Скачать книгу

liebt, ge­hört sich nicht mehr und kann sich nicht ein­mal tö­ten. Die Lie­be ver­leiht uns eine Art Ver­eh­rung un­se­res ei­ge­nen Ich, wir ach­ten in uns ein an­de­res Le­ben; sie wird dann zum schreck­lichs­ten Un­glück, zu ei­nem Un­glück, das Hoff­nung in sich trägt, eine Hoff­nung, die uns Fol­ter­qua­len wil­lig er­tra­gen läßt. Ich schlief mit der Ab­sicht ein, am nächs­ten Tage Ras­ti­gnac den ei­gen­tüm­li­chen Ent­schluß von Fœ­do­ra an­zu­ver­trau­en. »Aha!« sag­te Ras­ti­gnac, als er mich um neun Uhr mor­gens bei sich ein­tre­ten sah, »ich weiß, was dich her­führt, ge­wiß hat dir Fœ­do­ra den Ab­schied ge­ge­ben. Ein paar gute Seel­chen, die auf dei­ne Macht­stel­lung bei der Com­tes­se nei­disch wa­ren, ha­ben eure Hei­rat an­ge­kün­digt. Gott weiß, wel­che Tor­hei­ten dir dei­ne Ne­ben­buh­ler an­ge­dich­tet ha­ben und wel­che Ver­leum­dun­gen über dich im Schwan­ge wa­ren.« – »Nun wird mir al­les klar!« rief ich aus. Ich rief mir alle mei­ne Un­ver­schämt­hei­ten ins Ge­dächt­nis zu­rück und fand die Com­tes­se er­ha­ben. Nach mei­ner Mei­nung war ich ein Schuft, der noch nicht ge­nug ge­lit­ten hat­te, und ich er­blick­te in ih­rer Nach­sicht jetzt nur noch die barm­her­zi­ge Ge­duld der Lie­be.

      »Ist es nicht ein Wun­der!« sag­te Ras­ti­gnac la­chend zu mir. Sich wie­der an den Spe­ku­lan­ten wen­dend, fuhr er dann fort und deu­te­te auf mich: »Mon­sieur de Va­len­tin ist ein Freund von mir, den ich Ih­nen als eine un­se­rer zu­künf­ti­gen li­te­ra­ri­schen Berühmt­hei­ten vor­stel­len darf. Er hat­te frü­her eine Tan­te, die bei Hofe sehr an­ge­se­hen war, eine Mar­qui­se, und seit zwei Jah­ren ar­bei­tet er an ei­ner roya­lis­ti­schen Ge­schich­te der Re­vo­lu­ti­on.« In­dem er sich dem Ohr die­ses son­der­ba­ren Han­dels­man­nes nä­her­te, sag­te er noch: »Er hat Ta­lent, aber er ist ein Ha­be­nichts, der Ih­nen im Na­men sei­ner Tan­te Ihre Me­moi­ren ver­fas­sen kann, für 100 Ta­ler pro Band.« – »Ich bin mit dem Han­del ein­ver­stan­den« ant­wor­te­te der an­de­re und schob sei­ne Kra­wat­te in die Höhe. »Kell­ner, mei­ne Aus­tern, rasch!« – »Aber Sie müß­ten mir 25 Louis­dors Pro­vi­si­on ge­ben und ihm einen Band im vor­aus be­zah­len«, sag­te Ras­ti­gnac. – »Nein, nein. Ich schie­ße nur 50 Ta­ler vor, um si­cher zu sein, daß ich bald mein Ma­nu­skript be­kom­me.« Ras­ti­gnac wie­der­hol­te mir die­se ge­schäft­li­chen Be­din­gun­gen mit lei­ser Stim­me. Hier­auf ant­wor­te­te er ihm, ohne mich erst zu fra­gen: »Wir sind ein­ver­stan­den. Wann dür­fen wir zu Ih­nen kom­men, um das Ge­schäft ab­zu­schlie­ßen?« – »Nun, kom­men Sie mor­gen abend um sie­ben Uhr hier­her zum Di­ner.« Wir er­ho­ben uns. Ras­ti­gnac warf dem Kell­ner ein Trink­geld zu, schob die Rech­nung in sei­ne Ta­sche, und wir gin­gen fort. Ich war höchst er­staunt über die Leicht­fer­tig­keit und Un­be­küm­mert­heit, mit der er mei­ne hoch­acht­ba­re Tan­te, die Mar­qui­se de Mont­bau­ron, ver­kauft hat­te. – »Ich will mich lie­ber nach Bra­si­li­en ein­schif­fen und dort den In­dia­nern Al­ge­bra bei­brin­gen, wo­von ich kei­nen Deut ver­ste­he, als den Na­men mei­ner Fa­mi­lie in den Schmutz zu zie­hen!« Ras­ti­gnac ant­wor­te­te mir mit lau­tem Ge­läch­ter. – »Bist du ein Esel! Nimm erst mal die 50 Ta­ler und ver­fas­se die Me­moi­ren. Wenn sie fer­tig sind, wei­gerst du dich, den Na­men dei­ner Tan­te dar­un­ter­zu­set­zen, Dumm­kopf! Die Reifrö­cke, das hohe An­se­hen, die Schön­heit, die Schmin­ke, die Pan­töf­fel­chen der Ma­da­me de Mont­bau­ron, die noch dazu auf dem Scha­fott ge­stor­ben ist, sind viel mehr wert als 600 Fran­cs. Wird der Buch­händ­ler dann nicht für dei­ne Tan­te zah­len, was sie wert ist, wird er schon noch einen al­ten Be­trü­ger oder ir­gend­ei­ne ob­sku­re Com­tes­se fin­den, die ihm sei­ne Me­moi­ren zeich­ne­te – »Oh!« rief ich aus, warum habe ich mei­ne tu­gend­haf­te Man­sar­de ver­las­sen? Wie sind die Kehr­sei­ten der Welt doch ab­scheu­lich ge­mein!« – »Gut, das war Poe­sie, hier dreht’s sich aber um Ge­schäf­te«, sag­te Ras­ti­gnac. »Du bist ein Kind. Höre: Was die Me­moi­ren an­geht, so wird das Pub­li­kum

Скачать книгу