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die schweren Wolken. Der Lärm der Ladevorgänge hallte von den vielen Hausfronten wider. Im kabbeligen Wasser zerrten alle Schiffe an ihren Vertäuungen.

      Die bewaffneten Wächter wanderten, ohne irgendwo einzugreifen, im Hafengelände herum und unterhielten sich mit den Seeleuten. Am Rand der Kaianlagen stapelten sich leere und volle Behälter. Überall waren spanische Seeleute zu sehen, die sich gierig mit Essen vollstopften.

      Der Lärm von vielen Gesprächen, Gelächter, gebrüllte Befehle und das Klirren von Flaschen und Bechern aus den offenen Türen erfüllte die gesamte Hafengegend. Er war lauter als die Glocke im Kirchturm.

      „Wo bleibt Hasard? Es wird langsam brenzlig“, fragte sich Don Juan laut. „Und ich kann der ‚Salvador‘ nicht befehlen, augenblicklich die Leinen loszuwerfen und auszulaufen.“

      „Die sind ohnehin lange noch nicht klar“, erwiderte Big Old Shane.

      Die drei Seewölfe waren unschlüssig. Auf keinen Fall würde die Crew dem Abgesandten der Inquisition das Betreten der Schebecke gestatten. Don Juan ließ offene Ungeduld erkennen. Die Männer, die eben noch an den Geschützen des Castillo hantiert hatten, waren jetzt verschwunden. Auf den landeinwärts gelegenen Teil der Stadt prasselte ein kurzer Regenguß nieder. Es blieb trübe, ebenso wie die Stimmung der drei Seewölfe am Kai.

      Das Essen und die Getränke, die Don Jaime La Roda aufgefahren hatte, waren der sichere Beweis dafür, daß er gut zu leben verstand. Er schien ein angenehmer Mann zu sein, der seine Arbeit mit möglichst wenig Aufwand betrieb. Die Kapitäne und die beiden Arwenacks waren satt, aber keineswegs zufrieden. Diesmal verständigten sich Ben Brighton und der Seewolf durch ein kurzes Nicken. Hasard stand auf und nahm den Becher hoch.

      „Don Jaime“, sagte er feierlich, „wir alle bedanken uns für das köstliche Essen. Die heiteren Reden bei Tisch haben uns die Zeit vergessen lassen. Entschuldigen Sie uns. Wir müssen zurück, die Pflicht ruft. Die geheime Order, der wir folgen, duldet keinen Aufschub.“

      Don Ricardo von der „Salvador“ betrachtete den Tisch, als wäre er noch längst nicht satt. Dann stand auch er zögernd auf.

      Don Jaime schwenkte das Glas und rief durch den großen Raum: „Ich begleite Sie, Señores! Die tapferen Seeleute unserer Majestät sollen Vigo in guter Erinnerung behalten.“

      „Schon jetzt spricht jeder begeistert von der Gastfreundschaft Vigos und seines Statthalters“, erklärte Ben Brighton ruhig. „Ich trinke auf Ihr besonderes Wohl, Don Jaime.“

      Der Lärm in den engen Gassen, der durch die Fenster in den überheizten Raum drang, schien zu beweisen, daß der Proviant für die Schiffe angeliefert und an Deck gebracht wurde. Hasard war es ebenso wie Ben Brighton gelungen, bis jetzt die nagende Unruhe zu unterdrücken und so zu tun, als würden sie jede Minute im Kreis der Spanier genießen. Er war ziemlich sicher, daß die Seewölfe die Schebecke inzwischen einwandfrei verproviantiert hatten.

      Diener rissen die Tür auf. Das Kaminfeuer prasselte laut, aus dem Holz schlugen große Flammen. Ein Windstoß drückte den Rauch durch den Kamin zurück.

      Hasard und Ben schnallten ihre Waffen und Pistolengurte um. Sie warteten, bis die anderen soweit waren. Dann verließen sie den überhitzten Raum, eilten die Stufen hinunter und traten aufatmend ins Freie.

      Hasard sagte drängend: „Zum Schiff. Schnell!“

      Roger Brighton tauchte zwischen zwei Häusern auf, lief auf den großen Platz und sah die beiden, ehe er unter den ersten Regentropfen unter einer Arkade Schutz suchte. Er winkte hastig. Die Seewölfe eilten ebenfalls zu der Arkade.

      „Mein Bruder sieht aus, als habe er uns etwas über Schwierigkeiten zu erzählen“, flüsterte Ben. „Das kann nur bedeuten …“

      Draußen schüttete der Regen herunter. Die Spanier vor den Häusern rannten in den Schutz von Vordächern und Arkaden.

      Roger Brighton hob kurz die Hand und sagte leise, aber in scharfem Tonfall: „Don Juan meint, wir kriegen Ärger mit einem Mönch von der Inquisition.“ Und dann fügte er hinzu: „An Bord alles klar, Sir. Die Proviantlasten sind voll. Gutes Zeug, kein verdammter Fisch.“

      Hasard nickte ihm zu. Nebeneinander marschierten sie im Schutz der Gewölbe auf jene Gasse zu, die vom Platz zum Hafen führte.

      „Inquisition? Ein Mönch?“ fragte Hasard verblüfft.

      „Der neben der Schebecke ins Hafenwasser klatschte, und zwar genau dort, wo es am dreckigsten ist.“

      „Wenigstens eine gute Nachricht“, meinte Ben Brighton leichthin.

      Sie warteten einige Atemzüge lang, bis der Regen nachließ. Dann fragte Hasard: „Was ist so wichtig an diesem einzelnen Mönch?“

      „Die Inquisition durchsucht alle Schiffe nach verbotenen Büchern. Er sagt, daß wir ablegen müssen, sobald er wieder auftaucht. Außerdem trödeln die Spanier herum.“

      Hasard nickte und versicherte grimmig: „Das wird ihnen gleich vergehen, Freunde.“

      „Hoffen wir’s.“

      Die Seeleute der spanischen Schiffe drängten sich in den Schenken. Die Seewölfe versuchten im Vorbeilaufen, die Menge zu zählen. Es waren vermutlich mehr als nur etliche Dutzend.

      Hasard fluchte innerlich. Die Kapitäne würden erstens ihre liebe Not haben, und zweitens dauerte es noch länger. Ihm brannte die Zeit auf den Nägeln. Er dachte an Jean Ribault und Arne von Manteuffel. Der andere Teil des Konvois wartete auf den Proviant – eine zusätzliche Schwierigkeit.

      Genau in dem Augenblick, als die vier Arwenacks die letzten flachen Steinstufen hinunterstiegen und sich vor ihnen der Hafen ausbreitete, hörte der Regen auf. Die Wolken rissen auseinander. Ein schräges Band greller Sonnenstrahlen traf die Stadt und einen Teil des Hafens.

      Als Hasard sein Schiff sah, atmete er beruhigt auf.

      Don Juan stand zusammen mit dem Profos und Big Old Shane neben dem Heck der Schebecke auf dem Steg. Er winkte erleichtert.

      „Hast du dem Gouverneur gesagt, wohin unser Konvoi segelt?“ fragte er, als Hasard neben ihm stand. An Deck herrschte Ordnung. Die Crew stand bereit, mit Hilfe der Riemen abzulegen und das Schiff in die freie Ausfahrt zu pullen.

      „Ja. Angeblich ist unser nächster Zielhafen der von Santander. Mehr weiß er nicht. Don Ricardo und seine Señores waren einigermaßen verwundert. Aber sie schwiegen eisern.“

      „Kein Wunder. Ist ja eine geheime Order. Unseren braven Schatzgaleonen-Offizieren gefällt es in Vigo.“

      „Mir auch“, knurrte Old Shane. „Auch ohne das Bier mit Don Juan.“

      Hasard wendete sich an seinen Ersten und sprach leise auf ihn ein. In Spanisch, weil die Kapitäne der „Honestidad“ und der „Concordia“ zu nahe gelangt waren.

      „Du hast das Kommando. Wenn ich ein Zeichen gebe, legt ihr ab und verlaßt den Hafen. Alles klar, Señor?“

      „Si, Capitán“, schnarrte der Erste. „Wie nicht anders gewohnt, sind unsere Männer wieder einmal die schnellsten gewesen. Die anderen sollten sich ein Beispiel nehmen.“

      „Genau!“ dröhnte der Profos.

      Die Arwenacks enterten über die Planke an Deck, warfen sie auf den Steg und warteten. Der Wind wirbelte die Wolken über das Land und schob sie zusammen. Die Sonne verschwand. Die graue, feuchte Stimmung breitete sich wieder über Vigo und der Ria aus. Das Inselchen San Simon verschwand vor der Einfahrt in einem dunkelgrauen Dunststreifen.

      Mit einem Dutzend schneller Schritte war Hasard bei Kapitän Don Ricardo. Er warf den Offizieren Salcho und de Murcia auffordernde Blicke zu und sagte herablassend: „Darf ich daran erinnern, daß Ihre Schiffe schon viel zu lange hier liegen? Denkt keiner an die ‚Reputación‘ und die Männer, die auf hoher See hungern? Holen Sie Ihre halb betrunkenen Kerle aus den Tavernen, Capitán. Sofort!“

      Don Ricardo schüttelte irritiert den Kopf.

      „Warum

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