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die feuchte, kalte Luft ein und wischte mit dem weiten Ärmel seiner braunen Kutte über sein Gesicht.

      „Das ist ein Wort“, erwiderte grimmig der Kommandant der „Aragon“. „Und weiter?“

      „Die zweite Nacht voller schauerlicher Alpträume und Ängste“, murmelte Ferrer, von Furcht und Todesangst geschüttelt, im Anblick der hochgehenden Wellen und beeindruckt von der schaukelnden, sich aufbäumenden und schwankenden Galeone, „stehen wir alle nicht mehr durch. Entweder besiegen wir den Antichrist, oder wir sterben. Ich sage Ihnen, Capitán, daß dieses Schiff mit den Dreieckssegeln ein Werkzeug des Satans ist.“

      Der Capitán nickte und brummte finster: „Mag sein. Für uns Seeleute ist es eine Schebecke voller Spanier. Sonst nichts.“

      „Dann greifen Sie an. Wenn wir sie nicht in die Tiefe dieses fürchterlichen Ozeans schicken, drehen wir ab und segeln zurück. Einverstanden? Gott muß sie strafen.“

      Ferrer deutete mit dem zitternden, ausgestreckten Arm zu dem Schiff, das er samt seiner Besatzung haßte. Seit sie Vigo verlassen hatten, war er davon überzeugt, daß sie Abgesandte der Hölle waren.

      „Wenn Gott sie straft“, erwiderte Capitán Valdez ruhig, „dann brauchen wir es nicht zu tun. Sie werden uns in Fetzen schießen wie die beiden Karavellen.“

      „Ihr Schiff, Ihre Kanonen, ich habe sie zum Werkzeug des Herrn werden lassen!“ schrie keuchend der Mönch. „Die Inquisition befiehlt es Ihnen, Capitán! Schnell, solange wir noch den Gegner sehen, den Teufel, den Erzbösewicht.“

      „Gut. Wir packen sie“, entschied der Kommandant. Er enterte den Niedergang ab, versammelte seine Offiziere um sich und gab Befehle. Der Mönch hatte ein Tau gepackt und klammerte sich daran fest, während sein Körper schwankte und seine Füße auf den Planken rutschten. Er bot ein Bild des Jammers, aber seine Überzeugung war ungebrochen.

      Der Rudergänger am Kolderstock beobachtete die Segelstellung und legte das Ruder. Das Heulen und Jaulen des Windes in der Takelage wurde lauter. Der Rumpf arbeitete schwer, als der Bugspriet herumschwang und auf den Gegner zu zeigen schien.

      Wieder erfaßte eine grauenerregende Angst den Mönch. Er drehte verzweifelt den Kopf. Aber tief in seinem Inneren wußte er, daß er im Recht war. Auf diesem Schiff des Satans trieben sich Verräter, Spione, kurz: der Abschaum herum, den es zu vernichten galt.

      Sein Glaube war unerschütterlich. Er wußte, daß Capitán Valdez die Verdammten vernichten würde.

      Noch bevor die Nacht anfing, würde alles vorbei sein.

      Matt Davies packte mit dem Haken seiner rechten Kunsthand ein Fall, hielt sich daran fest und federte die harten Stöße des Rumpfes ab.

      Er sagte zu Stenmark: „Sie lassen nicht locker, die Dons. Wir behalten ihre Gesellschaft, wie? Auch in der Nacht.“

      „Glaube ich nicht, Matt. Sie werden sich nicht so hoch in den Norden wagen.“

      „Wenn wirklich der verrückte Mönch an Bord ist, segeln sie bis nach Island, sage ich dir.“

      „Warte es ab.“

      Sie drehen gleichzeitig die Köpfe und schauten hinüber zu den Segeln der Karavelle und der Galeone. Sie stutzten, als sie sahen, daß der Spanier die Rahen herumschwang, daß auch auf der Karavelle die Lateinersegel neu getrimmt wurden.

      „He! Da ändert sich etwas.“

      Matt Davies winkte hinüber zu Ben Brighton, der gähnend auf der Kuhl stand und die Schatzgaleonen beobachtete, die hinter der „Isabella“ und der „Wappen“ segelten.

      „Die Spanier. Wahrscheinlich greifen sie an, Ben.“

      Ben wirbelte herum. Er zog das Spektiv aus der Tasche und hob es ans Auge. Fast alle Arwenacks, die sich an Deck aufhielten, blickten hinüber zu den Schiffen. Den beiden Spaniern war es gelungen, sich weit nach Norden hochzukämpfen. Jetzt kreuzten sie nach Osten.

      Einige Minuten lang beobachtete Ben Brighton die beiden Verfolger. Er sah, daß sie unzweifelhaft auf neuen Kurs gingen. Es gab nur zwei Gründe, die er sich ausrechnen konnte: Die Dons drehten ab, oder sie griffen an. Er meinte, daß sie das letzte Tageslicht dazu benutzen würden, anzugreifen.

      „Sie sind entweder lebensmüde oder verrückt“, sagte er laut, wandte sich an Philip junior und sagte: „Wecke deinen Dad auf. Und auch unseren Stückmeister. Wahrscheinlich gibt’s einen feurigen Abend.“

      „Aye, Ben“, erwiderte Philip und verschwand unter Deck.

      Es würde etwa eine halbe Stunde dauern, errechnete der Erste, bis die fünf Schiffe weit voraus an einem bestimmten Punkt in Luv der Silbergaleonen aufeinandertreffen würden.

      „Achtung! Die Spanier kommen!“ rief, als merke er es erst jetzt, Paddy Rogers von der Back.

      „Das wissen wir schon seit Stunden“, antwortete Big Old Shane lachend. „Wir warten ja drauf, daß sie endlich etwas tun.“

      „Eigentlich“, meinte Paddy schulterzuckend, „habe ich gedacht, daß sie mitten in der Nacht über uns herfallen.“

      „Wahnsinnig genug sind sie dafür!“ rief Old Donegal und schüttelte die Faust in die Richtung der Kriegsgaleone.

      Hasard und Al Conroy erschienen gähnend und mit schlafverquollenen Augen an Deck. Der kalte Wind, der an ihnen zerrte, ließ sie schnell wach werden. Ben Brighton nickte in die Richtung der Schiffe.

      „Sie wollen es wissen“, brummte der Seewolf. „Tatsächlich.“

      Auch Dan O’Flynn war durch den Lärm wach geworden und tappte an Deck. Sie alle versuchten zu erkennen, was die Spanier vorhatten. Al Conroy winkte ab, zog die Zwillinge mit sich und brummte etwas Unverständliches.

      Hasard ließ sich nicht beeindrucken, winkte Ben heran und sagte: „Ein blinder Schuß aus der Drehbasse. Unsere Freunde müssen bereit sein. Wir werden den Dons keine echte Chance lassen. Klar?“

      „Völlig klar, Sir.“

      Die Zwillinge und Al Conroy gingen ohne Hast daran, die Abdeckungen der Culverinen zu entfernen und zu verstauen. Die Mündungsdeckel blieben noch eingesetzt, es gab zuviel Spritzwasser.

      Ben Brighton holte sich unter Deck eine Lampe, schützte die Flamme und entzündete eine Lunte. Er lief zum Grätingsdeck, riß die Persenning von der Drehbasse und senkte das Rohr, bis die Ladung in seine Hände rutschte. Jan Ranse half ihm, sammelte das gehackte Metall in einer Pütz, und Ben richtete das Rohr auf die „Isabella“ aus.

      Die Lunte knisterte und glühte auf. Funken fraßen sich ins Pulver im Zündloch. Dann dröhnte ein dumpfer, fast puffender Schlag über das Wasser hinüber zu den beiden Schiffen. Aber noch während der Pulverdampf davongetrieben wurde, bemerkte der Erste, daß die Freunde auf der „Wappen von Kolberg“ und der „Isabella“ die Manöver der Dons sehr genau beobachteten. Daß die Geschütze bereit waren, hielt er aus langer Erfahrung für selbstverständlich.

      Von den Decks winkten die Mannen. Sie hatten genau verstanden. Eigentlich war das Signal überflüssig gewesen.

      Ben eilte wieder zurück auf die Kuhl und steckte den Luntenstab in die sandgefüllte Pütz.

      „Alles in Ordnung!“ rief er. „Die Dons können antanzen.“

      „Das tun sie auch, verlaß dich drauf“, antwortete der Seewolf.

      Al Conroy und Hasards Söhne versetzten die langen Culverinen in Schußbereitschaft, rannten sie aber noch nicht aus.

      Hasard stemmte die Fäuste in die Seiten und schaute sich prüfend um. Er dachte an das kurze Gefecht mit den beiden Karavellen und sagte sich, daß die Dons eigentlich mit weit offenen Augen in ihr Verderben segelten. Drei schwer bewaffnete Schiffe mit feuerbereiten Geschützen gegen eine vergleichsweise hilflose Karavelle und eine Galeone, die allerdings als Gegner zählte.

      „Das gleiche Manöver wie vor einem halben Tag“, sagte er. „Wir kümmern

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