurde es ziemlich klar. Ich beobachtete den südlichen Horizont, und als Wilkes gerade im Begriff war, wieder hinunterzugehen, sagte ich ihm: ‚Da ist etwas, das wie Land aussieht.‘ Er schien diese Meldung gleichgültig aufzunehmen, antwortete nichts und stieg hinunter.“

      „Glauben Sie, dass es Land war?“ fragt der Richter.

      „Nach dem, was ich jetzt weiss, war es kein Land.“

      „Glaubten Sie es, als Sie ihm das sagten?“

      „Nein, ich glaubte es nicht, sonst würde ich diesen Vorfall im Logbuch verzeichnet haben.“

      „Wurden Sie durch solche Anzeichen von Land öfter getäuscht?“

      „Nicht öfter als andere Seefahrer. Bis zum fünfundzwanzigsten Januar hielt ich das Vorhandensein von Land in diesen Regionen für sehr zweifelhaft. An diesem Tage aber sagte mir Leutnant Underwood, der das Mastwerk hinaufgestiegen war, im Süden und Westen befinde sich ganz gewiss Land. Wir waren an diesem Tag auf 147° 42′ ö. L.“

      „War am Fünfundzwanzigsten klares Wetter?“

      „Der Fünfundzwanzigste war ein wunderbar heller Tag. Ich sah das Land, als gerade ein Reef in die Marssegel eingebunden wurde, und zeigte es Leutnant Wilkes an; er schaute einige Zeit hin und sagte: „Wahrhaftig, es ist Land.“ Ehe wir mit Einbinden des Reefs fertig waren, wurde das Schiff durch Windstösse und Schneesturm weggetrieben. Meine Angaben im Logbuch sind: ‚Um 9 Uhr 45 Minuten Land in SSO entdeckt oder etwas, was entschieden wie hohes, schneebedecktes Land aussieht‘.“

      „Versuchte man, am Neunzehnten zu loten oder sich dem Land zu nähern?“

      „Im Gegenteil, ich erhielt den Befehl, das Schiff in offener See zu halten, und soviel ich weiss, wurde keine Sondierung vorgenommen. Am Abend sahen wir den ‚Peacock‘ gegen SW steuern.“

      Aus einer weitem Äusserung dieses Zeugen geht hervor, dass man auf dem „Vincennes“ mit wirklicher Sicherheit erst am 28. Januar Land sah auf 140° 24′ — also die Küste des Adélie-Landes! Die Beobachtung vom 25. erschien noch nicht einwandfrei. Und wäre am 19. wirklich Land in Sicht gewesen, so hätte Wilkes sofort versuchen müssen, ihm näher zu kommen; statt dessen gab er den Befehl, das Schiff in offener See zu halten! Und welcher Expeditionsführer wird die Befehlshaber der Begleitschiffe, sobald er eines davon erreicht, nicht sofort auf eine so entscheidende Entdeckung aufmerksam machen? Am 26. Januar hat Wilkes eine Unterredung mit Leutnant Ringgold, dem Führer des „Porpoise“, der schon am 13. Inseln gesehen haben will, die später nach ihm benannt werden, eine immerhin beachtenswerte Entdeckung, die jedoch der Kommandant durchaus nicht gelten lassen will, weil er sie nicht selbst gemacht hat. Wilkes berichtet ihm auch bei dieser Begegnung von dem freudigen Ereignis des 25., aber vom 19. fällt kein Wort, und Ringgold hört erst davon, als er in Neuseeland ankommt. Leutnant Hudson vom „Peacock“ jedoch glaubt am 19. Januar ebenfalls, Land zu sehen, überzeugt sich aber eines Bessern und ist seiner Sache so gewiss, dass er im Logbuch das Wort Land durch „Eisberg“ ersetzen lässt, um bei der Wahrheit zu bleiben. Der Bericht über den 19. Januar, wie er im vorigen Kapitel zunächst nach den eigenen Äusserungen des Expeditionsführers zu geben war, erweist sich demnach als eine bewusste Fälschung, als eine „Korrektur“ der Wahrheit, lediglich zum grösseren Ruhm seines eigenen Namens und zur Herabsetzung des Mannes, der nun einmal der wirkliche Entdecker der Küste des antarktischen Australquadranten gewesen ist, des Franzosen d’Urville, der selbstlos genug war, das Hauptverdienst daran sofort seinem Mitarbeiter Dumoulin zuzuerkennen.

      Kapitän Ross geht auf fahrt

      Die englischen Kolonien Australiens scheinen das Sprungbrett nach dem Südpol werden zu wollen. Bon Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens an der Mündung des Derwent, bricht die französische Expedition zu ihrer zweiten Polarfahrt auf, die nordamerikanische von Sydney, der Hauptstadt von Neusüdwales. Mitte August 1840 läuft auch die lang erwartete englische Expedition unter Kapitän James Ross in den Derwent ein. Sie besteht aus zwei Schiffen, die einen das Schicksal geradezu herausfordernden Namen führen: „Erebus“ und „Terror“ — Unterwelt und Schrecken, denn sie haben früher als Bombenwerfer zur englischen Kriegsmarine gehört und diesen Namen Ehre gemacht. „Erebus“ hat 370 Tonnen, „Terror“ 340; beide sind schwer gebaut und für den Kampf mit dem Eis noch verstärkt, mit Kupferpanzer versehen und bis in jeden Winkel hinein sorgfältigst eingerichtet und ausgerüstet. Führer des „Terror“ ist Kapitän F. R. M. Crozier. Unter den wissenschaftlichen Mitarbeitern ist ein junger Botaniker namens Joseph Dalton Hooker, der sich als Unterchirurg auf dem „Erebus“ hat verpflichten lassen, um die Fahrt mitmachen zu können und sein berühmtes Buch „Flora antarctica“ zu schreiben. Er ist wohl der einzige jener Generation, dem es vergönnt ist, die Entdeckungsgeschichte der Antarktis noch bis zu Shackletons Südpolfahrt mitzuerleben; er starb 1910 im Alter von dreiundneunzig Jahren.

      Die Expedition hat seit ihrer Abreise von Margate am 30. September 1839 bereits eine grosse wissenschaftliche Arbeit geleistet; sie erstreckt sich auf Meereskunde, Geologie, Meteorologie, Naturwissenschaft usw. und wird vom ersten Tage an mit musterhafter Gründlichkeit und Genauigkeit durchgeführt. Im Mittelpunkt aber steht das Studium der erdmagnetischen Phänomene, dem Ross selbst mit wahrer Leidenschaft obliegt. Stündlich wird die Richtung der Magnetnadel registriert. Mit besonderer Spannung sieht Ross der Fahrt über den Äquator entgegen, den geographischen wie vor allem den magnetischen, die sich beide wie zwei in spitzem Winkel gekreuzte Reifen um die Erde legen. Ein grosser Vorteil ist es dabei, dass stets gleichzeitig auf zwei Schiffen die notwendigen Beobachtungen gemacht werden können, und Punkt 1 Uhr nachmittags teilt man sich durch Signale die täglichen Ergebnisse mit. „Um den magnetischen Äquator im rechten Winkel zu passieren“, berichtet Ross, „steuerten wir so gerade nach Süden, wie der Wind es nur gestattete, und fanden bei unsern Beobachtungen der allmählichen Abnahme der Inklination (des Winkels, den die Nadel eines senkrecht aufgestellten Kompasses mit einer waagerechten Ebene bildet) eine so schnelle Veränderung vor, dass sie sich mit grosser Genauigkeit bestimmen liess; so genau, dass das Signal unserer Ankunft auf dem magnetischen Äquator, wo die Nadeln, im Gleichgewicht zwischen dem nördlichen und südlichen magnetischen System, eine vollkommen horizontale Lage annahmen, auf beiden Schiffen im selben Augenblick gezeigt wurde. Nichts konnte zufriedenstellender sein als die vollkommene Übereinstimmung unserer Beobachtungen bei einer so wichtigen Angelegenheit;

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