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Blick zu. Sie emp­fand nichts ne­ben mir, tat süß, aber ohne Lie­be; sie er­schi­en mir als eine vollen­de­te Schau­spie­le­rin. Dann er­weck­te plötz­lich ein Ton, ein Blick, ein Wort wie­der mei­ne Hoff­nung. Spie­gel­ten aber mei­ne Au­gen mei­ne wie­der­ent­flamm­te Lie­be, hielt sie dem Feu­er stand, ohne daß die Klar­heit ih­rer Au­gen sich trüb­te, denn wie bei de­nen ei­nes Ti­gers, schi­en ihr Un­ter­grund aus Me­tall zu sein. In sol­chen Mo­men­ten haß­te ich sie. ›Die Für­spra­che des Duc de Na­varr­eins‹, fuhr sie mit ein­schmei­cheln­dem Stimm­klang fort, ›wä­re mir von großem Nut­zen bei ei­ner in Ruß­land all­mäch­ti­gen Per­son, de­ren Ver­mitt­lung nö­tig ist, da­mit mir in ei­ner An­ge­le­gen­heit, die mein Ver­mö­gen und mei­ne Stel­lung in der Welt be­trifft, Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­re, es geht um die Aner­ken­nung mei­ner Hei­rat durch den Za­ren. Ist nicht der Duc de Na­varr­eins Ihr Cou­sin? Ein Brief von ihm wür­de den Aus­schlag ge­ben.‹ – ›Ich ste­he zu Ihren Diens­ten‹, ant­wor­te­te ich ihr, ›be­feh­len Sie!‹ – ›Sie sind sehr lie­bens­wür­dig‹, sag­te sie und drück­te mir die Hand. ›Di­nie­ren Sie bei mir, ich wer­de Ih­nen al­les er­zäh­len wie ei­nem Beicht­va­ter‹. Die­se so miß­traui­sche, ver­schlos­se­ne Frau, von der noch nie­mand ein Wort über ihre An­ge­le­gen­hei­ten ver­nom­men hat­te, woll­te mei­nen Rat. ›Oh, wie ist mir jetzt das Schwei­gen teu­er, das Sie mir auf­er­legt ha­ben!‹ rief ich aus. ›Doch hät­te ich mir eine noch här­te­re Prü­fung ge­wünscht.‹ In die­sem Au­gen­blick ent­zog sie sich mei­nen trun­ke­nen Bli­cken nicht und ließ sich mei­ne Be­wun­de­rung ge­fal­len, sie lieb­te mich also! Wir lang­ten bei ihr an. Zum Glück reich­te der In­halt mei­ner Bör­se hin, den Kut­scher zu be­zah­len. Ich ver­brach­te den Tag bei ihr voll Won­ne, mit ihr al­lein; es war das ers­te­mal, daß ich ihr so nahe sein durf­te. Bis zu die­sem Tage hat­ten die Ge­sell­schaft, ihre läs­ti­ge Höf­lich­keit und ihr kal­tes We­sen uns im­mer ge­trennt, selbst bei ih­ren üp­pi­gen Di­ners; nun aber war ich bei ihr, als ob ich un­ter ih­rem Da­che leb­te, sie war so­zu­sa­gen mein. Mei­ne un­ge­zü­gel­te Phan­ta­sie spreng­te alle Fes­seln, lenk­te die Er­eig­nis­se des Le­bens nach mei­nen Wün­schen und ver­senk­te mich in die Se­lig­kei­ten ei­ner glück­li­chen Lie­be. Ich wähn­te mich schon als ih­ren Gat­ten, wäh­rend ich sie bei ih­ren klei­nen Be­schäf­ti­gun­gen be­wun­der­te; ich emp­fand so­gar Glück zu­zu­se­hen, wie sie ih­ren Schal und ih­ren Hut ab­leg­te. Sie ließ mich einen Au­gen­blick al­lein und kehr­te mit neu ge­rich­te­tem Haar zu­rück, be­zau­bernd. Für mich hat­te sie sich her­aus­ge­putzt. Wäh­rend des Es­sens er­wies sie mir un­zäh­li­ge Auf­merk­sam­kei­ten und ent­fal­te­te un­end­li­chen Lieb­reiz in tau­sen­der­lei Din­gen, die nich­tig schei­nen und doch das hal­be Le­ben aus­ma­chen. Als wir bei­de auf sei­de­nen Pols­tern, von den be­geh­rens­wer­tes­ten Schöp­fun­gen ei­nes ori­en­ta­li­schen Lu­xus um­ge­ben, vor dem fla­ckern­den Ka­min­feu­er sa­ßen, als die­se Frau, de­ren be­rühm­te Schön­heit so vie­le Her­zen hö­her schla­gen ließ, mir so nahe war, als die­se so schwer zu er­rin­gen­de Frau mit mir plau­der­te, mir all ihre Ko­ket­te­rie zu­wand­te, wur­de mein wol­lüs­ti­ges Glück fast zum Schmerz. Un­glück­li­cher­wei­se fiel mir das wich­ti­ge Ge­schäft ein, das ich ab­schlie­ßen soll­te, und ich woll­te mich zu der tags vor­her ver­ab­re­de­ten Zu­sam­men­kunft be­ge­ben. – ›Wie! schon?‹ frag­te sie, als ich mei­nen Hut nahm. Sie lieb­te mich! Ich glaub­te es we­nigs­tens, als ich sie die­se zwei Wor­te mit zärt­li­cher Schmei­chel­stim­me sa­gen hör­te. Um mei­ne Ek­sta­se zu ver­län­gern, hät­te ich da­mals freu­dig zwei Jah­re mei­nes Le­bens für jede Stun­de hin­ge­ge­ben, die sie mir ge­wäh­ren woll­te. Mein Glück ver­tief­te sich mit all dem Geld, das ich ver­lor. Es war Mit­ter­nacht, als sie mich entließ. Am fol­gen­den Mor­gen in­des­sen kos­te­te mich mein He­ro­is­mus vie­le Ge­wis­sens­bis­se, ich fürch­te­te, das Ge­schäft mit den Me­moi­ren ver­patzt zu ha­ben, von dem al­les für mich ab­hing. Ich eil­te zu Ras­ti­gnac, und wir gin­gen, den Ti­tu­lar mei­ner künf­ti­gen Ar­bei­ten bei sei­nem Le­ver zu über­ra­schen.

      Fi­not las mir einen kur­z­en Ver­trag vor, worin von mei­ner Tan­te kei­ne Rede war, und nach­dem ich un­ter­zeich­net hat­te, zahl­te er mir 50 Ta­ler aus. Wir früh­stück­ten zu dritt. Als ich mei­nen neu­en Hut, 60 Spei­se­mar­ken, das Stück zu 30 Sous, und mei­ne Schul­den be­zahlt hat­te, blie­ben mir nur noch 30 Fran­cs; aber alle Schwie­rig­kei­ten des Le­bens wa­ren für ei­ni­ge Tage be­sei­tigt. Wenn ich hät­te auf Ras­ti­gnac hö­ren wol­len, so hät­te ich mir Schät­ze er­wer­ben kön­nen, wenn ich mir frei­her­aus das ›eng­li­sche Sys­tem‹ zu ei­gen mach­te. Er woll­te mir durch­aus einen Kre­dit er­öff­nen und mich zum Schul­den­ma­chen ver­lei­ten, denn er be­haup­te­te, Schul­den hiel­ten den Kre­dit auf­recht. Er mein­te, daß von al­len Ka­pi­ta­li­en der Welt die Zu­kunft das wert­volls­te und so­li­des­te sei. In­dem er so mei­ne Schul­den als Hy­po­thek auf mei­ne Zu­kunfts­mög­lich­kei­ten be­trach­te­te, be­trau­te er sei­nen Schnei­der mit mei­ner Kund­schaft, einen Künst­ler, der sich auf den ›jun­gen Mann‹ ver­stand und mich bis zu mei­ner Hei­rat be­hel­li­gen soll­te. Von die­sem Tage an brach ich mit dem mön­chi­schen, ar­beit­sa­men Le­ben, das ich drei Jah­re lang ge­führt hat­te. Ich ging flei­ßig zu Fœ­do­ra, wo ich die Maul­hel­den und die Sa­lon­lö­wen aus­zu­ste­chen such­te, die sich bei ihr ein­fan­den. Da ich mich nun für im­mer dem Elend ent­ron­nen glaub­te, er­lang­te ich mei­ne geis­ti­ge Frei­heit wie­der, stell­te mei­ne Ri­va­len in den Schat­ten und galt als ver­füh­re­ri­scher, blen­den­der, un­wi­der­steh­li­cher jun­ger Mann. Be­son­ders ge­witz­te al­ler­dings be­haup­te­ten von mir: ›Ein so geist­rei­cher jun­ger Mann kann Lei­den­schaft nur im Kopf ha­ben!‹ Und wohl­mei­nend rühm­ten sie mei­nen Geist auf Kos­ten mei­ner Ge­füh­le. ›Wie glück­lich er ist, nicht zu lie­ben!‹ rie­fen sie aus. ›Wä­re er, wenn er lieb­te, so hei­ter, so mit­rei­ßend?‹ Fœ­do­ra ge­gen­über frei­lich war ich ein ver­lieb­ter Trot­tel! Al­lein mit ihr, wuß­te ich nichts zu sa­gen, oder wenn ich sprach, schmäh­te ich die Lie­be; in­ner­lich trüb­se­lig, ge­bär­de­te ich mich lus­tig wie ein Höf­ling, der einen grau­sa­men Ver­druß zu ver­heh­len sucht. Kurz, ich be­müh­te mich, ih­rem Le­ben, ih­rem Glück, ih­rer Ei­tel­keit un­ent­behr­lich zu wer­den; tag­täg­lich bei ihr, ward ich ihr Skla­ve, ein Spiel­zeug, ihr stän­dig zu Wil­len. Nach­dem ich mei­nen Tag der­art ver­geu­det hat­te, kam ich nach Hau­se, um die Nacht durch­zu­ar­bei­ten und ge­gen Mor­gen kaum mehr als zwei oder drei Stun­den zu schla­fen. Doch da ich mich nicht, wie Ras­ti­gnac, auf das ›eng­li­sche Sys­tem‹ ver­stand, war ich bald ohne einen Sou. Da stand ich nun, mein Lie­ber, ein Geck ohne Ver­mö­gen, ein Stut­zer ohne Geld, ein Ver­lieb­ter ohne Na­men und sank wie­der in das küm­mer­li­che Le­ben zu­rück, in die kal­te, tie­fe Not, die ich un­ter dem trü­ge­ri­schen Schein von Lu­xus sorg­fäl­tig ver­barg. Es wa­ren mei­ne al­ten Lei­den, die ich aufs neue er­dul­de­te, we­ni­ger bren­nend frei­lich; wahr­schein­lich hat­te ich mich an ihre schreck­li­chen Kri­sen be­reits ge­wöhnt. Oft wa­ren Ku­chen und Tee, die in den Sa­lons so spar­sam dar­ge­reicht wer­den, mei­ne ein­zi­ge Nah­rung. Mit­un­ter muß­ten die üp­pi­gen Di­ners der Com­tes­se für meh­re­re Tage vor­hal­ten. Ich setz­te mei­ne gan­ze Zeit, mei­ne Kräf­te und mei­ne Beo­b­ach­tungs­ga­be dar­ein, den un­durch­dring­li­chen Cha­rak­ter Fœ­do­ras zu er­grün­den. Bis da­hin hat­ten Hoff­nung oder Verzweif­lung mei­ne Mei­nung be­ein­flußt, ich er­blick­te in ihr mal die lie­be­volls­te,

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