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nach vorne. Die Haut war weiß und glatt und unversehrt.

      »Wie hast du das gemacht«, knurrte er sie an, seine gelben Augen leuchteten gefährlich im Schein der Laterne.

      »Ich weiß nicht«, erwiderte sie unwirsch und versuchte, sich aus Fenrirs unerbittlichem Griff zu befreien. »Ich hab nicht drüber nachgedacht.«

      »Du warst mir von Anfang an nicht geheuer«, sagte Fenrir. »Es steckt mehr hinter dieser harmlosen Maske. Du verbirgst etwas.«

      Jerina gab ihre Versuche, sich zu wehren, auf.

      »Du sprichst Worte, die auf dich selbst zutreffen, Waldläufer. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig.«

      Zu Kronas Erstaunen ließ Fenrir Jerinas Handgelenk los, drehte sich um und ging den Gang hinunter.

      »Momentchen«, sagte Krona. »Stop. Alle. Fenrir, warte.« Sie sah von einem zum anderen.

      »Es sind hier gerade ein paar Sachen passiert, für die ich keine Erklärung habe. Aber wir stecken mittendrin. Es ist weder Zeit noch Ort, um sich anzufeinden. Wer also den Auftrag abbrechen möchte, soll das jetzt tun und zurückgehen.«

      »Das wird kaum möglich sein«, meldete sich Pintel zu Wort. »Der Rückweg ist versperrt. Ich hab’s versucht, während das Wasser stieg, um uns einen Fluchtweg bereitzuhalten. Ich wollte diese Tür öffnen, aber sie rührte sich nicht, und es erschien eine Schrift, Vorwärts immer, rückwärts nimmer oder so. Ich glaube, wir müssen das bis zum Ende durchstehen. Etwas Ähnliches hat Onkel Mandor ja auch gesagt, wenn ich mich recht erinnere.«

      »Von mir aus«, sagte Krona. »Dann hat keiner von uns eine Wahl. Vielleicht erhöht das die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Können wir gehen?«

      »Ja«, sagte Pintel sofort.

      »Ich warte nur, bis du deine Rede beendet hast, Hauptmann«, sagte Fenrir.

      »Sie ist beendet«, erklärte Krona. »Jerina, heb den Schlüssel auf. Jetzt stell dich nicht an, du hast ihn die ganze Zeit in der Hand gehabt. Gehen wir.«

      Ihr Weg erstreckte sich dunkel und in leichter Linkskurve, senkte sich dann und lieferte die Gruppe schließlich in einer lang gestreckten Höhle ab. Lichtfäden leuchteten im Gestein und ließen eine ruhige Wasseroberfläche glitzern. Auf der anderen Seite des Sees führte ein erleuchteter Gang aus der Höhle hinaus.

      »Nicht schon wieder«, stöhnte Pintel. »Ich bin gerade trocken.«

      »Schaut mal«, sagte Fenrir und zeigte mit dem Finger auf einen nassen, abschüssigen Uferstreifen. Pfützen standen dort in den natürlichen Unebenheiten des Felsgrundes. »Ich denke, das Wasser unten kam von hier. Der See stand vor kurzem noch bis zur Wand, aber jetzt können wir auf dem Uferstreifen entlang gehen.«

      »Und wozu brauche ich dann Glück und Geschick?«, sagte Krona. »Das scheint mir zu einfach.«

      »Ich befürchte, deine Frage wird sich bald von selbst beantworten«, erwiderte Fenrir düster.

      »Ich gehe voran«, erbot sich Pintel. »Ich bin wahrscheinlich der Geschickteste von uns.«

      »Aber du kannst dich kaum alleine verteidigen«, widersprach Krona. Pintel blinzelte ihr zu.

      »Wie süß von dir, dass du dir Sorgen machst. Aber ich komme schon zurecht.«

      »Na gut. Geh nicht weiter als bis ans andere Ufer, damit wir dich im Blick behalten.«

      »Alles klar.« Pintel hüpfte auf den Uferstreifen.

      »Womöglich ist es auch gar keine Prüfung, sondern einfach nur ein Wasserspeicher«, drang seine helle, vom Echo verzerrte Stimme zu ihnen. »Ich meine, es musste irgendwo einen geben, und vielleicht ist er sogar natürlichen Ursprungs … ups!«

      Letzteres bezog sich auf einen Stein, der sich unter seinem Stiefel löste und hinunter ins Wasser rollte, wo er mit einem Platschen aufschlug. Pintel ruderte kurz mit den Armen, behielt aber das Gleichgewicht.

      »Aufpassen!«, rief Krona unnötigerweise. »Wer weiß, was in diesem Teich wohnt.«

      »Ich falle nicht rein! Es ist nur sehr glitschig hier, und es liegt jede Menge Geröll herum, und die Lichtfäden sind zwar toll, aber taghell ist trotzdem anders …« Pintels Worte gingen in einen Aufschrei über. Dort, wo der Stein ins Wasser gerollt war, begann die Wasseroberfläche plötzlich zu brodeln. Wellen entstanden, breiteten sich aus und schlugen klatschend gegen das felsige Ufer. Ein Schatten zeichnete sich unter der Wasseroberfläche ab, beängstigend groß, er näherte sich Pintels Position, der wie angewachsen da stand und ihn mit offenem Mund anstarrte.

      »Lauf!«, schrie Krona. »Pintel! Lauf!«

      Es war zu spät. Der Schatten hatte sich dem Ufer bis auf sieben oder acht Schritte genähert und verharrte dort im tiefen Wasser, doch von seiner Position aus schnellte etwas wie Beine oder Tentakel empor, einen glitzernden Tropfenregen hinter sich her ziehend, und jetzt endlich kam Bewegung in den kleinen Zauberer. Er warf sich zur Seite, und die Tentakel schlugen krachend gegen die Höhlenwand. Der Aufprall klang metallisch, und nun, als die seltsamen Gliedmaßen sich suchend in der Luft bewegten, wurde sichtbar, dass sie in einzelne Segmente gegliedert waren, deren Oberfläche dunkel schimmerte. Pintel war dem Angriff gerade noch entkommen. Auf Händen und Füßen versuchte er, den gegenüberliegenden Gang zu erreichen. Sie hörten seine Stiefel hektisch auf dem Fels schaben, als er nach Halt suchte, doch der Schatten im Wasser begleitete ihn. Wie die Beine einer scheußlichen Spinne verfolgten die seltsamen Gliedmaßen ihr Opfer, und nur Augenblicke später verschwand Pintels kleine Gestalt in einem Gewirr von Tentakeln.

      Pfeile lösten sich schwirrend von Fenrirs Bogensehne, doch sie prallten von der Oberfläche des Wesens ab, ohne Schaden anzurichten, und fielen nutzlos zu Boden.

      »Götter«, murmelte Krona, und als sie Pintels entsetzten Schrei hörte, überlegte sie nicht länger.

      »He, Untier!«, schrie sie, packte einen Stein und warf ihn mit aller Kraft ins Wasser, dass es platschte. »Hierher!« Ein neuer Stein folgte. Fenrir ließ den Bogen sinken und begann ebenfalls, Steine zu werfen.

      »Ich hoffe, du hast einen Plan«, sagte er, während Krona weiter schrie und Steine warf.

      »Die Ablenkung sollte genügen, damit er sich in den Gang retten kann«, sagte Krona mit mehr Gewissheit, als sie in sich hatte.

      »Die Ablenkung sind wir«, sagte Fenrir.

      »Wenn du einen besseren Plan hast, nur raus damit«, fauchte Krona.

      Es waren nicht viele Steine nötig, bis das seltsame Wesen von Pintel abließ. Es zog seine Beine ein und verschwand mit leisem Plätschern im Teich. Krona sah, wie Pintel auf die Füße kam und dem gegenüberliegenden Durchgang zustrebte. Dann brach direkt vor ihr eine riesige, metallisch schimmernde Masse aus dem Wasser, füllte ihr Blickfeld gänzlich aus und schleuderte eine Anzahl Beine in ihre Richtung. Krona packte Fenrir am Arm und rannte den Gang hinein, den sie gekommen waren, Jerina, die noch dort stand, grob vor sich her stoßend. Hinter ihnen ertönte ein hässliches, schabendes, schleifendes Geräusch. Dann verlosch plötzlich der Lichtschein, der von der Höhle aus in den Gang gedrungen war. Pechschwarze Finsternis legte sich über die Gruppe. Sie klammerten sich aneinander und kamen stolpernd zum Stehen. Die Dunkelheit war erfüllt von metallischem Kratzen und Schaben.

      »Was ist passiert?« Jerinas atemlose Stimme klang eher ärgerlich als ängstlich.

      »Licht«, sagte Krona und versuchte, nüchtern und bestimmt zu klingen. »Jerina, du musst noch von vorhin das Feuerzeug in der Tasche haben. Ich hab eine Fackel in meinem Rucksack. Warte einen Augenblick.«

      Sie nahm ihren Rucksack ab, unterdrückte mit aufeinander gebissenen Zähnen einen Fluch, als ihre Schulter sich schmerzhaft in Erinnerung brachte, und zog die Fackel aus ihrem Gepäck.

      »Hier«, sagte sie und tastete in der Dunkelheit um sich. »Hier ist sie.«

      Jerina hantierte mit dem Feuerzeug, und die Fackel tat ihnen den Gefallen und brannte mit hell aufspringender Flamme,

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