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       8.

      Schweiß stand in großen Tropfen auf der Stirn und lief über das Gesicht. Der Mann fühlte, wie seine Haut zu Eis wurde. Er zitterte wie im Fieber. Sein Gesicht hatte eine grünliche Farbe angenommen. Übelkeit, Angst und die Furcht vor dem Untergang der Welt schüttelten ihn.

      Hernando Ferrer lag auf den Knien, den Oberkörper auf der leeren Koje, sein Körper schüttelte sich.

      Er betete vor Angst, ohne zu wissen, was er tat.

      Aus der Tiefe des Schiffes dröhnten und krachten dumpfe Schläge. Jedes der unzähligen Stücke Holz, aus denen die „Aragon“ zusammengebaut war, rieb gegen ein anderes. Bald würde das Schiff auseinanderbrechen. Alle mußten ertrinken, auch er fand sein Ende in den kochenden, aufgewühlten Wellen des unendlichen Atlantiks.

      Der Mönch schluchzte und betete. Er fühlte sein Ende nahen und starb halb vor Angst.

      Zuerst, kurz nachdem sie die Bucht von Vigo verlassen und den Atlantik unter den Kiel genommen hatten, war es noch nicht so schlimm gewesen. Ihm war nur übel geworden. Was er gegessen hatte – ohnehin nicht viel, weil er fastete –, opferte er unter dem mitleidslosen Grinsen der Kerle den Fischen.

      Je stärker der Wind wurde, je höher die Wellen gingen, und je mehr die Dünung die dickbauchige Galeone hob, den Wolken entgegen und senkte, bis tief unter die Wasserlinie, desto mehr nahmen Todesfurcht und Übelkeit zu. Er mußte sterben.

      In der ersten Nacht hatte der Mönch kein Auge zugetan. Das Rauschen des Wassers, das schauerliche Heulen des Windes in den Segeln und dem Tauwerk, die ununterbrochenen Geräusche hielten ihn wach und führten ihm Stunde um Stunde vor Augen, daß ihn sein Glaube verlassen hatte.

      „Herr! Hilf mir!“ bettelte er und versteckte sein Gesicht in den Händen. „Ich will noch nicht sterben.“

      Das Schiff schwankte nach Steuerbord und nach Backbord, der Bug und das Heck hoben und senkten sich. Bei jedem Geräusch zuckte Hernando Ferrer zusammen und war sicher, daß die Planken auseinanderbrechen und die Masten abbrechen würden.

      Das helle Sonnenlicht am Morgen hatte ihn ein wenig beruhigt. Er war müde geworden und ein paar Stunden in einen unruhigen Schlaf gefallen. Man weckte ihn, als das Seegefecht begann.

      „Alle werden sie sterben“, wimmerte der Mönch leise. Er bedauerte jetzt unausgesetzt, daß ihn der Glaubenseifer auf das Schiff getrieben hatte.

      Daß die Schiffe tatsächlich ausgelaufen waren, sich gesammelt hatten und angriffen, auch das war seine Schuld. Wieder beutelte ein Krampf seinen Körper.

      „Keiner kehrt zurück. Ich sterbe“, ächzte er.

      Der Mönch hatte zugesehen, wie die falschen Spanier die Schiffe binnen kurzer Zeit mit wenigen Schüssen zerstört hatten. Männer waren verletzt worden, andere Spanier starben, ein Schiff versank in der See. Seine Schuld! Der Sturm nahm zu, als die Sonne hinter den Regenwolken verschwand. Die Wellen wurden höher und rauher. Auch das heulende Gurgeln wurde lauter und schnitt in seine Seele wie die Verdammnis der Hölle.

      Regen war vom Himmel geprasselt.

      Die Wellen hämmerten gegen die Planken. Die große Kriegsgaleone war dem Wüten des tödlichen Meeres ausgesetzt wie ein Korken. Auf dem Niedergang vor der Kammer hörte der Mönch wuchtige Schritte schwerer Stiefel. Ein Säbel schlug gegen die hölzernen Verstrebungen. Capitán Torralba Valdez schob sich in den Raum.

      „Nun, wie geht es Ihnen, Padre Ferrer?“ fragte er mit versteinerter Miene. „Es wird allmählich dunkel.“

      „Noch eine Nacht ohne Schlaf“, ächzte der Mönch. Seine Zunge war wie taub, aus dem Magen stiegen ihm bittere Säfte in den Mund. „Ich muß sterben.“

      „Ein Becher Wein wird Ihnen helfen“, versicherte Valdez.

      „Nein. Bitte keinen Wein“, stöhnte Ferrer und fühlte, wie ihn eine Pranke unter der Achsel packte, hochzerrte und auf die Beine stellte. Er klammerte sich an irgendwelchen Griffen fest und schwankte. Seine Augen verdrehten sich.

      „Dann einen Becher guten Rum. Er weckt Tote auf. Er hilft auch Jesuiten“, erklärte Capitán Valdez.

      „Meinetwegen.“

      Der Mönch schwankte, und ihm wurde nicht viel besser, als er auf den Beinen stand. Auch im Liegen war ihm speiübel. Er wollte wirklich sterben, und gleichzeitig wollte er leben. Er stierte aus roten Augen den Capitán an, der sich umgedreht hatte und mit einem Seemann sprach.

      „Eine Karavelle ist gesunken, die andere wird sich mit Notrigg in den Hafen schleppen. Wir können angreifen, Hochwürden“, sagte der Capitán. Seinem Gesichtsausdruck war nicht zu entnehmen, was er dachte.

      „Wie spät ist es?“ lallte der Mönch.

      Ein Mann brachte einen Krug und mehrere Becher. Der Capitán dankte schroff und füllte einen Becher mit stark riechendem Rum. Er hielt das Gefäß, ohne in den harten Bewegungen des Schiffes auch nur einen Tropfen zu verschütten, dem Mönch entgegen.

      Ferrer schloß die Augen und trank den Becher gottergeben in einem Schluck leer.

      Ihm war, als brenne das Feuer der Hölle in seinen Eingeweiden. Er keuchte würgend und rang nach Luft. Seine Augen quollen aus den Höhlen. Er ließ die Griffe los und schüttelte sich.

      „Wollen Sie mich – vergiften?“

      „Es rettet Ihre Seele, Mönchlein“, erklärte der Capitán. Dann fügte er in rauher Sprache hinzu: „In zwei Stunden ist es finster wie im Loch. Ich vermag vieles, aber nicht in finsterer Nacht gegen drei oder mehr Schiffe kämpfen und siegen. Entscheiden Sie sich, Inquisitor.“

      Noch immer schüttelte sich der Mönch unter dem Einfluß des starken Alkohols. Er deutete mit zwei Fingern senkrecht nach oben.

      „Gehen wir hinauf. Was sagen Sie? Zwei Stunden?“

      „Die Zeit wird immer kürzer. Ich sage, daß wir nicht siegen können. Es war von Anfang an ein rechter Unsinn und eine überflüssige Narretei. Gehen wir.“

      Hernando Ferrer folgte dem breiten Rücken des Capitáns. Sie bewegten sich über schwankende Treppenstufen entlang knarrender Wände durch ein Inferno von Geräuschen bis auf das oberste und höchste Deck. Hier stürzte sich der Wind auf den schmächtigen Mönch, wirbelte ihn herum und warf ihn gegen den Capitán. Unter ihm erstreckte sich die tobende Masse ungeheurer Wellen. Es war kalt und feucht. Die Planken glänzten vor Nässe.

      „Dort sind die falschen Spanier“, sagte der Capitán und deutete schräg voraus.

      „Wo?“

      „Sehen Sie genau hin. Drei gut bewaffnete Schiffe stürzen sich auf uns. Sie schießen uns in Fetzen, Hochwürden. Ganz gleich, ob es echte oder falsche Spanier sind.“

      Der Mönch klammerte sich irgendwo fest und stemmte sich gegen den Sturm, der an seiner Kutte riß und zerrte. Noch immer brannten seine Eingeweide von dem starken Rum. Zunächst begriff er nicht, was er sah, dann aber fügten sich die Einzelheiten zu einem Bild, das auch er in seiner Unerfahrenheit verstand.

      Dort segelten die Galeonen in einer Linie.

      An dem hinteren Ende schoben sich die drei anderen Schiffe in schräger Staffelung durch die aufgewühlten Wellen und über die weißen Schaumkämme hinweg. Die Karavelle und die „Aragon“ segelten hintereinander weitab der vielen anderen Schiffe.

      „Angreifen oder abdrehen?“ fragte der Capitán unerbittlich.

      „Wieviel Zeit ist noch?“

      „Reichlich eineinhalb Stunden“, entgegnete der Capitán. An Deck arbeiteten die Männer an den Segeln und richteten die Geschützrohre aus. Ferrer verstand nicht, wie sie sich auf dem schwankenden Schiff halten konnten. Er taumelte hilflos hin und her und klammerte sich an das Schanzkleid.

      „In Gottes Namen“, brachte er schließlich hervor,

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