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geht es dir hier eigentlich?«, blaffte er mich an. »Dass ich dich wieder einsortiere? Dass ich die Altersangabe nach oben korrigiere, damit ich dich finde? Ist es das, was du von mir willst?«

      »Ja, das würde mich auch interessieren«, sagte Doris, die lässig am Rahmen meiner offenen Bürotür lehnte.

      Huch – seit wann hatte sie dort schon gestanden und zugehört? Dennis und ich, die wir – wie mir erst jetzt klar wurde – mittlerweile beinahe Nase an Nase an meinem Schreibtisch saßen und uns angifteten, fuhren auseinander, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser zwischen uns geschüttet.

      »Wie lange … Seit wann …«, stammelte ich los.

      »Seit wann ich hier gestanden habe?«, fragte Doris grinsend und kam einige Schritte näher. »Lange genug, um ein paar wirklich interessante Dinge zu hören, aber leider längst nicht lange genug, um zu wissen, worum es genau geht.«

      »Loretta ist sauer auf mich, weil sie denkt, sie ist mir zu alt«, sagte Dennis. »Aber das stimmt überhaupt nicht. Das bildet sie sich nur ein.«

      »Zu alt wofür?«, fragte Doris verdutzt.

      »Als potenzielle Partnerin«, erwiderte ich beleidigt. »Und das ist ja wohl die Höhe.«

      Doris’ Brauen schossen hoch und verschwanden unter ihren knallrot gefärbten Stirnfransen. »Wie bitte? Ich scheine da was verpasst zu haben. Seit wann seid ihr … ich meine, seit wann ist das ein Thema zwischen euch beiden? Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihr euch derart nahegekommen seid.«

      »Sind wir nicht!«, brüllten Dennis und ich synchron, und ich fügte in normaler Lautstärke hinzu: »Doris, das ist ein Missverständnis. Es ging nur ganz allgemein um … na ja …« Ich brach ab, weil ich nicht weiterwusste.

      »Besonders allgemein klang euer Disput aber nicht«, sagte Doris gedehnt. »Ganz im Gegenteil: Für mich klang es echt persönlich.«

      »Also gut.« Ich seufzte. »Dennis und ich haben festgestellt, dass wir auf derselben Partnerschaftsplattform für Singles sind.«

      »Na und? Ist doch kein Grund, sich zu streiten, oder?«, fragte Doris.

      »Nee, das allein noch nicht«, erwiderte ich. »Aber die Tatsache, dass Dennis, der ja in meinem Alter ist, nur nach Frauen sucht, die höchstens Mitte dreißig sind.«

      Doris rollte mit den Augen. »Ich wiederhole: Na und? Oder bist du scharf auf Dennis und denkst jetzt, du hast keine Chance bei ihm?«

      Wie bitte? Absurder ging es ja wohl nicht. »Nein! Aber mich nervt einfach, dass manche Männer gleichaltrige Frauen für zu alt halten.«

      »Pffff. Ist halt ihr persönlicher Geschmack«, sagte Doris. »Mir sind gleichaltrige Männer ja auch zu alt. Für mich sind das langweilige Tattergreise, die nur noch auf Parkbänken rumhocken, Enten füttern und darüber lamentieren, dass früher alles besser war.«

      Da hatte sie natürlich recht. Sie war jenseits der siebzig, und Erwin, der ihr vierter Gatte war, zählte ganze zehn Jahre weniger als sie selbst. Jeder, der sie kannte, würde bestätigen, dass der Altersunterschied bei ihnen keine Rolle spielte.

      »Siehst du, Schätzchen«, fuhr sie fort, »in der Liebe gibt es keine Regeln. Und wer weiß, wie viele supertolle Frauen in den Vierzigern Dennis nicht kennenlernen wird, weil er für sich diese Altersgrenze festgesetzt hat – könnte glatt eine der dümmsten Entscheidungen seines Lebens sein.«

      Ich kicherte. »Allerdings. Aber vielleicht trifft er ja tatsächlich eine Zwanzigjährige, die sich in ihn verknallt. Eine, die nicht die Nächte durchtanzen will.« Dennis warf mir einen giftigen Blick zu, den ich geflissentlich ignorierte. »Und jetzt erkenne ich auch den Plan, der dahintersteckt. Die ist dann nämlich später, wenn er gebrechlich wird, noch jung genug, um ihn zu pflegen und im Rollstuhl durch die Gegend zu schieben.«

      »Genau«, fauchte Dennis. »Und dafür bist du definitiv zu alt, meine Teure.«

      Strahlend blickte Doris von Dennis zu mir. »Sooo«, flötete sie munter, »dann hätten wir das also geklärt, wunderbar. Jetzt könnt ihr Kinder euch wieder vertragen, in Ordnung? Ich bin auch nur hier, um euch zu sagen, dass Apfelkuchen im Kühlschrank steht. Wer Appetit hat, kann sich gerne bedienen. Bis später.«

      Sie drehte sich um und ging hinaus.

      Reichlich bedröppelt saßen Dennis und ich nebeneinander am Schreibtisch und schwiegen.

      Schließlich räusperte er sich und sagte: »Also, ich weiß gar nicht, wie das so eskalieren konnte. Wir sind doch sonst nicht so blöd.«

      »Wir könnten einfach so tun, als hätte es diesen doofen Streit nie gegeben«, erwiderte ich.

      »Da gibt es nur einen kleinen Haken.« Dennis kicherte. »Wir müssten Doris töten, denn sie wird es garantiert weitererzählen.«

      »Dann sind wir verloren. Sag mal, warst du schon mal auf so einer Party für Singles?«

      »So einem Topf-sucht-Deckel-Schwof? Nee.«

      »Warum nicht? Weil du eigentlich ein Ü40-Kandidat bist, aber Schiss hast, dass da nur alte Weiber rumlaufen? Und eine Ü30-Party kommt erst recht nicht infrage, denn dort würdest du doppelt antik wirken: erstens durch dein reales Alter und zweitens durch deinen Style. Immerhin siehst du aus, als wärest du bei einer Episode von Starsky & Hutch aus dem Fernseher gefallen. Obwohl – diese jungen Dinger wissen ja nicht, wer oder was Starsky & Hutch überhaupt ist. Die wissen heutzutage ja kaum noch, was ein Fernseher ist!«

      Dennis musterte mich stirnrunzelnd. »Was stimmt nicht mit dir, Loretta? Warum hackst du derartig auf mir rum?«

      Gute Frage – warum hackte ich so auf ihm rum? Ich wusste es selbst nicht.

      »Keine Ahnung, tut mir leid. Ehrlich. Vielleicht, weil mir das ganze Thema ein bisschen peinlich ist. Ich habe mich vorhin von dir so ertappt gefühlt.«

      Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Aber das ist doch Unsinn. Eigentlich finde ich es sogar ganz nett, dass wir eine Gemeinsamkeit haben: Wir sind beide auf der Pirsch. Ist doch witzig.«

      »Hab schon lauter gelacht«, brummte ich.

      »Wir könnten ja mal zusammen auf so eine Veranstaltung gehen«, sagte er. »Dann kannst du mir dabei zugucken, wie ich mich zum Affen mache, und mich hinterher monatelang damit verhöhnen, wie schlecht meine Anbagger-Skills sind.«

      »Aber nur, wenn es eine Ü40-Party ist.«

      »Einverstanden.« Er stand auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Und jetzt: ausloggen, bitte. Die Arbeit wartet.«

      Ach ja, richtig – ich war bei der Arbeit. Und Dennis war mein Chef. Hatte ich beinahe vergessen.

      Aber nur beinahe.

       Kapitel 5

       In Lorettas Leben taucht jemand auf, den sie eher im Sherwood Forest vermutet hätte

      Ich ahnte nichts Böses, als ich zwei Tage später nach Feierabend bei Bärbel einkaufte. Sie und Frank hatten Gittis Geschäft behutsam renoviert, ohne ihm den etwas altertümlichen Charme eines klassischen Tante-Emma-Ladens zu nehmen. Nicht nur, dass der Laden nur fünf Gehminuten von meiner Wohnung entfernt lag – ich sah Bärbel und Frank jetzt viel häufiger.

      »Hast du später Zeit?«, fragte Bärbel beiläufig, während sie mir an der Schneidemaschine ein paar Scheiben Tilsiter vom Laib säbelte.

      »Klar.«

      »Was dagegen, wenn Frank und ich vorbeikommen?«

      »Natürlich nicht! Wie komme ich zu der Ehre?«

      »Och … uns ist aufgefallen, dass wir noch nie bei dir auf der Terrasse gesessen haben.«

      »Soll ich was kochen?«

      Sie schüttelte

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