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      Stunde um Stunde, verging. Drei Stunden nach Sonnenaufgang erlosch das grelle Licht der Wintersonne wieder. Dicke, graue und schwarze Wolken, aus denen an der Kimm breite Regenbänder niederrauschten, trieben tief über den Atlantik. Der Wind drehte, wehte böig aus Süd und später aus Südost, aus der Biscaya. Aber er wurde nicht schwächer und trieb die drei Karavellen und mit wenig Abstand die „Aragon“ auf das letzte Schiff des Konvois zu.

      Die Formation hatte sich geändert. Hasard und seine Freunde segelten querab der letzten Schatzgaleone, der „Concordia“.

      „Noch eine Stunde, schätze ich“, meinte Dan O’Flynn halblaut. „Und sie kommen nicht in friedlicher Absicht.“

      „Ich weiß“, sagte der Seewolf grimmig.

      Ununterbrochen hatten sie alle die schnellen, schnittigen Karavellen beobachtet. Während an Bord der Schebecke und der „Isabella“ die Vorbereitungen für einen Kampf ruhig und besonnen vor sich gingen, hasteten auf den Decks der Verfolgerschiffe die Seeleute und Seesoldaten herum. Die Geschütze waren allesamt ausgerannt worden. Die Spanier schienen keineswegs lange Verhandlungen zu beabsichtigen.

      Sie wollten die Schebecke!

      Hasard fragte sich, wie stark die Überzeugungskraft des Mönches sein mochte – oder die Furcht der Kapitäne vor der mächtigen Inquisition, wenn ein Befehl des Tribunals nicht befolgt wurde. Was sie auch bewegen mochte, die Dons, sie segelten in breiter Linie auf die Schebecke zu und waren feuerbereit.

      Die Crew war bereit und peilte gespannt zur nächsten Karavelle hinüber. Überall standen Pützen voller Wasser und nassem Sand. Die Lunten steckten unangezündet in den Behältern, in denen die kleinen Laternen brannten. Al Conroy hantierte mit Richtscheit und Keilen und versuchte, seine Rohre zuverlässig auszurichten. Pete Ballie, der Gefechtsrudergänger, hatte seinen Vorgänger vor einer halben Stunde abgelöst und hielt die Pinne gepackt.

      Al Conroy hatte zwei seiner Brandsätze an Deck gebracht und bewegte unruhig Kopf und Schultern. Noch war die Entfernung zu groß für gutgezielte Schüsse.

      „Wir warten auf den ersten Schuß der Dons!“ rief Hasard zum zweitenmal. „Don Ricardo und seine Freunde müssen sehen, daß wir uns verteidigen. Es wird ihn überzeugen, daß diese Spanier die falschen Spanier sind, nämlich Kaperer.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Fast alle Seewölfe saßen oder standen an Deck. Zwar befürchtete keiner einen Versuch der Dons, die Schebecke zu entern, aber die Waffen waren bereit. Niemand redete laut, mühsam unterdrückte Spannung hatte sich ausgebreitet. Selbst Plymmie und der Schimpanse hatten sich unter Deck in ihre Ecken verkrochen und spürten die Unruhe.

      Matt Davies sagte halb anerkennend, halb zuversichtlich: „Die Dons versuchen das gleiche wie wir, Sir.“

      Eine Karavelle war um zwei, drei Kabellängen zurückgefallen. Die beiden anderen holten an Backbord und Steuerbord auf. Sie wollten die Schebecke von beiden Seiten unter Feuer nehmen. Jean Ribault, der an Steuerbord voraus segelte, lehnte mit beiden Armen auf dem Schanzkleid und beobachtete das Manöver mit bloßem Auge. Hasard verließ sich auf ihn, aber seine Spannung wurde nicht geringer.

      Pete Ballie rief Hasard an. „Zuerst die Karavelle an Backbord, Sir?“

      „Ich denke, so ist es besser“, stimmte ihm Hasard zu. „Auf der anderen Seite sind wir gedeckt.“

      Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Karavellen nahe genug heran waren. Ihre Geschütze konnten nur geringfügig auf den Lafetten bewegt werden. Sie konnten nur Breitseiten im rechten Winkel abfeuern, vielleicht einen Strich mehr oder weniger schräg indem sie die schweren Brocken herumwuchteten.

      Al Conroy zündete seine Lunte an. Seine kleine Crew duckte sich hinter dem Schanzkleid. Die Arwenacks an den Schoten warteten ebenso auf Hasards Befehl wie der Rudergänger.

      „Achtung!“ rief Hasard. „Abfallen, Pete! Die Segel …“

      Pete Ballie legte das Ruder Backbord. Die Schoten erhielten Lose, während sich die Schebecke nach Steuerbord überlegte. Als die Masten wieder annähernd senkrecht standen, handelte der Spanier. Ein Schrei tönte über das Wasser, dann zuckten zwei lange Feuerzungen fast gleichzeitig aus den Mündungen der Geschütze. Rauch wallte auf, zwei scharfe Explosionen und das Heulen der Geschosse erschütterten die Luft.

      Wenige Fuß vor der Bordwand stieg eine weiße Fontäne höher als der Großmast in den Himmel. Das zweite Geschoß kreischte in Mannshöhe über Deck und schlug zwischen der Schebecke und der „Isabella“ ins Meer.

      Der Stückmeister berührte mit der rauchenden, funkensprühenden Lunte die Zündlöcher. Er hastete von einer Culverine zur nächsten, vom Heck in die Richtung zum Bug.

      Das erste Geschütz spie seine Ladung mit ohrenbetäubendem Schmettern zum Gegner hinüber.

      Der graue Pulverdampf schwächte die zweite Detonation nicht ab. Eine spitze Flammenzunge fuhr aus dem langen Bronzerohr. Noch während sich die Arwenacks duckten, zündete Al Conroy das dritte Geschütz.

      Auch Pete Ballie schaute hinüber zur Karavelle.

      Ein, zwei Herzschläge nach dem Geschützdonner erschienen im Schanzkleid, in den Planken, im Rigg und den Masten die Wirkungen der Einschläge. Das vierte Geschoß aus Al Conroys Culverinen schlug so dicht an der Bordwand ins Wasser, daß jeder glauben mußte, die Planken unterhalb der Wasserlinie müßten aufgerissen sein. Träge trieben die gewaltigen Rauchwolken zum Bug und nach Norden, dorthin, wohin sich der Bugspriet nach dem nächsten Manöver ausrichtete.

      „Gut so! Zurück auf den alten Kurs!“ schrie Hasard.

      Das Beiboot der Karavelle flog in Trümmern und Splittern auseinander. Zehn Fuß des Schanzkleides waren verschwunden. Der Großmast zitterte und schwankte, knallend brach Tauwerk.

      An der Stelle, an der der Heckaufbau in das Mitteldeck überging, waren die Planken eingedrückt und zeigten weiße Splitter. Das Rohr eines Geschützes zeigte schräg in den Himmel. Jetzt kippte der Großmast mit dem Dreieckssegel nach Backbord, und fast augenblicklich zeigte sich am Bug der Karavelle keine schäumende Bugwelle mehr.

      Al Conroy sprang mit drei Sätzen zum Besanmast der Schebecke, zündete die Lunte der schweren Drehbasse und jagte, ehe die Distanz zu groß wurde, eine Ladung hinüber auf das Deck der Karavelle, das plötzlich leergefegt schien.

      An drei Stellen züngelten kleine Brände, in einem killenden Segel vergrößerten sich die Löcher an den Rändern, und der Wind wirbelte knisternde Funken durch die Luft.

      Die Schebecke nahm binnen weniger Atemzüge wieder Fahrt auf. Gerade als Al Conroy und die Zwillinge auf die Steuerbordseite hinüberliefen und sich unter Tauwerk und Segel duckten, ertönte von der Backbordseite ein gewaltiger Donnerschlag.

      Fast gleichzeitig krachte das erste Geschütz der Steuerbord-Karavelle.

      Al Conroy blieb starr stehen und vergaß, seine Lunte herunterzunehmen.

      Die Fünfundzwanzigpfünder der „Isabella“, dachte Hasard.

      Fast im Ruder, offensichtlich nur ein paar Handbreiten daneben, schlug das Geschoß der Karavelle ein. Die Pinne wurde aus Pete Ballies Fäusten geprellt, aber er sprang nach Backbord und fing sie fluchend wieder ein. Im Lärm sah Hasard nur, wie Pete die Lippen bewegte.

      Jean Ribaults Fünfundzwanzigpfünder traf die Karavelle mittschiffs. Die Arwenacks sahen das riesige Loch nicht, aber sie waren fast enttäuscht, daß sie nicht mehr zu feuern brauchten. Großmast und Besanmast kippten, die Rahruten brachen, das Segel faltete sich langsam zusammen. Das Schiff schien seitwärts zu hüpfen, schüttelte sich, schwankte nach Backbord und Steuerbord und kippte, sich schwer überlegend, nach Steuerbord.

      Aus der Wand von Pulverdampf und Rauch schob sich die „Isabella“ hervor und segelte gleichauf mit der Schebecke.

      Die dritte Karavelle blieb im Kielwasser der Schebecke, und in ihrem Kielwasser stampfte unverändert drohend die waffenstarrende

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