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du die wut­schäu­men­den Ge­dan­ken, die wach­sen­de Ra­se­rei be­grei­fen, die mich beim Ge­hen durch­tob­ten und viel­leicht mei­nen Schritt noch be­schleu­nig­ten. Ich emp­fand eine gleich­sam in­fer­na­li­sche Freu­de, mich nun auf dem Gip­fel des Un­glücks zu se­hen. Ich woll­te in die­ser letz­ten Kri­se ein Un­ter­pfand des Glücks er­bli­cken; aber das Un­heil ist an Schät­zen un­er­schöpf­lich. Die Haus­tür mei­nes Ho­tels war halb­of­fen. Durch die herz­för­mi­gen Aus­schnit­te des Fens­ter­la­dens fiel ein Licht­schein auf die Stra­ße. Pau­li­ne und ihre Mut­ter er­war­te­ten plau­dernd mein Nach­hau­se­kom­men. Ich hör­te mei­nen Na­men, ich lausch­te. »Ra­pha­el«, sag­te Pau­li­ne, »ist viel hüb­scher als der Stu­dent von Nr. 7! Sei­ne blon­den Haa­re ha­ben eine so schö­ne Far­be. Fin­dest du nicht, daß er et­was in der Stim­me hat, was ei­nem, ich weiß nicht wie, das Herz be­wegt? Auch ist er so gut, ob­wohl er ein biß­chen stolz aus­sieht, und hat so fei­ne Ma­nie­ren. Oh! er ist wirk­lich sehr nett! Ich bin über­zeugt, daß alle Frau­en in ihn ver­narrt sind.« – »Du sprichst von ihm, als ob du ihn lieb­test«, be­merk­te Ma­da­me Gau­din.

      »Oh! ich lie­be ihn wie einen Bru­der«, er­wi­der­te sie fröh­lich. »Es wäre schön un­dank­bar von mir, wenn ich kei­ne Freund­schaft für ihn emp­fän­de. Hat er mir nicht die Mu­sik bei­ge­bracht, das Zeich­nen, die Gram­ma­tik, kurz al­les, was ich weiß? Du ach­test nicht sehr auf mei­ne Fort­schrit­te, lie­be Mut­ter; aber ich wer­de so ge­scheit, daß ich in ei­ni­ger Zeit selbst wer­de Un­ter­richt er­tei­len kön­nen, und dann kön­nen wir uns einen Dienst­bo­ten hal­ten.« Ich zog mich lei­se zu­rück, und nach­dem ich mich laut be­merk­bar ge­macht hat­te, be­trat ich den Vor­saal, um dort mei­ne Lam­pe zu ho­len, die Pau­li­ne an­zün­den woll­te. Die lie­be Klei­ne hat­te so­eben köst­li­chen Bal­sam in mei­ne Wun­de ge­träu­felt. Die­ses kind­li­che Lob mei­ner Per­son gab mir wie­der et­was Mut. Es tat mir not, an mich zu glau­ben und ein un­par­tei­isches Ur­teil über den wah­ren Wert mei­ner Vor­zü­ge zu hö­ren. Mei­ne also wie­der­be­leb­ten Hoff­nun­gen strahl­ten viel­leicht auf die Din­ge zu­rück, die ich sah. Vi­el­leicht hat­te ich die­se Sze­ne, die mir die bei­den Frau­en in die­sem Raum mei­nen Bli­cken schon oft ge­bo­ten hat­ten, noch nie so auf­merk­sam be­trach­tet; doch an je­nem Abend be­wun­der­te ich das köst­lichs­te Bild schlich­ter Na­tür­lich­keit, wie es flä­mi­sche Ma­ler so ur­sprüng­lich dar­ge­stellt ha­ben, in sei­ner Wirk­lich­keit. Die Mut­ter, am hal­b­er­lo­sche­nen Feu­er des Ka­mins sit­zend, strick­te St­rümp­fe und hat­te ein gü­ti­ges Lä­cheln auf den Lip­pen. Pau­li­ne be­mal­te Licht­schir­me; ihre Far­ben und ihre Pin­sel, die auf ei­nem klei­nen Tisch­chen aus­ge­brei­tet wa­ren, zo­gen das Auge durch ein ma­le­ri­sches Far­ben­spiel an. Sie war auf­ge­stan­den, um mei­ne Lam­pe an­zu­zün­den, und das Licht fiel nun voll auf ihr wei­ßes Ge­sicht; man muß­te schon der Skla­ve ei­ner schreck­li­chen Lei­den­schaft sein, um von ih­ren durch­schei­nend ro­si­gen Hän­den, ih­rem vollen­det schö­nen Kopf und ih­rer jung­fräu­li­chen Hal­tung nicht be­zau­bert zu wer­den. Die Nacht und die Stil­le er­höh­ten den Reiz die­ses ar­beit­sa­men Bei­sam­men­seins, die­ses fried­li­chen In­te­rieurs. Die­ses un­aus­ge­setz­te Sichab­mü­hen, das hei­te­ren Sinns er­tra­gen wur­de, zeug­te von ei­ner from­men Er­ge­bung voll er­ha­be­nen Ge­fühls. Zwi­schen den Din­gen und Per­so­nen wal­te­te eine un­säg­li­che Har­mo­nie. Bei Fœ­do­ra herrsch­te nüch­ter­ner Prunk, der schlim­me Ge­dan­ken in mir er­weck­te, wäh­rend die­ses de­mut­vol­le Elend und die­se un­ver­fälsch­te Na­tur mir die See­le er­quick­ten. Vi­el­leicht fühl­te ich mich an­ge­sichts je­nes Lu­xus ge­de­mü­tigt; ne­ben die­sen bei­den Frau­en, in die­sem dunklen Raum, wo das ein­fa­che Le­ben sich in die Emp­fin­dun­gen des Her­zens zu­rück­zu­zie­hen schi­en, söhn­te ich mich mit mir sel­ber aus, viel­leicht weil ich hier den Schutz aus­üben konn­te, den ein Mann so ei­fer­süch­tig zu ge­wäh­ren trach­tet. Als ich ne­ben Pau­li­ne stand, warf sie mir einen bei­na­he müt­ter­li­chen Blick zu und rief, wäh­rend sie mit zit­tern­den Hän­den die Lam­pe nie­der­setz­te: »Mein Gott, wie blaß Sie sind! Oh! er ist ganz durch­näßt. Mei­ne Mut­ter wird Sie ab­trock­nen … Mon­sieur Ra­pha­el«, fuhr sie nach ei­ner klei­nen Pau­se fort, »Sie trin­ken doch so ger­ne Milch; wir hat­ten Sah­ne heu­te abend, wol­len Sie nicht da­von kos­ten?« Sie sprang wie ein Kätz­chen nach ei­nem Por­zellan­napf mit Milch und reich­te ihn mir mit ei­ner so leb­haf­ten Be­we­gung, hielt ihn mir so drol­lig un­ter die Nase, daß ich zö­ger­te. – »Wol­len Sie mir einen Korb ge­ben?« frag­te sie mit zit­tern­der Stim­me. Je­der ver­stand den Stolz des an­de­ren. Pau­li­ne schi­en ihre Ar­mut schmerz­lich zu emp­fin­den und mir mei­nen Hoch­mut vor­zu­wer­fen. Es rühr­te mich. Die­se Milch war viel­leicht ihr Früh­stück für den nächs­ten Mor­gen, ich nahm sie trotz­dem. Das arme Mäd­chen woll­te sei­ne Freu­de ver­ber­gen, aber sie strahl­te ihr aus den Au­gen. – »Es hat mir not ge­tan«, sag­te ich, in­dem ich mich setz­te. (Ein sor­gen­vol­ler Aus­druck glitt über ihre Stirn.) – »Ent­sin­nen Sie sich der Stel­le, Pau­li­ne, wo Bos­su­et sagt, daß Gott ein Glas Was­ser reich­li­cher loh­nen wird als einen Sieg?« – »Ja«, ant­wor­te­te sie. Und ihr Herz schlug wie das ei­ner jun­gen Gras­mücke in den Hän­den ei­nes Kin­des. – »Nun, da wir uns bald tren­nen wer­den«, sag­te ich mit un­si­che­rer Stim­me, »las­sen Sie mich Ih­nen mei­ne Dank­bar­keit be­zei­gen für all die Sorg­falt, die Sie und Ihre Mut­ter mir zu­ge­wen­det ha­ben.‹

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