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Dokument ersten Ranges, das in seinem ursprünglichen Wortlaut wiedergegeben zu werden verdient: „Mit gutem Wind und bei klarem Wetter steuerten wir südlich nach einem Lande, das wir seit gestern mittag in Sicht hatten und dem wir den Namen ‚Die hohe Insel‘ beilegten; es erwies sich aber als ein Berg von 4000 Meter Höhe, der Rauch und Feuer spie; zuerst sah der Rauch wie eine Schneewolke aus, aber als wir näher kamen, zeigte sich bald sein wahrer Charakter. Die Entdeckung eines tätigen Vulkans unter so südlicher Breite ist gewiss von ausserordentlicher geologischer Bedeutung und kann auf die physische Beschaffenheit unseres ganzen Planeten einiges Licht werfen. Ich nannte ihn Erebus, und ein erloschener Vulkan, östlich von ihm und 3300 Meter hoch, erhielt den Namen Terror. Das östliche Kap am Fusse des Terror nannte ich nach meinem Freunde und Kollegen Kap Crozier und das westliche Vorgebirge, den Ausläufer des Erebus, nach meinem ersten Leutnant Kap Bird. Diese beiden Vorgebirge bilden die einzigen auffälligen Spitzen der Küste, da die Bucht zwischen ihnen von unbeträchtlicher Tiefe ist. Eine davorliegende niedrige Insel, die schon am Morgen in Sicht war, wurde Beaufort-Insel benannt.

      Um 4 Uhr nachmittags warf der Vulkan Erebus ungewöhnlich viel Rauch und Feuer aus und bot einen höchst grossartigen Anblick. Bei jedem Ausbruch wurde eine dichte Rauchwolke mit grosser Gewalt emporgetrieben und stieg als eine Säule von 500 bis 600 Meter über dem Krater in die Höhe, wo sich ihr oberer Teil zuerst kondensierte und als Nebel und Schnee herabfiel. Allmählich verschwand sie, um nach einer halben Stunde von einer neuen Rauchwolke ersetzt zu werden. Doch waren die Zwischenräume zwischen den Ausbrüchen unregelmässig. Der Durchmesser der Rauchsäule war unserer Schätzung nach 70 bis 90 Meter; so oft sich der Rauch verzog, war die rote Glut, die die Mündung des Kraters füllte, deutlich zu sehen; einige Offiziere glaubten Lavaströme zu erblicken, die den Abhang des Berges herabflossen, bis sie sich unter dem Schnee, der etwa 70 Meter unterhalb des Kraters anfing, verloren. Der Vulkan Terror war viel freier von Schnee, besonders auf seiner Ostseite, wo sich viele kleine, kegelförmige, kraterähnliche Hügel befanden, die jedenfalls früher tätige Vulkane waren; zwei sehr auffällige Spitzen dieser Art bemerkten wir in der Nähe von Kap Crozier. Das Land zwischen Kap Crozier und Kap Bird, über dem sich die beiden Vulkane Erebus und Terror erhoben, erschien uns von unserer gegenwärtigen Stelle aus als eine Insel; aber das feste Eis, das uns nicht erlaubte, westlich von Kap Bird vorzudringen, gestattete uns vorderhand nicht, das mit Sicherheit festzustellen.

      Wir befanden uns an diesem Nachmittag auf 76° 6′ südlicher Breite und 168° 11′ östlicher Länge. Wie die Inklination der Magnetnadel bewies, waren wir schon sehr weit südlich vom magnetischen Pol, ohne dass sich eine Möglichkeit zeigte, sich ihm zu nähern, denn das Landeis vereinigte sich nicht weit von uns im Westen mit der Westspitze der vermeinten ‚hohen Insel‘, die sich später als ein Teil des festen Landes erwiesa). Als wir uns mit allen Leesegeln dem Lande näherten, bemerkten wir eine niedrige weisse Linie, die sich von seiner äussersten östlichen Spitze, so weit das Auge reichte, nach Osten erstreckte. Diese Linie sah überaus merkwürdig aus, sie wurde allmählich höher und entpuppte sich, als wir näher kamen, als eine senkrechte Eismauer von 50 bis 60 Meter Meereshöhe, oben vollkommen eben und nach der Seeseite hin ohne Spalten und Vorsprünge. Was dahinter war, liess sich nicht einmal erraten; denn da dieser Wall viel höher war als unsere Mastspitze, konnten wir nichts sehen als die Gipfel einer hohen Bergkette, die sich bis zum 79. Breitengrad nach Süden erstreckte. Dieses Gebirge, das südlichste bis jetzt von mir entdeckte Land, nannte ich nach dem Kapitän Sir William Edward Parry, in dankbarer Erinnerung der mir erwiesenen Ehre, dass er dem nördlichsten bekannten Lande meinen Namen beilegte, und noch mehr in Anerkennung der Aufmunterung, des Beistandes und der Freundschaft, die er mir während der vielen Jahre, die ich unter diesem Manne gedient habe, erwiesen hat. Ob das Parry-Gebirge sich wieder ostwärts wendet und die Basis bildet, an der diese merkwürdige Eismasse festhängt, muss späteren Seefahrern zu bestimmen überlassen bleiben. Wenn sich weiter im Süden Land befindet, so muss es sehr entfernt sein oder eine viel geringere Höhe haben als die übrigen Teile der Küste, sonst hätte es sich über dem Walle zeigen müssen.

      Ein solches Hindernis zu finden, war für uns eine sehr verdriessliche Enttäuschung, denn wir hatten bereits im Geiste den 80. Grad weit hinter uns und sogar für den Fall einer zufälligen Trennung der beiden Schiffe voneinander dort ein Zusammentreffen verabredet. Das Hindernis war jedoch der Art, dass uns über den weiter einzuschlagenden Weg keine Wahl übrigblieb, denn man könnte mit ebensoviel Aussicht auf Erfolg versuchen, durch die Klippen von Dover zu segeln, wie durch diese Eismauer. Als wir noch 7 bis 9 Kilometer von ihr entfernt waren, wandten wir uns daher nach Osten, um ihre Ausdehnung zu ermitteln, und nicht ohne einige Hoffnung, doch noch etwas weiter südlich vordringen zu können.“

      Mit diesen schmucklosen und doch so eindringlichen Worten hat der grosse Entdecker James Ross zum erstenmal den Schauplatz umrissen, der für die Erforschung der Antarktis und für die Eroberung des Südpols von klassischer Bedeutung geworden ist.

      Vor der grossen Eisbarriere

      Ein feuerspeiender Vulkan in dieser von Menschenaugen nie gesehenen Eisurwelt ist ein phantastisch grossartiger, überwältigender Anblick, doch für ein beabsichtigtes Winterquartier nicht gerade eine wünschenswerte Nachbarschaft. Daneben wirkt die merkwürdige Eismauer, die vom Fuss des Terror schnurgerade wie ein weisses Lineal bis an den östlichen Horizont läuft, zunächst fast harmlos. In Wirklichkeit ist sie viel gefährlicher. Diese gläserne Festungsmauer speit zwar nicht Feuer, aber an ihrem Fuss steht eine unheimliche Brandung, die mit gewaltigen Eisblöcken Fangball spielt. Das Fahrwasser nach Osten ist zwar auf weite Sicht eisfrei, und bei frischem Westwind da entlangzufahren wäre höchst verlockend. Aber Wind und Strömung wechseln hier nach unbekannten Gesetzen verteufelt schnell! Ein plötzlicher Nordsturm kann unermessliche Scharen Eisschollen und Eisberge zum Angriff heranführen, dann sitzen die Schiffe rettungslos in der Falle; bei Windstille kann eine unberechenbare Strömung sie der saugenden Brandung zutreiben, und selbst bei Südsturm wird der Schutz dieser steilen Wand zum sichern Verderben; sie ist über Wasser 50 bis 70 Meter hoch, überragt also die Masten um das Dreifache und schnitte den Segeln allen rettenden Wind ab; die Schiffe würden ihre Bewegungsfreiheit vollkommen verlieren. Und so unerschütterlich fest diese gigantische Mauer dazustehen scheint, augenblicklich wenigstens ohne Risse und Lücken, ein wunderbares Phänomen, das in der Welt nicht seinesgleichen hat — sie besteht doch schliesslich nur aus einem Material, das, wie jeder Polarfahrer weiss, bei Temperaturwechsel, Sturmflut und ähnlichen Einwirkungen urplötzlichen katastrophalen Veränderungen unterworfen ist, die bei den nie erlebten Dimensionen dieser Eismasse hier alle menschliche Vorstellung übersteigen müssen. Eines ist gewiss: die eigenartigen, gleichmässig hohen Tafeleisberge, die schon auf dem Polarkreis den Schiffen entgegenkamen und sie bis zum Eingang in das Rossmeer stündlich bedrohten, zeigten in Höhe und Aufbau eine unverkennbare Ähnlichkeit und Verwandtschaft mit dieser Eismauer. Und wie von jenen schwimmenden Festungen, die eine geheimnisvolle elementare Kraft Tausende von Kilometern nach Norden entführt, so oft und plötzlich gewaltige Trümmer abbrachen und mit Donnergepolter ins Meer stürzten, so haben sie selbst sich von dieser Eismauer abgelöst, die offenbar ihrer aller Mutter ist. Die Mauer ist also der stets veränderliche Rand einer ungeheuren Eistafel von 300—400 Meter Dicke, die teilweise im Wasser schwimmt, irgendwo gewiss auf festem Grund verankert ist, aber viele Kilometer weit sich nach Süden noch hinziehen muss, wie der klare blaue Eishimmel in dieser Richtung verrät.

      Bei günstigem Südwestwind fährt Ross am 29. Januar 1841 nach Osten. 300 Kilometer machen die Schiffe an diesem Tag, aber die Eismauer nimmt kein Ende, sie läuft immer noch nach Ostsüdost bis zum Horizont weiter. Bei eintretender Windstille liegen die Schiffe etwa 20 Kilometer weit von ihr entfernt; das Senkblei findet hier in 750 Meter Grund und bohrt sich einen halben Meter tief in weichen, grünen Schlamm ein; auf einer Felsbank scheint also wenigstens der äussere Rand der Eisbarriere nicht zu ruhen. Nebel, Schnee und widriger Wind zwingen am nächsten Tag, nach Nordosten abzubiegen. Ross will einstweilen diesen nie befahrenen Meeresstrich untersuchen und sich erst wieder bei klarem Wetter an die Eisbarriere heranwagen. Am Abend gerät er in loses Eis und zwischen Eisberge von der schon bekannten Form, Stücke der Barriere also in ihrer unmittelbaren Nähe; aber sie sind ungefährlich, sie liegen unbeweglich, haben sich offenbar festgefahren; das Senkblei bestätigt, dass hier in nur 450 Meter Tiefe eine Schlammbank ist, worin der

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