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aber auch die Bestatter das Gebäude betreten, schlägt uns schon im Flur sofort der üble Geruch entgegen.“

      „Dein Resümee, Basti?“ Die Kommissarin glaubte für den Anfang genug gehört zu haben.

      „Nun, die beiden wurden vor acht bis zehn Jahren hier abgelegt und vergraben. Sie waren damals bekleidet, ich würde mal auf Anstaltskleidung tippen. Man hat sie noch zusätzlich in Wolldecken eingewickelt. Hier vor Ort ihr Alter zu definieren, ist unmöglich, das muss im Butenfeld nach eingehender Untersuchung geschehen. Ich tippe jedoch auf zwei Männer, da es sich ja hier um ein reines Männergefängnis handelt. Einer groß, vielleicht etwa 1,80 bis 1,85 Meter. Der andere sicher unter 1,70 Meter.“ Der Rechtsmediziner schaute Sandra fragend an.

      „Ist das nicht äußerst ungewöhnlich, zwei Tote in einer Strafanstalt? Verbuddelt auf einem Sportplatz, auf dem wohl täglich Hunderte Gefangene herumlaufen?“

      „Natürlich, dasselbe habe ich mich auch schon gefragt.“

      „Wie lange hätte es gedauert, bis sich auch die Knochen aufgelöst hätten?“

      Fischer grinste wie ein junger Schüler, der endlich vom Lehrer nach dem Gedicht gefragt wurde, das er stundenlang auswendig gelernt hatte.

      „Liebe Sandra! Knochen bestehen vor allem aus Kalziumphosphat. Sie sind also mineralisch und können im eigentlichen Sinne des Wortes nicht verwesen. Kalziumphosphat ist nur wenig wasserlöslich und baut sich im Erdreich nur langsam ab. Für Pflanzen ist es ein wichtiges Mineral und fördert – normalerweise – die Auflösung von Knochen. Wenn das nicht so wäre, wäre die Erde in vielen Gegenden meterhoch mit Knochen bedeckt. Aber hier in der Sandgrube ...!“

      „Wer hat die Leichen gefunden?“

      „Soviel ich weiß, wurden sie heute Nachmittag bei Baggerarbeiten ausgegraben!“

      „Heute Nachmittag? Warum meldet man uns das erst so spät bzw. so früh am nächsten Tag, und was wird denn hier überhaupt gebaut?“

      „Da musst du die Anstaltsleiterin fragen. Ich glaube, man wollte da etwas vertuschen, aber bevor ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, frag doch Kriminalrat Jensen.“

      Jensen stand plötzlich wie hergezaubert neben den beiden.

      „Ich habe Ihre letzten Worte gehört, Dr. Fischer. Es ist tatsächlich wahr, Sandra. Die Verantwortlichen der Haftanstalt wollten das Ganze verschleiern oder zumindest verzögern. Erst einer der Baggerfahrer, derjenige, der die beiden Skelette gefunden hat, rief die Polizei. Hatte wohl ein schlechtes Gewissen. Und was die Baumaßnahmen hier angeht, sprach die Anstaltsleiterin vom Neubau der Sportanlage.“

      „Warum hat sie uns den Fund nicht sofort mit­geteilt?“ Sandras Kopf wies auf Frau Dr. Lönderer, die wie versteinert nun auch am Rande der Grube aufgetaucht war.

      „Nun, sie wusste es wohl auch nicht früher.“ Jensen hatte zur Anstaltsleiterin geschaut und diese nickte stumm.

      „So wie ich vermute, war die Tagschicht der Anstalt etwas überfordert und hat erst einmal Schweigen angeordnet.“ Wieder sprach der Kriminalrat für die Anstaltsleiterin mit. „Aber das ist noch zu klären. Ich habe Frau Lönderer gebeten, die komplette Tagschicht heute im Laufe des Tages hier in der JVA Fuhlsbüttel zur Vernehmung antanzen zu lassen. Sie erklärte mir, dass es zwölf Beamte seien.“

      Sandra war überrascht: Nur zwölf Beamte bewachten die gesamten Strafgefangenen hier? Sie hatte noch die Zahl um vierhundert Häftlinge im Kopf. Aber vielleicht hatte sich Jensen auch verhört. Sie nickte zustimmend und der Kriminalrat schien zufrieden.

      „Wenn alle Fotos im Kasten sind, würde ich die Leichenreste ins Butenfeld bringen lassen. Leider kann ich erst übermorgen mit einer Untersuchung beginnen, Herr Jensen“, mischte sich Dr. Fischer wieder ein.

      Jensen horchte auf.

      „Sie müssen wissen, ich fliege um zehn Uhr nach Stuttgart, muss dort den Kollegen bei der Obduktion eines verstorbenen Politikers helfen. Wurde von oben ...“, Sandra folgte Fischers Blick an den Himmel, „... angeordnet!“

      „Sie wissen schon, werter Dr. Fischer, was die Presse in wenigen Stunden mit uns macht?“

      „Da bin ich schon im Ländle!“, grinste der Rechtsmediziner.

      „Sie sind gut raus!“ Jensen wandte sich ab und verließ die Grube.

      „Kannst du mich nicht mitnehmen nach Stuttgart?“

      „Nur zu gerne, Sandra!“, antwortete Sebastian Fischer.

      Die Kommissarin ärgerte sich maßlos über ihren Ausbruch an Blödheit.

      Gemeinsam mit der Anstaltsleiterin spazierte Sandra über den Sportplatz in Richtung des Ausganges. Jensen war schon vorausgegangen.

      „Gibt es Wachhunde hier in der JVA?“, überraschte sie Frau Lönderer mit der Frage.

      Die Frau war abrupt stehen geblieben und schaute ihr Gegenüber fragend an: „Wachhunde? Nein, wie kommen Sie auf die Idee? Das fehlte mir noch!“

      Die Kommissarin nickte und zückte ihr Handy. Dann drehte sie sich um und begann einige Fotos der Umgebung zu machen.

      „Hallo, Frau Holz, es ist Ihnen nicht gestattet, hier ohne meine Genehmigung zu fotografieren!“, meinte die Leiterin der Haftanstalt schnippisch.

      Sandra ließ sich nicht beirren und machte schnell noch ein Panoramafoto der Gefängnisanlage. Dann drehte sie sich zu der erstaunt blickenden Frau um.

      „Hören Sie, Frau Lönderer, wenn ich hier fotografiere, um herauszubekommen, welches die Umstände waren, die zum Tod der beiden Menschen geführt haben, tue ich das. Aber ich sende Ihnen gerne einen Abzug der Fotos. Denn hätten Sie Ihren Job richtig gemacht, müsste ich nicht mitten in der Nacht hier auf schlechtem Untergrund meine hellen Sneakers verschmutzen!“

      Frau Dr. Lönderer war erneut stehen geblieben, und Sandra war klar, sie rang nach Atem.

      „Aber nichts für ungut. Ich komme morgen vorbei, dann sparen Sie sich die Vernehmung im Landeskriminalamt. Sagen wir vierzehn Uhr?“

      Die Kommissarin wartete nicht ab, sondern schloss schnell zu Kriminalrat Jensen auf, der schon das Vollzugsgebäude erreicht hatte.

      Draußen vor dem Tor der JVA Fuhlsbüttel hatte der Aufzeichnungswagen eines Privatsenders die Zufahrt versperrt. Sandra saß im Wagen ihres Chefs, und obwohl Jensen hupte, was das Zeug hielt, war zunächst kein Durchkommen. Menschen mit großen Kameras und Mikrofonen standen umher und witterten ihre Chance auf eine Sensation.

      „Würdest du das bitte übernehmen?“, bat Jensen die Kollegin, und Sandra öffnete die Wagentür etwas. Sofort streckte sich der haarige Windschutz eines Mikrofons direkt vor das Gesicht und es ekelte sie. Sandra schlug danach und das Mikrofon polterte zu Boden.

      „Sind Sie noch ganz bei Trost?“, rief eine Frauenstimme und Sandra schaute in die wachen Augen einer Frau, die aus der Hocke kam, das Mikro in der Hand. Sie besaß einen selbstbewussten Blick und dazu einen Schopf voller rötlicher Locken.

      „Glauben Sie, ich habe am frühen Morgen Lust auf ein Fellfrühstück?“

      Sandra musste lachen und auch die Journalistin fiel ein.

      „Entschuldigen Sie, man hat mich etwas geschubst. Ich bin Marlies von Hagen, Moderatorin des Hamburger SzeneMagazin!“

      „Alles gut!“, entgegnete Sandra. Der Name von Hagen kam ihr bekannt vor. Das war doch diese Journalistin, die überall rumschnüffelte und in ihrer Hamburger Sensationsgazette nur Mist berichtete! Am liebsten schrieb sie wohl – so Sandras Informationen – Klatsch und Tratsch und Unwahrheiten über die Hamburger Promi-Szene.

      „Ich bin todmüde, Frau von Hagen. Ich besitze

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