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lange Zeit unterwegs gewesen waren.

      „Holt eure Würste aus dem Rauchfang!“

      „Wir brauchen Wasser. Und Wein.“

      „Rieche ich frisches Brot aus dem Bäckerofen, Hombre?“

      „Habt ihr gutes Wasser in Vigo?“

      Die Gruppe der Kapitäne war nicht größer als ein Dutzend Personen. Die weißen spanischen Kragen bildeten Farbtupfer vor der dunklen, wolkenverhangenen Kulisse des Hafenstädtchens. Von den Schiffen hörte man die Kommandos, nach denen die leeren Fässer aus den Laderäumen der Galeonen hochgehievt wurden.

      Hasard wandte sich an einen erwachsenen Mann, der so aussah, als sei er zu den Hafenwachen zu zählen.

      „Señor“, bat er, „zeigen Sie uns den Weg zum Amtssitz des Gouverneurs?“

      „Gern. Folgt mir. Sind nur ein paar Schritte. Woher kommt ihr?“

      Bevor noch ein anderer antworten konnte, drehte sich Hasard um, legte den Zeigefinger an die Lippen und erwiderte: „Der Hafen, aus dem wir ausliefen, und unser Ziel sind beide strengster Geheimhaltung unterworfen. Wir segeln für seine Allerkatholischste Majestät und dürfen nichts sagen. Wie heißt der Gouverneur? Ist es noch Don Jaime?“

      „Ja, Don Jaime La Roda. Ein gerechter, guter Statthalter.“

      Hasard winkte Don Ricardo zu. „Besuchen wir den Herrn über Hafen und Kastell, Señores.“

      Etwas steifbeinig in ihren hohen Stiefeln, mit klirrenden Degen, folgten sie dem hochgewachsenen, schwarzhaarigen Mann mit den eisblau blitzenden Augen – einer seltsamen Augenfarbe für einen Spanier.

      Der Mann aus Vigo zeigte zu den verwinkelten Gassen und vielen alten Häusern, die sich zusammendrängten und miteinander durch viele Erker, Bögen, Treppen und Stege verbunden waren.

      „Unser uraltes Fischerviertel. Hier finden Ihre Seeleute die feinsten Schenken. El Berbés nennen wir den alten Stadtteil. Ihr seid fremd in Vigo, nicht wahr?“

      „So ist es“, antwortete Miguel Salcho, der Erste der „Salvador“. „Und wir legen sofort wieder ab, wenn wir Essen und Wasser haben. Gibt es bei euch Schwierigkeiten?“

      „Keine größeren, Señor.“

      „Gut zu hören“, brummte Hasard.

      Schon nach einigen hundert Schritten durch die Stadt, die langsam erwachte, befanden sie sich auf dem großen Platz, der Plaza Mayor. Sie war fast an allen Stellen von schwungvollen Arkaden gesäumt. Struppige Bäume, an denen nur noch wenige vertrocknete Blätter zitterten, umstanden den Platz.

      Ein langgestrecktes, zweistöckiges Gebäude sprang in der Mitte der Fläche auf seinem Sockel aus Bruchstein einige Fuß weit vor. Ein prächtiges Portal, mehrere geschmiedete Balkongitter und Fahnen, die feucht und schlaff von den Masten hingen, ließen erkennen, daß es wohl der Sitz des Statthalters war.

      „Dort finden Sie Don Jaime, unseren verehrten Gouverneur“, sagte der Mann. „Vielleicht schläft er noch, unser guter Don.“

      „Dann wird es uns nicht schwerfallen, ihn zu wecken“, erklärte der falsche Don Julio de Vilches. „Wohlan, Señores.“

      Ein nächtlicher Regenguß hatte das dunkle Pflaster zu einer glänzenden Fläche werden lassen. Durch ein paar flache Pfützen stiefelten die Spanier auf das Portal zu. Vigo war, wenigstens stellte es sich jetzt so dar, ein verschlafenes Nest, in dem es überall nach Wein und noch mehr nach Fisch roch. Ein Hund bellte die Männer an, als sie an das rissige Holz der Türflügel klopften.

      Fensterläden und Türen öffneten sich ringsum klappernd. Wassergüsse zischten auf das Pflaster. Irgendwo keifte eine Frau. Mit leisem Knarren wurde ein Türflügel geöffnet.

      Hasard und Don Ricardo blickten in ein verschlafenes, unrasiertes Gesicht, das einem alten Mann gehörte, der einen zerknitterten Hut trug.

      „Buenas dias“, sagte Hasard. „Die Señores Kapitäne und ich möchten mit Don Jaime sprechen.“

      „Ich verstehe Sie nicht“, erwiderte der Alte.

      „Gouverneur Don Jaime La Roda!“ schrie Don Ricardo mit fahlem Gesicht und roter Nase. „Schnell, Mann.“

      „Jawohl, Señor Capitán“, murmelte der Alte zahnlos, drehte sich um und verschwand in einer düsteren Halle.

      Langsam und zögernd traten die Spanier ein.

      „Diese Stadt befindet sich nicht im Verteidigungs- oder Kriegszustand, soviel ist sicher“, sagte Hasard laut und versuchte einen Scherz.

      Innerhalb des Gebäudes wurde es lebendig: Tritte, knallende Türen klirrende Becher und halblaute Befehle. Dann wurden ein paar Fensterflügel aufgerissen, und das trübe Tageslicht drang in die Halle. Große Bilder hingen an den Wänden, eine Treppe führte aufwärts, in den Ecken standen kleine Kanonen, kaum größer als die Drehbassen.

      „Gleich bin ich für Sie bereit“, donnerte eine tiefe, tragende Stimme von oben. „Geduld, verehrte Señores.“

      „Eine Löwenstimme“, meinte Ben Brighton zu Hasard. „Und eine gemütliche Residenz.“

      Die Spanier betrachteten gelangweilt und hungrig die würdigen Señoras und Señores, die auf den Ölbildern in den schweren Rahmen dargestellt waren. Nicht eine Person davon war ihnen bekannt. Ein farbenprächtiger Teppich lag unter den Beinen eines riesigen Tisches und vieler hölzerner Sessel.

      Endlich stieg ein unordentlich angezogener, kleiner Mann die Treppe hinunter, breitete die Arme aus und rief: „Willkommen, die Señores! Ich habe mir erlaubt, einen Imbiß bereiten zu lassen. Willkommen! Kommt bitte herauf.“

      Die Löwenstimme gehörte zu einem Zwerg, nicht größer als fünf Fuß. Er verbeugte sich vor den Männern, deutete zur Treppe und war von überströmender Höflichkeit.

      „Gestatten Sie, Gouverneur, daß wir uns vorstellen“, begann Don Ricardo. „Wir brauchen dringend für neun Schiffe Proviant und Wasser. Und vielleicht ein Fäßchen Wein dazu.“

      Der Gouverneur schüttelte die Hände und rief begeistert: „Bestes, frisches Wasser von den Quellen der glücklichen Hügel – ihr werdet unser Vigo-Wasser mit Genuß trinken!“

      Don Jaime führte die Gäste die Treppe hinauf und in seine Räume. Eine Tafel war schon gedeckt, Mägde und Diener hasteten herum. In Vigo schien jede Unterbrechung des täglichen Einerleis mit Begeisterung aufgenommen zu werden.

      „Und wie steht es mit Proviant? Wir haben noch etliche Tage einer langen Reise vor uns“, sagte Hasard. „Ich habe Order, die Schiffe möglichst schnell und natürlich sicher zum Zielhafen zu bringen. Dazu gehört, die Proviantlasten wieder zu füllen. Wenn der Gouverneur den Proviant nicht herbeischafft, dann kaufen wir, was wir brauchen, von den Bauern. Lerma und unser König Philipp haben genaue Anweisungen erteilt.“

      Don Jaime wies ihnen Plätze zu und setzte sich an das Kopfende der Tafel. Die Spanier schnallten die hinderlichen Waffengurte ab und hängten sie über die Sessellehnen.

      „Sie werden alles empfangen, was Sie brauchen“, beteuerte der Gouverneur. „Ich habe schon nach den Boten geschickt.“

      Frisches Brot verbreitete seinen herrlichen Geruch. Die Diener brachten heiße, dünne Schokolade und gossen sie in die Becher. Butter und Käse wurden aufgefrischt, und aus der Küche ertönte das verheißungsvolle Klappern von Geschirr.

      „Wir können nicht drei Tage in Vigo liegen, trotz eurer angepriesenen Schenken und Bodegas“, sagte Ben Brighton. „Danke für das reichhaltige Frühstück.“

      Die Spanier fingen zu tafeln an, als hätten sie seit zwei Monaten nichts zwischen den Zähnen gehabt. Je mehr sie abbissen und kauten, desto wacher wurden sie. Die Unterhaltung wurde lauter und drehte sich natürlich nur um die Erlebnisse, Gefechte und Verhältnisse auf See.

      „Ich spüre es in den Knochen“, dröhnte der kleine

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