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Camoiras. Wer von den anderen ebenfalls an Bord gehen will, soll dir helfen.“

      Für einen Moment war er abgelenkt, weil er den Blick über die Verschanzung schweifen ließ. Camoiras nutzte die winzige Zeitspanne, um sich nach vorn zu schnellen. Er riß den Dolch aus seinem Gürtel und warf sich auf den Kapitän.

      „Nimm das für Vincente, meinen Bruder. Du hast ihn in den Tod geschickt …“

      Ein Schuß peitschte auf.

      Angel Camoiras blieb so abrupt stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens erschien auf seinem Gesicht. Er wollte etwas sagen, doch brachte er keinen Laut mehr über die Lippen. Seine Finger öffneten sich, der Dolch klirrte auf die Planken. Unendlich langsam sank er in die Knie und schlug der Länge nach hin.

      Miguel Pigatto hielt da die Pistole schon wieder auf Hasard gerichtet.

      „Verschwinden Sie, ehe ich die Beherrschung verliere und Sie ebenfalls erschieße! Ich werde nach Spanien segeln, Capitán de Vilches, ob Ihnen das genehm ist oder nicht. Und ich werde Sie wegen Anstiftung zur Meuterei anklagen.“

      „Wenn Sie glauben, das tun zu müssen, ich hindere Sie nicht daran“, sagte Hasard. „Aber kümmern Sie sich vorher um die Pulverkammer.“

      Pigatto lachte schrill.

      „Sie legen mich nicht rein, de Vilches, noch dazu mit dem gleichen Trick, den schon dieser Wahnsinnige versucht hat.“ Er deutete auf Camoiras. „Wenn wirklich Gefahr bestünde, würden Sie und Ihre Leute kaum seelenruhig auf den Berghölzern warten. Verschwinden Sie!“

      Hasard wußte, wann er verloren hatte.

      „Zurück zur Schebecke!“ forderte er seine Mannen auf.

      „Du kannst doch nicht das viele Gold und Silber …“ Carberry zog instinktiv den Kopf ein, als der nächste Schuß peitschte. „Du kannst wirklich.“

      Hinterher behauptete er steif und fest, er hätte die Kugel unmittelbar an seinem linken Ohr vorbeipfeifen hören, und wer ihm nicht glauben wollte, dem drohte er fürchterliche Dresche an.

      Sie sprangen in die Jolle und griffen sofort nach den Riemen. Auch die Spanier pullten, was das Zeug hielt. Falls noch immer keiner der auf der „Respeto“ zurückbleibenden Männer kapierte, was die Stunde geschlagen hatte, war ihnen absolut nicht mehr zu helfen.

      Hasard blickte stumm zur Galeone zurück.

      „Warum so schweigsam?“ fragte Don Juan.

      „Vielleicht hätte ich Pigatto anders anfassen müssen“, sagte der Seewolf bedrückt. „Immerhin stehen fünf Menschenleben auf dem Spiel. Ich muß mir selbst vorwerfen, nicht alles in meiner Kraft Stehende versucht zu haben, um sie zu retten.“

      „Laß dir seinetwegen keine grauen Haare wachsen.“ Der Profos spie in hohem Bogen aus. „Pigatto ist einer von denen, die du nie überzeugen kannst. Er hat sein wahres Gesicht rechtzeitig gezeigt – Kerlen wie ihm folgen Leid und Tod auf dem Fuß.“

      Ein Fauchen wie von einem chinesischen Brandsatz war zu vernehmen, nur um etliches lauter. Aus der achteren Geschützpforte der „Respeto“ zuckten mannslange Stichflammen hervor, begleitet von dichtem, schwerem Pulverqualm.

      „Es geht los!“ sagte der Profos.

      Urplötzlich schien sich das gesamte Heck der Galeone aufzublähen. Für die Dauer eines einzigen Lidschlags wuchs das Schiff auf das Doppelte seiner Größe an, dann brachen die Verbände und Planken auseinander und gaben den Blick frei auf ein bizarres Muster aus Glut und Flammen, das die Zwischenräume ausfüllte.

      Dann erst rollte der Explosionsdonner heran, gefolgt von einer fauchenden Druckwelle.

      Das Achterschiff der „Respeto“ wurde aus dem Wasser gelüftet. Höher als die Masttoppen wirbelten Balken und ganze Schottsegmente hinauf, und ein Regen brennender kleiner Trümmerstücke ging im Umkreis nieder.

      Zum Glück hatte die Galeone tief im Wasser gelegen, so daß der Druck vor allem nach oben gerichtet wirkte. Die Schebecke und die anderen Schiffe blieben deshalb vom Feuer weitgehend verschont. Wo dennoch glühende Spieren und kokelnde Taustücke niedergingen, waren die Mannschaften sofort zur Stelle.

      Die „Respeto“ war mitten auseinandergebrochen. In einem schneller werdenden Sog, eingehüllt von Dampf und Gischt, sackte der Bug weg. Die Trümmer des Achterschiffs trieben brennend auf der Wasseroberfläche.

      Obwohl es wenig Sinn hatte, nach Überlebenden der Katastrophe zu suchen, ließ sich Hasard nochmals mit der Jolle hinpullen. Auch von den anderen Galeonen wurden Boote ausgeschickt. Aber schon sehr bald stellten sie die Suche wieder ein.

      Der Seewolf hatte es eilig, den Konvoi neu zu formieren und unter Segel gehen zu lassen. Dennoch vergingen beinahe zwei Stunden, bis dann endlich die Übernahme der „Respeto“-Crew auf die anderen Galeonen geregelt war.

      Während dieser Zeit und auch für den Rest des Tages standen verstärkte Wachen auf der Schebecke und suchten vor allem die östliche Kimm ab. Aber nicht einmal Dan O’Flynn entdeckte Segel im Dunst der heraufziehenden Nacht …

      ENDE

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       1.

      Philip Hasard Killigrew alias Don Julio de Vilches hatte an diesem Morgen wieder einmal ein deutliches Gefühl des Unbehagens. Er konnte sich selbst nicht erklären, was diese innere Unruhe hervorrief. Nach der furchtbaren Explosion, von der die „Respeto“ zerrissen worden war, hatte sich der Konvoi wieder neu formiert und segelte weiter.

      „Neun verdammte Silberschiffe“, murmelte Hasard im Selbstgespräch. Der kräftige Wind riß ihm die Worte von den Lippen. „Ob sie jemals heil in London eintreffen, das mag der Teufel wissen.“

      Der Schiffsverband befand sich außerhalb der Sicht von Land. Bei besserem Wetter würde man vielleicht die Gipfel der Cordillera Cantabrica an Steuerbord sehen.

      „Wer ist der nächste?“ fragte sich der Seewolf leise und richtete das Spektiv auf die „Salvador“.

      Er ahnte – auch das war ein Teil seiner steigenden Besorgnis –, daß im vorletzten Monat des Jahres die Stürme aus der Biscaya eine zusätzliche Gefährdung für die Schiffe darstellten. Immerhin war jedes Schiff auf seine Weise nicht gerade neu und zumindest ebenso gefährdet wie die unglückliche „Respeto“ oder die „Nobleza“, die verschollen blieb und wahrscheinlich zu den Opfern des großen Raids gezählt werden mußte.

      Auf der „Salvador“ schien alles in Ordnung zu sein. Hasard sah die weißen Schaumkronen der Atlantikwellen und hoffte, der Wind würde so bleiben und nicht stärker werden. Hinter sich hörte er Schritte, er drehte sich um, und seine Augen begegneten dem Blick des Kutschers.

      Der mittelgroße Mann fuhr in leichter Verlegenheit durch sein dunkelblondes Haar.

      „Was gibt’s?“ fragte Hasard ruhig.

      Der Kutscher zwinkerte mit seinen blauen Augen.

      „Sir“, begann er und griff nach einem Tau, „da ist etwas, das man nicht vergessen sollte.“

      „Ich bemühe mich, nichts zu vergessen“, entgegnete Hasard. „Neuer Ärger, diesmal bei uns, unter Deck?“

      Der Kutscher schüttelte den Kopf und lächelte zurückhaltend. Er deutete vage in die Richtung der neun Schiffe und meinte: „Ich wäre nicht sonderlich überrascht, Sir, wenn sich bei dem einen oder anderen Schiff Schwierigkeiten mit Proviant und Wasser herausstellen sollten. Ist ja schon verdammt lange her, seit sie gebunkert haben.“

      Der Seewolf dachte nach und nickte schweigend. Dieses Problem hatten sie alle vorübergehend aus den Augen verloren. Die dramatischen Ereignisse, die einander fast ohne Unterbrechung abgelöst

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