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auf die Stapel der Ladung, die langsam und lustlos an Deck gehievt wurden. Wenigstens schienen alle Fässer schon gefüllt und verstaut zu sein.

      „Wir hatten ein paar schöne Stunden“, sagte er noch lauter und drängender. „Sie sind inzwischen vorbei. Die anderen warten schon viel zu lange.“

      Der Gouverneur tauchte zwischen nassen Hauswänden auf. Aus einer anderen Gasse erschienen die Wachen oder Soldaten, die sich bisher im Castillo aufgehalten hatten.

      Hasard drehte sich herum und schrie Befehle.

      „Packt an! Hievt das Zeug an Bord! Laßt eure Kameraden nicht hungern!“

      Jetzt begriffen auch die anderen Kapitäne und Offiziere, daß ihr Aufenthalt ein Ende gefunden hatte.

      „Los, schneller!“ rief Hasard. „König Philipp wartet nicht gern, bloß weil ihr Kerls euch besaufen müßt!“

      Nur langsam geriet mehr Bewegung in die Männer. Die Kapitäne stiefelten in würdevollen Schritten zu ihren Schiffen, gefolgt von den Offizieren. Dann besannen sie sich und gaben ihrerseits einigermaßen klare Befehle.

      Die Offiziere liefen auseinander und steuerten die Eingänge der Schenken an.

      „Na endlich“, brummte Hasard.

      Er ging auf den Gouverneur zu und erklärte: „Wenn Sie auch noch Ihren Leuten befehlen, uns zu helfen, dann sind wir in einer Stunde aus dem Hafen, Señor de Roda.“

      „Selbstverständlich, mein lieber de Vilches“, entgegnete der Kleine leutselig. „Männer, wenn ihr schon gut verdient, dann helft den wackeren Seeleuten.“

      Widerwillig gehorchten die Kerle.

      Hasard sah sich das Treiben einige Minuten lang an. Die ersten Seeleute verließen die Schenken. Einige hatten verschleierte Klüsen und schwankten verdächtig, aber sie gehorchten den Befehlen der Offiziere. Einer nach dem anderen gelangte auf irgendeine Art an Bord, oft packten die Kameraden mit an und zerrten ihn über das Schanzkleid. Wenn es Hasard schaffte, daß die „Salvador“ als erste ablegte, war schon vieles gewonnen.

      Ein Blick zur Schebecke: dort standen eineinhalb Dutzend Seewölfe an Deck und signalisierten, daß sie jedem Zwischenfall gewachsen sein würden. Die meisten Männer waren bewaffnet, und als Hasard den dünnen Rauch aus El Conroys Lampe sah, an der er oft seine Lunten zu entzünden pflegte, stieg seine Beruhigung.

      „Dankenswerterweise hat uns der königliche Zoll nicht belästigt“, meinte er zum Gouverneur. „Man würde auch auf unseren Schiffen nichts finden. Alle Kisten sind frei von Konterbande. Es muß geheim bleiben, daß wir Santander anlaufen. Haben wir uns verstanden?“

      Don Jaime grinste und rieb seine rote Knollennase.

      „Selbstverständlich. Ich werde vergessen, daß Sie alle jemals hier waren.“

      Er lachte Hasard strahlend an. Seine gute Laune war selbst durch die kalten Stöße des Windes nicht zu beeinträchtigen, der die Hänge hinunterstrich und das Hafenwasser aufwühlte.

      Vor dem Heck der „Salvador“ blieb Hasard stehen und hob die Hände an den Mund.

      „Fertig zum Ablegen, Kapitän?“ rief er zur Kampanje hinauf.

      Noch schaukelten einige Säcke und schwere Körbe an den Tauen. Blöcke kreischten, und einige Männer enterten in die Wanten.

      „Wir sind in einer halben Stunde klar, Don Julio.“

      Bei diesem Wind würde es alles andere als einfach sein, die Galeonen gut vom Kai abzubringen. Hasard zählte die Fischerboote, griff in den Gurt und zog ein paar Silberreales heraus.

      „Sicherlich ist Ihr Einfluß auf die wackeren Fischer groß, Don Jaime?“ erkundigte er sich. Die Geldstücke in seiner Hand klirrten verheißungsvoll. Ein Trupp Spanier mit offenen Jacken und stark nach Wein riechend tappte an ihnen vorbei und verholte sich zur „Honestidad“. Die Stapel am Kai wurden deutlich kleiner.

      „Sie gehorchen mir aufs Wort“, tönte der Gouverneur. „Wollen Sie frischen Fisch kaufen?“

      „Wir haben Fisch satt. Nein“, erwiderte Hasard. „Ein Fischerboot soll die Leinen übernehmen und die Galeonen ins Fahrwasser schleppen.“

      Der Gouverneur winkte einen Boten heran, sprach mit ihm, und Hasard ließ die Münzen in dessen Hand klingeln.

      „Starke Kerle“, sagte er. „Und ein Boot mit einem Dutzend Rudergasten. Die Galeonen sind höllisch schwer beladen. Der König, seine Majestät und Graf Lerma, sie haben uns nicht nur große, sondern schwere Verantwortung aufgebürdet.“

      Er blinzelte den Gouverneur an. Der Zwerg reckte sich stolz. Er war sicher, nicht nur Zeuge, sondern auch Beteiligter an einem staatswichtigen Unternehmen zu sein.

      „Das ist leicht zu schaffen“, versprach er begeistert. „Sehen Sie nur. Schon gehen die Fischer aufs Boot.“

      Inzwischen kriegten die Geitaue der „Salvator“ Lose. Seeleute rutschten über die Rahen. Die Festmacher wurden gelockert. Der Umstand, daß die „Salvador“, das Flaggschiff des Konvois, zum Auslaufen bereit war, trieb die Decks- und Segelmannschaften der anderen Galeonen zu größerer Eile an.

      Hasard ging das alles noch immer viel zu langsam. Als er den Kopf drehte, sah er zwei unterschiedliche Vorgänge.

      Jeder davon erschreckte ihn. Wieder stieg seine Unruhe.

      Inmitten von etwa zwanzig bewaffneten Wachen in den königlichen Kleidungsstücken, mit Degen und Pistolen ausgerüstet, schritten der Stadtgeistliche und der Mönch auf die Schebecke zu.

      Während in blitzschnellen Manövern die Schebecke ablegte und die langen Riemen stehend von Deck aus eingesetzt wurden, während man die Festmacher an Bord holte, schwang sich Don Juan de Alcazar mit einem weiten Satz auf den Steg.

      Schon befanden sich drei Fußbreit Wasser zwischen Steuerbordplanken und Steg. Die Schebecke legte ab.

      Auch Vigo war mehrmals von englischen Piraten heimgesucht worden. Gleichermaßen, so hatte Don Jaime La Roda erzählt, suchten Schiffe von den fernen Inseln des seltsamen Landes America bisweilen diesen Hafen auf. Die Straßen bis zur ehemaligen Grenze Portugals und in den Norden waren gut. Aus diesen und anderen Gründen unterhielt Vigo eine kleine Garnison, deren Kanonen jedoch noch keine heldenhaften Gefechte hinter sich hatten.

      Aber es gingen Ängste um an Spaniens Küsten, und nicht nur vor den Engländern. Man munkelte, daß Spione an Land setzten und versuchten, die Stärke der Schiffe und deren Anzahl zu melden, und wären es nur angeworbene Söldner, die mit den Wassergeusen in Verbindung standen.

      Für jeden Spion waren sechs schwerbeladene Schiffe in geheimem Auftrag, die ausgerechnet Vigo anliefen, eine Herausforderung.

      Darüber hinaus waren alle Seeleute gottlos und eine Schande für die Kirche – etwa diese Gedanken wirbelten durch den Kopf des Hernando Ferrer, des einunddreißigjährigen Priesters der Inquisition.

      Er bildete sich viel auf seinen scharfen Blick ein, geschult in den Bibliotheken, in deren Büchern man viel zwischen den Zeilen lesen konnte. Das Schiff voller Spanier, die helle Augen und Langschädel hatten, war sein erklärtes Ziel. Irgend etwas stimmte nicht.

      Was es war, konnte er sich nicht vorstellen. Aber sein geschliffener Verstand arbeitete mit der Intuition eines Mannes, der Abweichler vom Glauben jagte und ein scharfes Auge für ein seltsames Benehmen hatte.

      Er hatte hartes Brot gegessen, den Wein mit Wasser verdünnt und in stillem Nachdenken gewartet, bis er nicht mehr vor Kälte schlotterte und sich in die zweite, trockene Kutte hüllen konnte. Dann suchte er den Pfarrer auf und zielte mit seinem langen Zeigefinger auf dessen Brust.

      „Bruder im Amt“, sagte er kühl und selbstsicher, „jetzt mußt du mir helfen.“

      Don Ginestra nickte schweigend.

      „Ich hörte fremdländische Worte auf dem Schiff. Wenn ich nicht irre …“

      „…

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