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zwar die Mundwinkel, schluckte seinen Widerspruch aber ungesagt hinunter. Keine hundertfünfzig Yards trennten die Schebecke noch von der „Salvador“. Sie würde der Galeone unweigerlich in die Flanke donnern. Welches Schiff eine solche Ramming bei stürmischer See besser überstand, blieb dahingestellt – der flachgehende Dreimaster der Seewölfe mit dem kräftigen Vorsteven und der scharfgehöhlten Wasserlinie oder die plumpe Galeone, die so tief im Wasser lag, daß sich die Verschanzungen nahezu auf gleicher Höhe befanden.

      Mit einer Spiere war der Spitzbusen nach Lee ausgebaumt. Das Segel behinderte ein wenig die Sicht, ließ aber zugleich die Dons herzlich wenig von dem erkennen, was an Deck der Schebecke geschah.

      Noch achtzig Yards.

      „Die vermaledeiten Olivenfresser müssen auf beiden Augen blind sein“, behauptete der Profos. „Sie beachten uns überhaupt nicht.“

      „Vielleicht will dieser Mistkerl Don Ricardo endlich eine Entscheidung erzwingen“, sagte Ben Brighton. „Ich traue ihm zu, daß er dabei sogar sein Schiff aufs Spiel setzt.“

      „Nicht jetzt im Sturm und auch nicht, bevor erkennbar wird, daß wir Irland links liegen lassen.“ Hasard schüttelte den Kopf. Er kaute auf seiner Unterlippe. „Den Busen weg!“ befahl er.

      Die Männer hatten wegen des stürmischen Windes sichtlich Mühe mit dem neuen Segel. Bis es endlich niedergeholt war, betrug die Distanz zur „Salvador“ kaum mehr dreißig Yards.

      Hasard blickte starr voraus. Wenn er seine Crew nicht gefährden wollte, mußte er den Befehl zum Abfallen geben. Don Ricardo hatte diesmal die besseren Nerven – oder er ahnte ganz einfach, daß der vermeintliche de Vilches einen entscheidenden Schwachpunkt hatte, daß er nämlich Unschuldige nicht willentlich in Gefahr brachte.

      „Pete!“ rief Hasard.

      In dem Moment wurde auf der Galeone Ruder gelegt. Sie drehte endlich nach Backbord ab.

      Hasards Hände verkrampften sich um den Handlauf der Achterdecksverschanzung. Beide Schiffe glitten fast auf Tuchfühlung aneinander vorbei. Um die Rüsten der „Salvador“ zu berühren, hätte er nur die Arme auszustrecken brauchen.

      Vorübergehend starrten die Kapitäne einander an: Hasard ruhig lächelnd und sich seines Status’ als Sonderbeauftragter des Königs durchaus bewußt, Don Ricardo hingegen wütend, die Mundwinkel ob seiner neuerlichen Niederlage verzerrt und die Hände zu Fäusten geballt.

      „Der Generalkapitän wird bald Rechenschaft fordern“, sagte Ben Brighton, während die Schebecke der „Salvador“ davonlief und zur Wende ansetzte. „Ein Mann wie er steckt nicht immer nur zurück.“

      „Daß wir irgendwann auf Konfrontation gehen würden, war mir von Anfang an klar“, erwiderte Hasard. „Nur der Zeitpunkt ist ausschlaggebend.“

      „Und der ist dir heute lieber als noch vor einigen Tagen“, meinte Ben Brighton.

      „Jede Seemeile näher an London zählt.“

      Der erste vielfach verästelte Blitz spaltete das ferne Firmament. Der Donner war als leises Grummeln zu vernehmen.

      Hasard gab Befehl, das Großsegel aufzutuchen. Die Schebecke hielt danach ungefähr gleiche Höhe mit Don Ricardos Flaggschiff, das auf den alten Kurs eingeschwenkt war.

      Irgend jemand auf der Kuhl lachte herzhaft und bezeichnete den Spanier als einen Hasen, der letztlich davonstob, sobald es brenzlig wurde. Der Seewolf hörte, solche vorschnellen Reden nicht gern, zumal er den Generalkapitän anders einschätzte. Don Ricardo de Mauro y Avila konnte durchaus zum ernstzunehmenden Gegner werden, und das schneller als ihm vielleicht lieb war.

      „Glaubst du, es gibt Ärger, Sir?“ Al Conroy klopfte auf eine seiner Culverinen, von denen die Schebecke je sechs Stück an Back- und Steuerbord führte. Die Geschütze hatten eine beachtliche Rohrlänge von 3,70 Yards und das Geschoßgewicht betrug 17,3 Pfund, genug, um Masten zu kappen und ausgezackte Lecks in gegnerische Bordwände zu brechen.

      „Ein Gefecht wird der Generalkapitän nicht riskieren“, sagte Hasard. „Zumindest nicht, bevor er unsere wahren Absichten durchschaut.“

      Es begann zu regnen.

      Aus einzelnen dicken Tropfen, die klatschend auf den Planken zersprangen, wurde eine wahre Sintflut. Als hätte der Himmel sämtliche Schleusen geöffnet, ergoß sich das Wasser aus den tief hängenden Wolken.

      Die Schiffe stampften und schlingerten, und von einem Moment zum anderen hingen die Segel schlaff und triefend von den Rahen. Nur ein leiser Zug wehte noch, zu gering, als daß er das nasse Tuch hätte füllen können.

      Das Meer, einmal aufgewühlt, blieb jedoch so stürmisch bewegt wie zuvor.

      Auf den meisten Schiffen hantierten Mannschaften mit Planen und leeren Fässern, um den Trinkwasservorrat aufzubessern.

      Dumpfer Donnerhall rollte in nicht enden wollendem Stakkato über den Atlantik. Die Blitze zuckten nun rundum auf, als strebten mehrere Gewitter nach Vereinigung.

      Irrlichternde, blendende Helligkeit raste plötzlich über die Flotte hinweg, gefolgt von dem schmetternden, ohrenbetäubenden Dröhnen eines nahen Einschlags. Wer zufällig nach Backbord querab blickte, glaubte zu sehen, daß das Meer aufloderte. Jedenfalls behaupteten nicht wenige Männer später, sie hätten Flammen von den Wellen aufsteigen und sich in Masthöhe vereinen sehen, gefolgt von aufstiebender, zerstäubender Gischt. Der Lärm war schlimmer, als wäre ein Dutzend Vierundzwanzigpfünder gleichzeitig in allernächster Nähe abgefeuert worden.

      Das Gewitter verharrte über dem Konvoi. Blitze sorgten für eine gespenstische Szenerie und rissen die Schiffe immer wieder wie Schlaglichter für winzige Augenblicke aus der sie einhüllenden Düsternis.

      Das unstete Flackern und die Geräuschkulisse erinnerten an ein nächtliches heftiges Gefecht. Nur der Pulverdampf fehlte, der in einem solchen Fall erstickend über dem Wasser hing.

      Dem schmetternden Einschlag folgte eine neue gleißende Lichtflut, begleitet von einem scharfen, peitschenden Knall und dem splitternden Bersten von Holz.

      Vorübergehend wußte niemand, was geschehen war. Doch dann loderte inmitten des Chaos aus Licht und Dunkelheit eine Fackel auf, neigte sich und taumelte in einer Wolke aufstiebender Funken der Kuhl der „Santos los Reyes Mayos“ entgegen. Glimmende Segelfetzen verfingen sich zwischen Tauen und Wanten, aber die Flammen fanden wegen der herrschenden Nässe keine neue Nahrung und erloschen von selbst.

      Ein Blitz hatte in die Großstenge der Galeone eingeschlagen, sie bis zum Mars der Länge nach aufgespalten, hatte das Rack der Untermarsrah aus der Verankerung gebrochen und diese mit ungestümer Wucht zersplittert, wobei die Spiere als auch das Untermarssegel sofort Feuer fingen.

      An Deck entstand vorübergehend Wuhling, als die Spanier wie aufgescheuchtes Federvieh durcheinanderstoben und sich bemühten, die ohnehin von selbst erlöschenden Glutnester auszuschlagen.

      Einige Kerle kappten nicht nur die Untermarsbrasse und andere Taue, um die kokelnde, vom Blitz verkohlte Rah über Bord zu werfen, sie vergriffen sich in ihrem Übereifer auch an Pardunen und Stengestag und wurden erst schlauer, als die kläglichen Reste der Stenge als Splitterregen auf sie niedergingen.

      Der Seewolf beobachtete das Geschehen auf der nahezu querab liegenden „Santos los Reyes Mayos“ durchs Spektiv. Der Blitz schien keine ernsteren Schäden verursacht zu haben. Offenbar war er in den am höchsten aufragenden Mast eingefahren wie der Teufel in die arme Seele eines Sünders und hatte ihn über die Rah wieder verlassen.

      Sven Nyberg, Decksmann auf der Schebecke, reagierte völlig aufgelöst und war leichenblaß. Krampfhaft klammerte er sich an einem straffgespannten Manntau fest.

      „Habt – habt ihr das gesehen? Es war für einen Moment, als hätte sich der Himmel aufgetan – nein, die Hölle, es muß die Hölle sein. Dieses lodernde Feuer, diese Helligkeit …“

      Er redete schnell und beinahe unverständlich und vor allem, ohne dabei Atem zu holen. Zudem verfiel er mehrmals in seiner dänischen Muttersprache,

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