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Nacht erfolglos heim.

      Diese frische Wagenspur hat niemals Aufklärung erfahren. Die Überzeugung einer Flucht des Königs, wobei Gudden gewaltsam mitentführt worden wäre, nahm im Gedanken an die Wünsche der Kaiserin Elisabeth so feste Formen an, daß die Untersuchung der Felspartien im Garten, wo ein Absturz des Königs immerhin denkbar gewesen wäre, nur oberflächlich vorgenommen wurde und man glaubte, die Flucht des Königs sei gelungen.

      Da fand plötzlich ein Diener den großen schwarzen Filzhut des Königs mit der Diamant-Agraffe bei dem Wege, ganz in der Nähe des Wassers, im Schilfe liegend.

      Das lenkte mit Schrecken die Aufmerksamkeit auf den See. Man fand auch den Rock des Königs im Wasser, nicht allzu weit von dem Hut, und der Fischer Liedl von Berg (der mir die folgenden Mitteilungen selbst machte) bestieg ein Boot, um suchend an dem Park entlang zu fahren.

      Es mochte ein Uhr in der Nacht sein, als er plötzlich eine menschliche Gestalt dicht am Ufer im See, und kaum über den Wasserspiegel heraussehend, in kauernder Stellung gewahrte. Der Kopf war vornüber gesunken.

      Es war die Leiche Guddens.

      Mit größter Mühe hob er den toten Körper in das Boot, denn die Beine steckten bis an die Knie tief im lehmigen Boden des Sees.

      Kurz darauf – nicht weiter als etwa 20 Fuß entfernt, gewahrte er nun einen zweiten Körper im See treibend, mit dem Kopf nach unten.

      Es war der König, den er mit äußerster Anstrengung gleichfalls in das Boot zog. Hierbei waren ihm einige Leute aus dem Schloß behilflich, die unterdessen mit Booten angelangt waren.

      Die Leichen wurden an das Ufer gebracht, und Dr. Müller machte sofort Wiederbelebungsversuche.

      Er war jedoch so erschüttert, daß er das Gefühl hatte, unfähig hierzu zu sein, und eilends einen Wagen nach Starnberg schickte, um den Bezirksarzt Dr. Heiß, meinen Hausarzt, zu holen.

      Dieser sagte mir, daß auch er fast unfähig gewesen sei, die Versuche anzustellen. Er habe immer wieder bei dem Horchen nach einem Herzschlag sein eigenes, stark klopfendes Herz gehört und sei zwischen Hoffnung und Zweifel hin- und hergeworfen worden, bis er schließlich die Vergeblichkeit seiner Arbeit habe einsehen müssen.

      VII.

      Meine Feststellung der Vorgänge bei Entdeckung der Spuren des Kampfes.

      Ich beschloß nun an der Unglücksstelle, die mir genau bezeichnet worden war, selbst nachzuforschen, um den Tatbestand des Vorgangs nach Möglichkeit festzustellen.

      Unterdessen war es heller Tag geworden, es mochte vier Uhr gewesen sein, und die hervorbrechende Sonne ließ durch das klare Wetter den Seegrund am Ufer genau erkennen. Da aber ein frischer Wind wehte, so war Eile nötig. Die Bewegung in dem Wasser mußte die Spuren auf dem Grunde bald verwischen.

      Der Fischer Ernst ruderte mich an die Stelle, wo eine Bank vom Wasser aus sichtbar war. Hier hatten der König und Gudden am Abend gesessen. Von hier aus mußte sich der König in den See gestürzt haben, denn das Schilf und das niedere Weidengebüsch, das zwischen dem Weg, an dem die Bank steht, und dem Strande wächst, war niedergedrückt. Hier hatte der Hut gelegen. Der Rock des Königs, den er in Guddens Händen ließ, als dieser den Versuch machte, ihn zu halten, lag etwas weiter im Wasser.

      Zur Situation muß ich bemerken, daß der Strand des Sees unmittelbar hinter dem niedern Gebüsch und Schilf aus einem Streifen von Kieselsteinen besteht, der etwa fünf Fuß Breite hat. Dann beginnt das Wasser. Aber es zieht sich von dort ab der Seegrund ganz allmählich flach, aus gelbem, lehmigem Sand bestehend, wohl 20 Fuß hin, ehe er plötzlich, fast senkrecht, zu sehr großer Tiefe abfällt. Ein Mensch kann also in dem See etwa 8–10 Schritte machen, ehe das Wasser ihm zur Brust reicht. Alsdann vermag man noch einige Schritte zu gehen, ehe der Grund unter den Füßen verschwindet.

      Ich verfolgte vom Boot aus die durch das klare Wasser im hellen Sande noch genau sichtbaren Fußspuren des Königs und Guddens. Ein Irrtum war in dieser Hinsicht nicht möglich, da die Leichen durch Fischer Liedl und die in Booten zur Hilfeleistung gekommenen Schloßdiener aus dem See direkt in die Boote gehoben und sodann bis zu dem Landungssteg am Schloß gefahren worden waren. An der Unglücksstelle war niemand, bevor ich kam, in den See gegangen. Hut und Rock des Königs lagen dicht am Ufer im seichten Wasser. Es ergab sich nach meiner Feststellung folgendes Bild:

      Von dem Wege oder der Bank aus zeigte das geknickte Schilf den Weg, den der König nahm, während Gudden ihm folgte. Im Wasser erreichte Gudden den König und faßte ihn am Rock.

      Hier waren die Fußeindrücke auf einem Raum von etwa vier Fuß im Durchmesser ganz durcheinander sichtbar. Der König hat sich hier unzweifelhaft gegen Gudden gewehrt und ihm wohl die Wunden an der Stirn beigebracht.

      Als der König nun, um sich von Gudden frei zu machen, seinen Rock fallen ließ, machte er einige Schritte tiefer in das Wasser, während Gudden ihm folgte.

      Es liefen hier zwei Fußspuren nebeneinander her – nicht weiter als etwa sechs Schritt.

      Dann wurden wieder zahllose Fußspuren auf einer Stelle von ungefähr fünf Fuß im Durchmesser sichtbar: in der Mitte davon befanden sich zwei Löcher.

      Hier hatte Gudden geendet.

      Der König mußte sich seiner entledigen, wenn er fliehen oder sich das Leben nehmen wollte, und in diesem Bewußtsein hatte er den ihm auf den Fersen folgenden Arzt am Halse gefaßt und ihn unter das Wasser mit so dämonischer Gewalt gedrückt, daß der große, starke Mann bis an die Knie im Lehmboden versank.

      Die Strangulationsmarken hatte ich an seiner Leiche gesehen. Unter dem Wasser mag die Erstickung schneller erfolgt sein, als es auf festem Boden möglich gewesen wäre.

      An dieser Stelle hat das Wasser den Kämpfenden etwa bis an den Gürtel gereicht.

      Von hier ab führte die Fußspur des Königs, der sich nun "frei" fühlte, in senkrechter Stellung zum Ufer, in den See. Mit großen Schritten, fast wie diejenigen eines Menschen, der läuft, war der König in das tiefe Wasser gegangen.

      Der letzte Eindruck war hart am Rande sichtbar, wo der Grund steil – wohl an hundert Fuß – abfiel. Und schon da, wo dieser Eindruck sichtbar war, hat selbst ein großer Mann keinen Grund mehr.

      Es muß sich also der König gewaltsam unter das Wasser gedrückt haben. Er wollte nicht schwimmen – sonst wäre dieser Eindruck nicht gewesen; er wollte auch nicht fliehen – sonst hätte er leicht nach der Ermordung Guddens das Tor von Leoni erreichen und Hilfe bei den dortigen Fischern erlangen können.

      Die vielfach noch jetzt übliche Annahme, der König, welcher ein ausgezeichneter Schwimmer war, habe sich durch Schwimmen retten wollen und sei dabei ertrunken, ist falsch. Die Eindrücke seiner Füße führten senkrecht vom Ufer weg an Stellen, wo er keinen Grund hatte. Dieses Faktum schließt jede andere Annahme als den beabsichtigten Tod absolut aus. Eine wahnsinnige Willensstärke gehört dazu, als guter Schwimmer im Ertrinken unter Wasser zu bleiben und nicht die Oberfläche mit ein paar Stößen zu erreichen!

      Ich stand so sehr unter dem Banne dieser merkwürdigen, sprechenden Fußspuren, daß ich einige Stunden später noch einmal an die Stelle mit dem Boot zurückkehrte, um nochmals den merkwürdigen Anblick zu haben – aber das Wasser hatte bereits die unheimliche Schrift verwischt, und so hatte denn niemand außer mir in diesem merkwürdigen Buche gelesen. Der Schrecken, das Entsetzen hatte alles gelähmt, was in Berg war. Als ob das Schloß, die Umgebung, der Park, mit dem König gestorben waren. Nichts rührte sich, als ich lange Zeit dort umherwandelte. Es war genau, als sei alles ein langer, unwahrscheinlicher Traum gewesen.

      Ich fand auch keine Seele bei der traurigen Stätte am See, weder als ich das

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