Скачать книгу

gepflegte Dönerbudenbesitzer Cem. Zuletzt saß ich noch einem alten Bekannten gegenüber: Mike, dem ich ebenfalls bereits bei meinem ersten Speed-Dating begegnet war.

      »Ich habe mich sehr auf dich gefreut. Was muss ich tun, damit du dich für mich interessierst?«, schmalzte er mich sofort an und blickte mir tief in die Augen.

      Eigentlich unnötig, denn wir hatten ja schon bei der ersten Begegnung festgestellt, dass wir uns sympathisch waren.

      Aber ich spielte gerne mit und zuckte grinsend mit den Schultern. »Versuchs mit einem Brilli, der die Größe einer Eierkohle hat.«

      Er lachte so schallend, als hätte ich den Gag des Jahrtausends gerissen. »Dein Humor ist unwiderstehlich«, schnaufte er, als er sich wieder eingekriegt hatte. Dann wurde er ernst. »Wie sieht es aus: Bekomme ich deine Mail-Adresse?«

      »Könnte sein.«

      »Das hört sich doch gut an.« Er räusperte sich und deutete auf mein halb volles Glas. »Sag mal, trinkst du das noch? Mein Mund brennt wie Feuer, die ganze Zeit schon.«

      Ich hielt ihm mein Glas hin, und er schüttete sich den Inhalt mit einem Schluck in den Rachen.

      »Puh, schon besser. Echt erstaunlich, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben«, gurrte er dann und sah mir tief in die Augen. »Darüber habe ich während der letzten Woche oft nachgedacht.«

      Damit hatte er allerdings recht – verblüffend viele Gemeinsamkeiten sogar. Wir schienen das gleiche Essen, die gleiche Musik und den gleichen schwarzen Humor zu schätzen, und dennoch schlug mein Instinkt plötzlich und vollkommen unerwartet Alarm. War der Blick eine Spur zu feurig? Die Stimme eine Spur zu gurrend? Seine Trinkgewohnheiten eine Spur zu gierig? Seinen Begrüßungssekt hatte er ebenfalls in einem großen Schluck runtergekippt, sich über den Geschmack beschwert und sich dennoch umgehend nachschenken lassen. Wieder hatte er das Glas auf ex geleert.

      Loretta, der Typ ist nicht koscher, wisperte ein Stimmchen in meinem Kopf, und ich war geneigt, auf diese Warnung zu hören. Er war wirklich sehr charmant und sehr interessiert, aber trotzdem …

      Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. Die restlichen Minuten plänkelten wir hin und her, bis Denise, die Moderatorin, unter fröhlichem Glöckchenschwenken das Ende der heutigen Dates einläutete.

      »Oha, die Totenglocke durchtrennt gnadenlos unsere Schicksalsfäden«, raunte Mike mir mit einem neckischen Zwinkern zu, und ich rang mir ein Lächeln ab.

      »Wir machen jetzt eine kurze Verschnaufpause«, zwitscherte Denise. »Ihr könnt euch vorne einen Kaffee holen oder ein Kippchen rauchen. Danach erkläre ich euch, wie es weitergeht. In zehn Minuten sehen wir uns wieder.«

      »Meine Beine fühlen sich an, als wären sie eingeschlafen. Ich sollte mich mal ein bisschen bewegen. Ich muss sowieso mal kurz für kleine Königstiger«, sagte Mike, womit er mir eindeutig zu viel Information geliefert hatte. Er stand auf, taumelte ein wenig und musste sich am Tisch festhalten. »Hui … mir ist schwindelig. Du verwirrst meine Sinne.«

      Sauf halt weniger, dachte ich gallig.

      Wir verließen den Raum, und die Gruppe zerstreute sich. Mir war nach einem Espresso, aber ich hatte nicht vor, später zu den anderen zurückzukehren.

      Ich ging hinaus auf die kleine und sehr idyllische Terrasse des Cafés und entdeckte einen Tisch, der von üppigen Büschen umgeben und von der Tür zum Innenbereich aus nicht zu sehen war. Rocker Hajo und Lebenskünstler Jimmy standen in einer Ecke, pafften hastig ihre Glimmstängel und waren in ein angeregtes Gespräch vertieft. Ob sie sich wohl über die Auswahl der Damen austauschten? Innerlich zuckte ich mit den Schultern. Konnte mir wurscht sein.

      Um diese Zeit – es war beinahe sechs Uhr – waren nur noch wenige Gäste hier. Die Kaffeezeit war vorüber, und das Servicepersonal begann bereits damit, die frühlingshafte Dekoration von den Tischen zu räumen. Ich bestellte einen Espresso und ein kleines Glas Wasser, was mir blitzartig serviert wurde.

      Ich lehnte mich zurück, blinzelte in die Sonne und hoffte, dass Mike nicht auf die Idee kam, hier nach mir zu suchen. Irgendwas an ihm hatte mich heute abgetörnt, nachdem ich mich doch zunächst auf unser Treffen gefreut hatte. Merkwürdig. Aber mein Bauchgefühl ließ mich von meinem ursprünglichen Plan, unsere Bekanntschaft zu vertiefen, Abstand nehmen.

      Ich griff zum Tässchen und hob es an die Lippen, als ein gellender Entsetzensschrei mich zusammenfahren ließ. Brühheißer Espresso ergoss sich über mein Knie, was höllisch schmerzte. Geistesgegenwärtig sorgte ich mit dem Wasser aus dem Glas für umgehende Abkühlung, während eine Frau kreischte: »Zu Hilfe! Wir brauchen einen Arzt, schnell!«

      War etwa jemand ausgerutscht und gestürzt? Ich sprang auf und rannte hinein.

      Unablässig kreischte die Frau weiter, und mit mir stürmten etliche Leute in den Gang, der zu den Toiletten führte. Im Vorraum des Sanitärbereichs lag ein Mann auf den Fliesen, der halb von der schreienden Frau verdeckt wurde, die neben ihm kniete. Ich erkannte sie sofort an ihren fusseligen Haaren. Es war Mareile, die sich jetzt zu uns umdrehte und stammelte: »Er ist tot! Mike ist tot! Gerade lebte er noch, und jetzt ist er tot!«

      Rasch trat ich zu ihr und streckte die Hände aus, um ihr hochzuhelfen. Taumelnd kam sie auf die Füße und lehnte sich schwer an mich. Ich blickte auf die liegende Gestalt hinunter, deren Haltung sehr steif wirkte. Die Augen waren weit aufgerissen und starrten blicklos zur Decke.

      Mir fiel ein, dass er über ein starkes Brennen im Mundraum geklagt und sich über den miesen Geschmack des Begrüßungssekts beschwert hatte. Und jetzt war er mausetot.

      Das war kein stinknormaler plötzlicher Herztod, nie im Leben.

      Ich tätschelte Mareile die bebende Schulter und richtete mich auf einen langen Abend ein.

       Kapitel 1

       Wie alles begann: Eine nette Grillparty bei Freunden und die Suche nach einem angemessenen Geschenk

      Alles begann mit diesem feuchtfröhlichen Samstagabend bei Bärbel und Frank. Angrillen war angesagt, und gleichzeitig war es die erste offizielle Gartenparty im neuen Domizil.

      Vor einem knappen halben Jahr hatten Frank und Bärbel den kleinen Lebensmittelladen von Gitti Scheffer übernommen und waren in die Wohnung über dem Geschäft gezogen. Seither hatte sich eine Menge getan. Um den – mit drei Kindern – viel zu knappen Wohnraum zu vergrößern, war hinter dem Haus ein großzügiger Anbau für Küche, Wohnzimmer und Essbereich entstanden.

      Während Profis den Anbau hochgezogen hatten, hatte Frank bei der Terrasse, die wir nun einweihten, auf Eigenleistung – und die seiner Freunde, natürlich – gesetzt. Mein Anteil hatte darin bestanden, dass ich samstags zusammen mit Bärbel den Laden schmiss, damit Frank und Erwin die jeweiligen Großeinkäufe im Baumarkt erledigen konnten. Meine Beteiligung an den Bauarbeiten beschränkte sich auf klugscheißerische Kommentare, das Suchen von abhandengekommenem Werkzeug und das Halten von Balken, während die Männer daran herumnagelten oder wahlweise -schraubten. So war innerhalb von vier Wochenenden eine durchaus beeindruckende, teilüberdachte Terrasse mit einem Grillplatz entstanden.

      Für die kleine Party waren die üblichen Verdächtigen zusammengekommen. Die fröhliche Truppe bestand aus Bärbel und Frank, Doris und Erwin sowie Diana und mir. Diana, meine beste Freundin und ehemalige Mitbewohnerin, war extra von der Nordseeküste angereist, um dabei zu sein. Ihr Gatte Okko war leider unabkömmlich gewesen, und auch Gitti fehlte zu unserem Bedauern, aber sie war wieder einmal mit ihrer späten, aber dafür umso größeren Liebe Alfie auf Reisen. Dennis, Doris’ und mein Chef im Callcenter, wollte später auch noch vorbeikommen.

      Natürlich standen Frank und Erwin am Grill, während die Damen um den großen Tisch saßen und bereits beträchtliche Mengen von Doris’ Bowle süppelten, die sie mit Waldmeister aus dem eigenen Garten angesetzt hatte. Über die sonstigen Zutaten ließ sie sich nur vage aus, aber dass hochprozentiger Alkohol eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielte, stand außer Zweifel.

Скачать книгу