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blaffte ich. »Kein Foto, selbst wenn ich eins hätte – was leider nicht der Fall ist.«

      »Ohne Foto wird sich kein Schwein für dein Profil interessieren. Es gibt sogar einen Button, mit dem man alle Profile ohne Fotos aussortieren kann. Wer will schon die Katze im Sack kaufen? Niemand.«

      »Also wirklich, ich komme mir ja vor wie auf dem Viehmarkt.«

      »Kein Foto, keine Anfragen.«

      »Pfff.« Ich zuckte mit den Schultern. »Na und? Dann eben nicht. Wenn ich mir vorstelle, dass da ein Kerl sitzt, der die Fotos anglotzt und dann …«

      »Genau das wirst du auch machen«, fiel sie mir ins Wort. »Du willst dir die Typen doch auch angucken. Sonst könnte ja jeder eine Fantasiebeschreibung in sein Profil setzen. Und dann wartest du bei der ersten Verabredung auf deinen Traummann, und es kommt Quasimodo um die Ecke gehumpelt.«

      »Wenn der Charakter stimmt, ist mir das Aussehen egal«, murrte ich bockig.

      »Schon klar. Darum geht es auch nicht. Aber ich wette, du möchtest auf Quasimodo wenigstens vorbereitet sein. Aber das bist du nicht, wenn dort kein Foto ist und der Typ eine Eins-zu-eins-Beschreibung von George Clooney in sein Profil geschrieben hat. Comprende?«

      »Trotzdem …«

      »Und umgekehrt? Wäre es dir nicht lieber, wenn ein Mann, der vielleicht nicht auf Frauen mit dicken Hornbrillen steht, sich gar nicht erst um dich bemüht, anstatt beim ersten Date sein entsetztes Gesicht zu sehen? Und mitzuerleben, wie er sich aus reiner Höflichkeit durch das Treffen quält und nur darauf wartet, sich verdrücken zu können?«

      »Wie bitte? Wenn jemand derart oberflächlich ist, mich wegen meiner Brille abzulehnen …«

      Sie antwortete nicht, sondern wartete einfach ab, bis der Groschen bei mir von ganz alleine fiel.

      Das tat er tatsächlich recht schnell: Natürlich war es deutlich cleverer, wenn diese Typen sich vorher selbst aussortierten. Und weniger demütigend, aber das nur nebenbei.

      Sie machte also mit dem Handy gefühlt hundert Porträtfotos von mir, bis ich endlich mit einem einigermaßen zufrieden war. Noch besser gefiel es mir, als Diana es der Länge nach halbierte und dann in Schwarzweiß in mein Profil stellte. Ein Brillenglas, ein Auge und ein halber, lächelnder Mund. Beinahe schon künstlerisch, fand ich.

      Zufrieden lehnte sie sich zurück und deutete auf den Bildschirm. »Siehst du? Das wirkt spannend und ein bisschen exzentrisch, also entspricht es deiner Persönlichkeit. Mit Sicherheit unterscheidet es sich von den Fotos der meisten anderen Frauen, die ihr Porträt so lange bearbeiten, bis es wie eine utopische Modelversion von ihnen aussieht. Ein Versprechen, das sie nicht halten können. Du versprichst überhaupt nichts. Dein Bild hingegen sagt: Was ihr seht, ist genau das, was ihr kriegt. Ich habe es nicht nötig, mich künstlich zu verschönern.«

      Doch, ja, damit konnte ich gut leben. Wem dieses Foto zu schräg war, konnte mir ohnehin gestohlen bleiben, beschloss ich. Und jetzt sollte ich mir Gedanken darüber machen, was ich am liebsten aß – denn diese Frage hatte Diana mir gerade eben gestellt.

       Kapitel 3

       Der Zug ins Ungewisse nimmt langsam Fahrt auf, und Loretta muss eine erste Auswahl treffen

      Sonntagvormittag – strahlendes Wetter.

      Wir deckten den Frühstückstisch auf der Terrasse unter dem Dach des Pavillons, dessen Seitenwände ich gar nicht erst installiert hatte. Das Gestänge mit Dach reichte mir völlig als Regenschutz oder Schattenspender, je nachdem, was benötigt wurde. Sogar mitten im Winter saß ich dort manchmal mit einer heißen Tasse Kakao, gemütlich in eine warme Decke gekuschelt, und schaute den tanzenden Schneeflocken zu.

      Ich hatte blühende Sträucher und schöne Gräser in große Kübel gepflanzt, und es gab zwei hölzerne Gestelle in Treppenform, auf denen diverse Kräutertöpfe und Balkonkästen mit Blumen standen, die Bienen und zahlreiche andere Bestäuber anlockten.

      Diana saß bereits draußen am Tisch, als ich die frisch aufgebackenen Brötchen aus dem Ofen holte und mich zu ihr gesellte.

      »Hast du gut geschlafen?«

      Diana nickte. »Ganz hervorragend. Zwar hat Baghira versucht, mich vom Sofa zu vertreiben, aber wir haben relativ schnell geklärt, wer wo schläft.«

      »Er wollte nur in deiner Nähe sein. Er pennt nämlich nur dann auf dem Sofa, wenn er Gesellschaft sucht, schließlich hat er sein Krähennest.«

      »Verstehe. Dann war das nervtötende Herumtrampeln auf mir also ein Kompliment.« Lächelnd sah sie dem Kater dabei zu, wie er am anderen Ende der Terrasse halbherzige Versuche unternahm, eine beeindruckend dicke Hummel zu fangen. »Hast du keine Angst, dass er gestochen wird?«

      »Nicht die Bohne. Erstens stechen Hummeln meines Wissens nur im alleräußersten Notfall, und zweitens hat er noch nie ein Insekt gefangen. Er ist ja nicht wirklich ambitioniert; Baghira agiert lediglich uralte, archaische Instinkte aus, die irgendwo in den Tiefen seines limbischen Systems vergraben sind. Reines Triebverhalten, das ihn nach etwas schlagen lässt, das durch die Luft fliegt. Ich wette, er hat keinen Schimmer, was er da tut. Oder warum er es tut. Glaub mir, gleich wird sein Interesse an dem hübschen Spiel schlagartig nachlassen.«

      Und richtig – als hätte er meine Worte verstanden, kam Baghira zu uns getrottet, reckte die Nase interessiert hoch und inhalierte. Dann setzte er sich auf seine vier Buchstaben, guckte ungeheuer niedlich und miaute los.

      »Darf er ein Fitzelchen Kochschinken haben?«, wollte Diana wissen. Als ich nickte, riss sie ein schmales Stückchen von der Scheibe ab und hielt es dem Kater hin, der sich sofort possierlich auf den Hinterbeinen aufrichtete und mit den Vorderpfoten nach dem Schinken tatzelte.

      Ich hätte jetzt sagen können, dass er normalerweise natürlich nichts direkt vom Tisch bekam, aber wem wollte ich etwas vormachen? Schließlich kam es auch bei mir vor, dass ich ihn so fütterte, anstatt besondere Leckereien in seinen Fressnapf zu tun, wo sie hingehörten. Außerdem wurden meine Erziehungsversuche ohnehin regelmäßig von Doris und Erwin torpediert, die manchmal auf den Kater aufpassten und ihn dann nach Strich und Faden verwöhnten. Ich hatte sie sogar im Verdacht, dass er bei diesen Gelegenheiten seine eigene Miniportion ihres normalen Mittagessens bekam. Gulasch mit Kartoffeln, Möhreneintopf … na gut. Solange er nicht ausschließlich mit Currywurst oder Stulle mit Nutella gefüttert wurde, würde er diese Ausrutscher überleben. Und ein wenig Kochschinken vom Biometzger würde dem Kater ganz sicher nicht schaden.

      »Das Sortiment in Bärbels und Franks Geschäft ist klasse«, sagte Diana, »ich bin beeindruckt. Klein, aber erlesen. Läuft der Laden gut?«

      »Soweit ich weiß, können sie gut davon leben. Sie haben von Gitti ja nicht nur das Geschäft, sondern auch einen riesigen Kundenstamm übernommen, der nicht abgewandert ist. Und die Lieferanten, mit denen sie teilweise schon seit Jahrzehnten zusammengearbeitet hat.«

      »Glück gehabt. So, wie ich es verstanden habe, war Gitti hier die graue Eminenz im Viertel, oder?«

      Ich registrierte sehr wohl, dass sie Baghira unter dem Tisch heimlich weiterhin mit Schinkenstückchen beglückte, aber ich tat so, als würde ich es nicht bemerken.

      »Das stimmt. Viele Leute sind praktisch mit ihr aufgewachsen, sie haben schon als Kinder von ihr diese Kirschlollis bekommen, die jetzt ihr Nachwuchs abstaubt. Aber sie haben bei Gitti nicht nur deshalb eingekauft, weil sie bei allen so beliebt war, sondern auch, weil die Kunden qualitativ hochwertige Ware zu schätzen wissen. Alles ziemlich gutbürgerlich hier in der Gegend; die geben für Koteletts vom Biobauern mit Freude ein paar Euro mehr aus, als sie beim Discounter zahlen würden. Und es gibt zwar nicht zwölf verschiedene Sorten Äpfel, aber dafür weiß man, woher das Obst stammt – und dass es nicht mit Pestiziden besprüht ist.«

      »Ich freue mich so für die beiden«, sagte Diana, »ich habe ihnen gestern Abend angemerkt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben und wie unglaublich dankbar

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