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freu mich total, dass du gekommen bist«, sagte Bärbel strahlend.

      Diana lachte. »Als ob ich mir diese kleine, charmante Völlerei entgehen ließe. Außerdem wollte ich unbedingt euer neues Heim sehen. Ach, was sage ich – euer neues Leben! Bisher kannte ich ja alles nur aus Lorettas Erzählungen.«

      Natürlich hatte ich sie haarklein über alles informiert, zumal es recht dramatische Ereignisse rund um Gitti und ihren Laden gewesen waren, die zu besagtem neuem Leben geführt hatten: Einmal mehr hatte es einen mysteriösen Todesfall gegeben, bei dem Erwin, Frank und ich tätig geworden waren.

      Doris warf einen Blick hinüber zu den beiden Männern am Grill und fragte Bärbel mit gedämpfter Stimme: »Vermisst Frank eigentlich den Kiosk? Er hat sein Büdchen doch so geliebt.«

      »Kein Stück.« Bärbel winkte ab. »Jetzt ist er endgültig in seinem Element. Die Kundschaft liegt ihm zu Füßen, besonders die älteren Damen. Außerdem sind die Arbeitszeiten deutlich familienfreundlicher. Und dass ich meinen blöden Job aufgeben konnte, um ihn im Laden zu unterstützen«, sie schnalzte mit der Zunge, »das ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Alles hat sich für uns verbessert, stimmt’s, Frank? Absolut jeder Bereich unseres Lebens.«

      »Um tausend Pimpillionen Prozent!«, rief Frank und deutete mit der Grillzange auf mich. »Und dat allet nur wegen die Loretta.«

      Nun, das sagte er nicht zum ersten Mal. Nein, ich hörte es zum mindestens tausend pimpillionsten Mal, um genau zu sein. So ganz allmählich …

      »Jetzt lass mal langsam gut sein«, sagte ich also. »Alles hat sich einfach perfekt gefügt: Gitti weiß ihr Geschäft in liebevollen Händen und kann endlich guten Gewissens ihren wohlverdienten Ruhestand genießen. Ich habe euch nur zusammengebracht, weil ich dachte, es könnte passen. Ende der Geschichte.«

      »Und dafür gibt’s auch noch ein dicket, fettet Dankeschön!«, rief Frank. »Meine Süße und ich wissen bloß noch nich, wat.«

      »Ich will nichts von euch, hört ihr?«, entgegnete ich. »So weit kommt das noch.«

      »Dat wirste ma schön uns überlassen, hömma, da fällt uns bestimmt noch wat …«

      »Aber das vertagen wir auf später, okay?«, fiel Erwin ihm rigoros ins Wort. »Das Grillgut ist nämlich beinahe servierfertig, meine Damen.«

      »Unser Stichwort, meine Liebe.« Bärbel nickte Doris zu, und sie standen auf, um die beiden Salate zu holen, die im Kühlschrank warteten.

      Diana blickte ihnen lächelnd nach und sah mich dann an. »Und wie üblich stellst du dein Licht unter den Scheffel. Irgendwie schaffst du es immer wieder, anderen zu helfen. Aber was ist mit dir?«

      Ich verstand kein Wort. »Mit mir? Was soll mit mir sein?«

      »Bist du glücklich?«

      Ups – das traf mich vollkommen unvorbereitet. »Glücklich? Äh … na klar. Glaube ich wenigstens. Ich bin jedenfalls nicht unglücklich.«

      Diana grinste spöttisch. »Na, das ist doch immerhin was. Okay, du hast einen guten Job und eine schöne Wohnung, tolle Freunde und einen charmanten, vierpfotigen Mitbewohner. Das ist mehr, als viele Menschen haben, zugegeben. Aber du bist Single.«

      »Na und? Ich brauche keinen Mann, um glücklich zu sein. Das wäre ja noch schöner.«

      »Aber mit einem Partner an der Seite ist es so viel netter. Und wenn ich das schon sage …« Sie spielte gedankenverloren an ihrem Ehering und grinste mich an. »Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, dass ich mal eine fast schon militante Verfechterin weiblicher Unabhängigkeit war. Aber als ich Okko traf, wusste ich: Er ist derjenige, auf den ich immer gewartet habe – ohne dass ich es überhaupt wusste.«

      Ich verdrehte die Augen. »Jetzt werd mal nicht kitschig.«

      »Pfff, nur kein Neid, meine Liebe. Sei ehrlich: Fühlst du dich denn niemals einsam?«

      Ehe sie mich zu einer Antwort nötigen konnte, erschien Erwin und wuchtete eine große Servierplatte mit Steaks und Würstchen auf den Tisch. Bärbel und Doris brachten Kartoffel- und Nudelsalat – und ich war heilfroh, dass ich fürs Erste nicht weiter über mein Leben als vermeintlich unglücklicher Single Auskunft geben musste.

      Außerdem tauchte genau in diesem Moment Dennis auf und lenkte Diana zusätzlich von mir ab. Wie bei jeder Begegnung mit ihr versuchte er auch diesmal, sie zur Rückkehr zu seiner Sexhotline zu bewegen, da er – wie er wortreich versicherte – nie wieder eine so gute Domina-Darstellerin wie sie finden würde. Nachdem er sich die traditionelle Abfuhr eingehandelt hatte, wandte er sich Frank zu, um ihm den mit dem Laden übernommenen Kombi abzuschwatzen, einen ehemaligen Leichenwagen aus den Siebzigern. Auch das hatte er schon mehrfach probiert, und seine Argumente waren in der Zwischenzeit nicht überzeugender geworden.

      »Du musst mir den Wagen verkaufen«, sagte er beschwörend und fuchtelte mit seiner Gabel vor Franks Gesicht herum. »Ich zahle dir einen guten Preis, und du kannst dir einen supermodernen neuen Kombi anschaffen. Einen mit allen Schikanen.«

      »Brauchinisch«, erwiderte Frank mit vollem Mund.

      Dennis seufzte theatralisch. »Überleg doch mal, wie authentisch ich in dem Auto aussehen würde. Sieh mich an – es ist wie für mich maßgeschneidert!«

      »Kaum vorstellbar, dass Bestatter in den Siebzigern in solchen Klamotten rumgelaufen sind«, warf ich grinsend ein. »Sooo psychedelisch war dieses Jahrzehnt nun auch wieder nicht, Dennis.«

      »Damit dürfte Loretta recht haben«, sagte Doris.

      Natürlich hatte ich recht: Dennis’ grasgrünes Hemd war an der Brust großzügig mit Rüschen besetzt, und die Kombination mit seiner veilchenblauen Schlaghose war nur sehr schwer auszuhalten.

      »Psychedelisch?« Dennis sah mich erstaunt an. »Ich bin heute geradezu konservativ angezogen, das musst du zugeben.«

      Ja, das war wieder ein schöner Beweis für die Relativitätstheorie: Im Gegensatz zu manch anderen Tagen war er tatsächlich relativ konservativ gekleidet. Schließlich sah ich ihn beinahe jeden Tag und hatte einen ziemlich genauen Überblick über seinen Kleiderschrank – und ich hatte schon ganz andere Kombinationen an ihm gesehen. Outfits, mit denen er auf jeder Karnevalsparty den Preis fürs beste Kostüm abstauben würde. Nur, dass es für ihn Alltagskleidung war.

      »Dennis, du siehst klasse aus«, sagte Diana. »Du bringst Farbe in unseren tristen Alltag, und allein dafür hast du einen Orden verdient.«

      Ich fing Dennis’ triumphierenden Blick auf und grinste innerlich, denn insgeheim bewunderte ich sein Selbstbewusstsein. Vielleicht würde ich es ihm irgendwann einmal sagen. Aber nicht heute.

      Wie auch immer – wir schlemmten und tranken und lachten und schwatzten, und es war ein wunderbarer Abend.

      Es war bereits nach Mitternacht, als Diana und ich nach fünf Minuten Fußweg bei mir ankamen.

      »Ich bin noch nicht müde«, sagte Diana mit leichtem Nuscheln und bückte sich wenig graziös, um Baghira zu streicheln, der maunzend um ihre Beine strich und sie damit aus dem Gleichgewicht brachte. »Hoppla«, konstatierte sie kichernd und stützte sich an der Wand ab. »Wie viele Gläser Bowle haben wir wohl getrunken?«

      »Viel zu viele«, entgegnete ich, nicht weniger nuschelnd als sie. Dann kramte ich das kleine Fresspaket für Baghira aus meiner Umhängetasche, ein paar Fitzelchen Fleisch, die ihm nicht schaden würden. Allein das Rascheln der Alufolie weckte die ungeteilte Aufmerksamkeit des Katers, und er trippelte im Zickzack und mit hoch aufgerecktem Schwanz vor mir her zu seinem Napf. Laut schmatzend genoss er die Fleischbröckchen, während ich die Folie zu einem Ball zusammenknüllte, den er später durch die Wohnung dribbeln würde.

      »Was zum Naschen und was zum Spielen«, murmelte ich und ließ die silberne Kugel auf den Boden fallen.

      »Toll«, sagte Diana hinter mir, »jetzt führt sie sogar schon Selbstgespräche. Oder war diese Information für mich bestimmt?«

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