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      Seine Pranke, groß wie eine Bratpfanne und genauso hart, streifte den Ersten, als der den Degen schon fast aus der Scheide hatte. Salcho verlor den Boden unter den Füßen, aber nicht das Bewußtsein. Sein Magen wurde von einer unerfindlichen Kraft nach unten gedrückt, von derselben Kraft, die seinen Kopf gegen einen Deckenbalken schmetterte, und schon ging es wieder abwärts, knickten die Knie unter der unerwarteten Belastung ein und glitt der Degen dummerweise wie von selbst bis zum Handschutz in die Scheide zurück.

      Salcho wollte protestieren, doch da sauste die Bratpfanne wieder auf ihn zu. Von der anderen Seite diesmal. Vergeblich versuchte er auszuweichen. Der Aufprall wirbelte ihn einmal um die eigene Achse und ließ ihn unzählige Sterne sehen sowie ganz nahe vor sich einen abgrundtief häßlichen, von Narben übersäten Vollmond – mit Rammkinn.

      Bis sein durcheinandergeschütteltes bißchen Verstand begriff, daß der Mond normalerweise nicht aus einem Grinsen bestand, war es erneut zu spät. Den Degen zu ziehen, war ihm wirklich nicht vergönnt, obwohl er sich alle Mühe gab. Aber was half das schon gegen zwei zusammenschlagende Becken, deren Klang seinen Körper bis in die letzte Muskelfaser durchdröhnte?

      Das Dröhnen, Klirren und Scheppern zerfetzte seine Trommelfelle. Plötzlich war alles totenstill. Miguel Salcho sah, daß der häßliche Riese die Lippen bewegte, nur hörte er nichts mehr.

      Was wollte der Kerl denn noch von ihm?

      Santa Maria, flehte der Erste in Gedanken, beschütze mich vor diesem Monstrum. Laß mich meinetwegen taub bleiben, aber hilf mir!

      Wie durch einen Schleier hindurch sah er den Profos an der Decke hantieren. Gleich darauf polterte die eiserne Lampe zu Boden.

      Bis Salcho sich darüber klar wurde, daß er das Poltern wirklich gehört hatte, hing er bereits an dem nun freien Haken unter der Decke und durfte hilflos mit Armen und Beinen rudern.

      „Schön, nicht?“ sagte der Profos. „Da oben tritt dir keiner versehentlich auf die Füße.“

      Bernardo de Murcia kriegte von alledem wenigstens vorerst nichts mit. Tucker hatte ihm schlicht und einfach beide Fäuste unters Kinn gesetzt, und nun schlief der Bedauernswerte zusammengekrümmt in der Mulde in Don Ricardos Lotterbett, die Carberrys Achtersteven deutlich sichtbar hinterlassen hatte.

      Aber nicht nur, daß die Arwenacks selbst wenig Spaß hatten, weil ihre Gegner so schnell alle viere von sich streckten, sie brachten sogar den Generalkapitän um das Vergnügen, de Vilches in den Bauch zu pieksen. Fechten konnte Don Ricardo, das mußte man neidlos zugestehen. Die Frage war nur, ob Hasard sich zurückhielt oder ob beide wirklich ebenbürtig waren.

      „Ich wette auf Don Julio“, sagte Mac O’Higgins unvermittelt.

      Carberrys Rammkinn klappte haltlos nach unten. Er starrte den Iren an, als hätte er eben ein neues Weltwunder entdeckt.

      „Was ist?“ drängte Higgy. „Hältst du mit? Zehn Achterstücke!“

      Der Profos schnappte nach Luft. Dann ließ er ein halb ersticktes Gurgeln vernehmen.

      „Du willst, daß ich auf diesen hochnäsigen Schafsbock Ricardo setze?“

      „Ungefähr so dachte ich mir“, bestätigte O’Higgins.

      Das war letztlich doch zuviel. Sogar für einen Kerl wie Ed Carberry.

      „Judas!“ zürnte er. „Verkaufst deinen Kapitän für lausige zehn Achterstücke …“

      Higgy wollte schon auf zwanzig erhöhen, immerhin war er sich seiner Sache sicher, aber das Funkeln in Carberrys Augen verriet ihm, daß Schweigen momentan mehr einbrachte. Auf jeden Fall keine ausgeschlagenen Zähne.

      Einiges vom Inventar der Kapitänskammer war bereits zu Bruch gegangen, der Rest würde unweigerlich folgen. Ein Degenhieb schlitzte den Baldachin über dem Lotterbett der Länge nach auf und verwandelte den schweren Stoff in einen jämmerlichen Fetzen, der gerade noch zum Ausstopfen von Spundlöchern taugte.

      Hasard und der Generalkapitän lieferten sich ein erbittertes Duell. Während Don Ricardos Attacken aber zunehmend heftiger wurden, beschränkte sich der Seewolf mehr auf die Verteidigung. Irgendwann mußte selbst ein verbohrter Affenarsch wie Ricardo de Mauro y Avila das spitzkriegen und entsprechend reagieren. Nur schien er eben noch verbohrter zu sein, als die Arwenacks angenommen hatten.

      Don Juan bereitete dem Zweikampf ein Ende, indem er die Pistole hob, die er de Murcia abgenommen hatte, und auf den Generalkapitän zielte.

      „Geben Sie auf, Don Ricardo!“ erklärte er. „Auf diese Distanz kann ich nicht danebenschießen.“

      Wenigstens wußte der Capitán, wann er verloren hatte. Schwungvoll stieß er die Klinge vor sich in die Planken.

      „Und was nun, de Vilches? Glauben Sie nur nicht, daß Sie und Ihre Schnapphähne mit heiler Haut von Bord gelangen.“

      „Der ist verrückt“, stieß Ferris Tucker prustend hervor. „Oder besessen von der fixen Idee, es überall mit Halsabschneidern und sonstigem Lumpenpack zu tun zu haben. Wahrscheinlich bezichtigt er auch noch Philipp III. der Mittäterschaft.“

      Hasard stieß den Generalkapitän mit der Degenspitze vor die Brust. „Ich nehme Sie hiermit fest, Don Ricardo de Mauro y Avila. Sie werden die weitere Überfahrt nach Irland als Gefangener unter Deck meiner Schebecke verbringen und sofort nach unserer Rückkehr nach Spanien vor ein Kriegsgericht gestellt. Sie unterstehen dem Kriegsrecht in voller Konsequenz. Was das bedeutet, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären.“

      „Nein“, sagte Don Ricardo tonlos.

      Der Seewolf achtete nicht darauf.

      „Die Anklage bezichtigt Sie der Meuterei, der Anstiftung zur Meuterei sowie der Befehlsverweigerung aus Eigennutz, ferner der Ehrabschneidung, begangen an einem Sonderbeauftragten Seiner Majestät. Selbstverständlich sind Sie ab sofort Ihres Amtes als Kapitän enthoben.“

      „Sie verstehen mich falsch“, sagte Don Ricardo.

      Hasard griff nach dem Degen des Spaniers und zog ihn ruckartig aus den Planken.

      „Was war daran mißzuverstehen?“

      „Nichts“, gestand der Generalkapitän. „Aber zu meiner Verteidigung werde ich ausführen, daß ich ausschließlich aus lauteren Motiven so handelte.“

      „Sie werden Zeit genug haben, darüber nachzudenken“, sagte Hasard. „Aber vermutlich wird das Urteil auf Todesstrafe lauten. Zu vollziehen durch den Strick oder die Garotte.“

      Es war erstaunlich, zu sehen, wie selbst ein aggressiver, rechthaberischer Mann wie Don Ricardo seine Fahne nach dem Wind hängte. Offenbar paßte endlich in seinen Dickschädel hinein, daß Don Julio wirklich derjenige war, als der er sich ausgab.

      „Ich war übervorsichtig“, murmelte er.

      „Ein Idiot, um es genau zu sagen“, bestätigte der Profos.

      „Selbstverständlich führe ich den Konvoi nach Irland, wenn Seine Majestät es von mir verlangt.“

      „Das klingt schon weitaus besser“, sagte Hasard. „Wir brauchen jeden, der zuzupacken versteht. Als Gefangener würden Sie mir eher zur Last fallen.“

      „Heißt das, Sie verzichten auf eine Anklage?“

      „Sagen wir, ich räume Ihnen die Gelegenheit ein, sich für Ihre Meuterei zu rehabilitieren, Don Ricardo. Fassen Sie das ruhig als großherzige Geste auf. Bei aller Meinungsverschiedenheit, mir ist nicht daran gelegen, Sie tot zu sehen, sondern ich will einzig und allein das Gold und Silber aus der Neuen Welt in sicherer Obhut wissen.“ Und das war es in London, in den Händen der königlichen Lissy allemal. Hasard drehte den Degen in der Hand und hielt ihn dem Generalkapitän hin. „Ihre Waffe“, sagte er. „Sie verstehen ausgezeichnet, damit umzugehen.“

      „Ich hoffe, wir werden nie gezwungen sein, die Klingen miteinander zu kreuzen.“

      Da klang dieses unterschwellige Mißtrauen wieder

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