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Lola hatte angeboten, ihr Zelt mit Battle zu teilen, schließlich wären sie mit ihm nur zu dritt. Ein Zelt für vier Personen müsste für sie drei doch locker ausreichen, hatte sie argumentiert. Doch Battle hatte mit der Ausrede abgelehnt, dass üblicherweise nur die Hälfte der vom Hersteller angegebenen Personen bequem Platz in so einem Zelt fanden. Er hatte gemeint, sie solle sich glücklich schätzen, ein wenig mehr Luft für sich und ihren Sohn zu haben.

      Als sie ihre Zeltreihe erreichten – ihre Zelte lagen direkt nebeneinander – schlug Battle vor, die Chance auf Ruhe zu nutzen, denn wenn die Kämpfe erst einmal begonnen hatten, konnte es Tage dauern, bis sie wieder Schlaf bekamen.

      Sawyer schob die Eingangsluke auf und verschwand. Lola und Battle blieben allein in der Gasse zwischen den Zelten zurück. Es war still, nur das leise Flattern gespannten Nylonstoffs im Wind und das Rascheln durstiger, sterbender Blätter der Seifenbäume auf dem nahe gelegenen Felsvorsprung war zu hören.

      »Ich glaube, du hast vorhin bei ihr eine Grenze überschritten«, sagte Lola sanft.

      Battle legte den Kopf schief. »Wie denn das?«

      »Die Sache mit dem Vertrauen«, sagte sie. »Jeder hat ein Recht darauf skeptisch zu sein, ohne dafür verurteilt zu werden, Marcus.«

      Battle lachte. »Einige vielleicht«, sagte er, »aber bestimmt nicht alle.«

      Lola schaute zu Boden. »Masochismus ist nicht gerade anziehend«, erwiderte sie und trat einen Schritt näher an Battle heran. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, zog ihn an den Schultern nach vorne und küsste ihn auf die Wange. Dabei errötete sie.

      »Ich mache jetzt ein Nickerchen, so wie du vorgeschlagen hast«, sagte sie und begab sich in ihr Zelt, ohne darauf zu warten, dass ihr sprachloses Gegenüber reagierte.

      Battle stand einen Moment lang vollkommen regungslos da. Es war so schnell passiert und er hatte sich der Situation einfach hingegeben, ohne sich ihr zu entziehen. Was bedeutete das?

      »Es bedeutet, dass du auch nur ein Mensch bist.« Sylvias Stimme war zurück. »Es bedeutet, dass du nicht ganz verloren hast, wer du bist.«

      Hastig öffnete Battle sein Zelt und kroch hinein. Obwohl ihn der beruhigende, sanfte Blauton des Innenraums umgab, legte sich seine Aufregung kein bisschen. Er zog seine Stiefel aus und warf sie achtlos in die Ecke. Sie wirbelten Staub auf, als sie erst auf den Boden und dann auf die straffe blaue Nylonwand trafen.

      »Du hörst mir nicht zu«, meldete sich Sylvia erneut zu Wort. »Sie sagt dir, was sie empfindet, sie möchte offenbar eine emotionale Verbindung mit dir, Marcus. Daran ist nichts auszusetzen.«

      Marcus versuchte Sylvia zu ignorieren und konzentrierte sich stattdessen auf das, was Paagal zu ihm gesagt hatte, bevor sie wütend verschwunden war. Sie hatte Sun Tzu mit Bedacht zitiert. Sie musste diese Passage aus einem ganz bestimmten Grund gewählt haben. Das war kein Zufall gewesen.

      Sie hatte gewollt, dass er im Groben wusste, was ihr Plan war, ohne dass es so aussah, als würde sie seinen Forderungen nachgegeben. Sie wollte nach außen hin stark und entschlossen wirken. Das war eine kluge Herangehensweise, musste Battle sich eingestehen. Baadal und die anderen konnten nur eine starke Führung respektieren, die sich stets weigerte nachzugeben.

      Hätte sie ihm ihre Pläne direkt nach seiner Beschwerde geschildert, hätte es für die anderen so ausgesehen, als hätte sie wider besseres Wissen nachgegeben. In Nullkommanichts hätte es sich daraufhin im Lager verbreitet, dass Battle Paagal dazu gebracht hatte, sensible Informationen preiszugeben.

      Sie hätte dadurch schwach und machtlos gewirkt, er dagegen stark und mächtig. Die Dweller hätten sich daraufhin gegen sie wenden können, um stattdessen ihm zu folgen, sich ihm zu unterwerfen und für ihn zu sterben.

      Battle saß auf der schwammigen Matratze, die den größten Teil seines Zeltes füllte, und zog die Knie an die Brust. Er saß im Schneidersitz, schlang die Arme um seine Beine und hielt sie mit verschränkten Händen fest. Er wiegte sich langsam vor und zurück und dachte an die Unterhaltung in Paagals Zelt an diesem Morgen.

      Er erinnerte sich wieder an das hypnotische Geräusch des Regens auf dem Zeltstoff, an das atmosphärisch rote Leuchten, das den Raum erfüllt hatte und auch an Paagals ruhige Bestimmtheit. Sie hatte ihm schon zu diesem Zeitpunkt zu verstehen gegeben, dass der Krieg zu ihren Bedingungen beginnen würde.

      »Die ganze Zeit seit dem Waffenstillstand«, hatte sie gesagt, »haben wir Undercover-Zellen aufgebaut. Sie haben unter dem Kartell in den von Ihnen genannten Städten gelebt und gearbeitet. Jede dieser Zellen hat wiederum sehr sorgfältig Verbündete rekrutiert, und alle sind bereit, loszulegen, sobald wir ihnen ein Zeichen geben. Wir können das Kartell besiegen. Sie sind genau zur richtigen Zeit hierhergekommen.«

      Sie hatte ihnen das Zeichen gegeben. Die Viruszellen, die sie in das Kartell implantiert hatte, waren zum Leben erwacht. Sie breiteten sich aus. Sie taten, was das Kartell am wenigsten erwartete, und griffen sie ohne Vorwarnung auf ihrem eigenen Territorium an.

      Paagal war schlau. Battle hörte auf, sich vor und zurück zu wiegen, lockerte den Griff um seine Beine und fiel zurück auf die Matratze, die nach Schimmel und Schweiß roch und nur mäßig angenehmer war als der schmutzige Felsboden. Aber sie würde ihren Zweck erfüllen, und er hatte schon an schlimmeren Orten geschlafen.

      Er drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Battle versuchte sich das Chaos in den großen Städten des Kartells auszumalen. Er lächelte bei der Vorstellung und dachte weiter darüber nach.

      Irgendwann fiel er in einen leichten Schlaf und wog ab, wie wahrscheinlich es war, dass sie tatsächlich gewannen. Sie hatten eine gute Chance auf den Sieg, zumindest aber darauf, das Kartell so weit zu schwächen, dass sie es auf die andere Seite des Walls schaffen konnten.

      ***

      Felipe Baadal saß Paagal nun in ihrem Zelt gegenüber. Sie biss die Zähne aufeinander und klopfte mit den Fingerknöcheln ungeduldig auf den Schreibtisch. In der halben Stunde, seit Battle sie beinahe zum Explodieren gebracht hatte, hatte sie kein Wort zu ihm gesagt. Aber Baadal war insgeheim genauso begierig darauf, ihre Pläne zu erfahren wie Battle.

      »Was liegt überhaupt jenseits des Walls?«, fragte er. Er versuchte sich über einen Umweg dem eigentlichen Punkt zu nähern. Das Klopfen von Paagals Knöcheln auf dem Tisch verstummte. »Warum willst du das wissen?«

      »Ich bin halt neugierig«, gab er zu. »Ich habe niemals darüber nachgedacht, doch jetzt will Battle auf einmal auf die andere Seite. Ich frage mich, was er dort vorfinden wird.«

      Paagal stützte sich auf ihre Ellenbogen auf und seufzte. »Was er dort vorfinden wird, kann ich dir nicht sagen«, erklärte sie. »Es kommt nämlich darauf an, wo genau er den Wall überquert, und es hängt auch von der Tageszeit ab. So viele verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle.«

      »Du warst schon drüben?«, fragte Baadal. Wie es aussah, hatte er das Gespräch ins Laufen gebracht. »Du warst also auf der anderen Seite?«

      »Zweimal«, sagte sie. »Und das war mehr als genug.«

      Baadal runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen?«

      »Du hast den Wall also noch nie überquert?«, fragte Paagal zurück. »Ich hätte gedacht, dass du als Scout auch nördlich davon unterwegs gewesen bist.«

      Baadal senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

      »Battle wird nicht das dort finden, was er sich vorstellt«, erwiderte sie, und ihr Blick ging über Baadals Schulter hinweg in die Ferne. »Es ist …«

      »Es ist wie

      Paagal wirkte plötzlich abwesend. Vielleicht war sie in Gedanken gerade jenseits des Walls und betrachtete dort Dinge, die sie so schnell nicht wiedersehen würde. Vielleicht dachte sie aber auch an den bevorstehenden Krieg. Baadal fuchtelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. Sie blinzelte träge und zwang sich in die Gegenwart zurück; in die Enge ihres Kommandozeltes.

      »Entschuldige bitte«, sagte sie. »Es ist nicht leicht,

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