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er paddelte unbeirrt auf die Steintür zu und begab sich dabei gefährlich in die Reichweite des Wesens. Krona führte einen hastigen, ungeschickten Angriff, die Klinge prallte an der Oberfläche des Wesens ab, doch zumindest hatte sie seine Aufmerksamkeit auf sich gerichtet. Sie machte einen Schritt rückwärts, behindert durch das tiefe Wasser, das Schwert drohend erhoben. Das Wesen folgte ihr. Ein Blick unter dem Arm ihres Gegners hindurch nach hinten zeigte ihr, dass Pintel begonnen hatte, sich an der Tür zu schaffen zu machen.

      »Geht nicht«, japste er. »Lässt sich nicht öffnen! Keine Klinke dran.«

      Das Wesen wandte sich zu Pintel, und Krona verlor keine Zeit. Ihr nächster Angriff öffnete einen langen Spalt an seiner Seite, und im letzten Augenblick parierte sie den mächtigen Faustschlag, der auf sie herab sauste.

      »Hebel!«, schrie sie. »Hebel!«

      Pintel antwortete nicht, ließ aber von der Tür ab und paddelte hinüber zu der Vorrichtung. Der Hebel allerdings war so hoch angebracht, dass er ihn zwar mit den Fingerspitzen erreichen, ihn aber nicht nach oben umlegen konnte. Krona fluchte derb und versuchte einen Positionswechsel, doch der Plan ging nicht auf. Statt in Pintels Nähe zu gelangen, wurde sie zwischen der Schräge und der Faust des Wesens schier zerquetscht. Sie ließ sich unter Wasser rutschen und entkam dem tödlichen Griff mit schmerzendem Brustkorb. Unter Wasser öffnete sie die Augen und riskierte einen Blick. Die Säulenbeine des Wesens standen wie festgewachsen. Dahinter, im schäumenden Strudel der Wasseroberfläche, sah sie Pintels strampelnde Beine. Dicht über dem Boden zog sie ihren Dolch aus dem Gürtel, stieß sich mit Händen und Füßen am Boden ab, auf das Wesen zu, umfasste den Dolchgriff dann mit beiden Händen und rammte die Klinge dem Wesen in den Unterleib. Sie befreite die Klinge, stieß erneut zu, bekämpfte das Bedürfnis, aufzutauchen und Luft zu holen, trieb die Klinge tief in die graue Masse und riss sie dann nach oben, öffnete einen tiefen Spalt, der länger wurde, tauchte auf und japste nach Luft, beide Hände immer noch um den Dolch gelegt, den sie nach oben zog. Das Wesen schwankte.

      »Pintel!«, schrie Krona, »Vorsicht!«

      Dann stürzte der Koloss nach hinten und verschwand in den Fluten.

      »Verdammt, war der zäh«, keuchte Krona.

      Pintel hatte den Sturz des Wesens unbeschadet überstanden, indem er sich an den Hebel geklammert und sich dicht an die Rückwand gepresst hatte. Krona, die sichergehen wollte, tauchte unter und sah sich nach ihrem Gegner um. Zu ihrem Erstaunen schien er sich in den formlosen Fladen zurück verwandelt zu haben. Das Wasser trübte sich bereits ein, als die weiche Masse sich auflöste und von den Strudeln aufgewirbelt wurde. Krona tauchte auf und nickte Pintel zu.

      Das Wasser war mittlerweile so tief, dass Schwimmen einfacher war als Gehen. Krona griff nach dem Hebel und versuchte, ihn umzulegen. Er bewegte sich mit lautem, hölzernem Knarren etwa eine Handbreit. Krona zerrte mit all ihrer verbliebenen Kraft daran. Nichts tat sich. Ein weiterer Versuch. Nichts.

      »Wir brauchen Fenrir«, keuchte Krona. »Wo ist er überhaupt? Was tut er die ganze Zeit?«

      »Wir hatten ein kleines Jerina-Problem«, berichtete Pintel mit aufeinander schlagenden Zähnen. Seine Lippen waren blau verfärbt, und er klammerte sich an Kronas Schulter, um nicht abgetrieben zu werden. »Als sie das Wasser sah, ist sie völlig außer sich geraten. Offenbar hat sie panische Angst vor Wasser.«

      »Na prima«, knurrte Krona. »Der geht’s wohl zu gut. Unsereins reißt sich hier den Arsch auf, und die Dame hat Angst vor Wasser.«

      In ihrer Wut zerrte sie erneut am Hebel, und tatsächlich bewegte er sich ein winziges Stück. Sie drehte sich um und sah hinüber zum anderen Ende des Raumes. Der Gang stand unter Wasser. Jerina war nirgends zu sehen, aber Fenrir machte sich gerade auf den Weg durch den Raum. Kurze Zeit später war er am Hebel angelangt.

      »Auf drei«, sagte Krona. Das Wasser erreichte ihren Hals, einzelne Wellen schwappten ihr bereits ins Gesicht.

      »Eins – zwei – drei!«

      Gemeinsam zerrten sie den Hebel in die Höhe. Knirschend bewegte er sich bis zur Hälfte. Die Wassermassen, die von oben auf sie herab stürzten, verringerten sich allmählich.

      »Noch mal«, sagte Fenrir, brachte seine Schulter unter den Hebel und stemmte sich ab. Krona umfasste gleichzeitig das Ende des Hebels und drückte. Einmal über der Hälfte, ließ er sich nun leichter bewegen. Die Fluten versiegten. Als der Hebel endlich nach oben umgelegt war, tröpfelte nur mehr ein Rinnsal aus den Schächten. Die Wasseroberfläche beruhigte sich. Krona lehnte sich keuchend gegen die Wand. Ihr Körper war taub von der Kälte des Wassers, in ihren Ohren klang noch das Brüllen der Wasserfälle.

      In einer Mischung aus Waten und Schwimmen bewegte Fenrir sich hinüber zu der Steintür. Er drückte dagegen, und tatsächlich ließ sie sich aufschieben. Das drängende Wasser vergrößerte den Spalt, bis Fenrir bequem hindurchpasste. Er warf jedoch nur einen Blick hinter die Tür und kam dann zu Krona zurück.

      »Wir müssen aus dem Wasser«, sagte er. »Vor allem du. Du bist schon zu lange drin. Hinter der Tür ist ein Stück Gang und dann eine Treppe, genau wie auf der anderen Seite. Ich schlage vor, du gehst da hinauf, bis du im Trockenen bist. Ich bringe das Gepäck und kümmere mich um Jerina.«

      Krona nickte. »Was ist mit ihr?« Ihre Zähne schlugen mittlerweile so sehr aufeinander, dass sie sich kaum mehr verständigen konnte.

      »Ich weiß es nicht. Sie hat auf das Wasser reagiert wie eine Kuh auf einen Hornissenschwarm. Ich werde ihr sagen, dass wir sie zurücklassen, wenn sie sich anstellt.«

      »Tu das«, sagte Krona zähneklappernd. »Ich hab die Nase voll von ihrem Getue.«

      »Geh die Treppe rauf«, sagte Fenrir. »Nimm Pintel mit. Ich komme nach, mit oder ohne sie.«

      »Mein Sch-Sch-Schw …«, klapperte Krona mit blauen Lippen.

      »Schwert«, sagte Pintel hilfsbereit. »Warte, ich hol’s dir.« Er holte Luft und tauchte unter. Nach kurzer Zeit kam er wieder nach oben, mit einer Hand paddelnd, mit der anderen etwas Schweres hinter sich her ziehend. Dankbar nahm Krona ihm das Schwert ab. Ein weiterer Tauchgang Pintels barg eine Handvoll Pfeile und Kronas Dolch aus den Fluten. Bevor er ein drittes Mal untertauchen konnte, griff sie ihn am Kragen und zog ihn mit sich durch die Steintür. Der Gang dahinter war nicht beleuchtet, die Treppe ebenso wenig, nur der Schein der Lichtfäden aus dem Wasserraum spiegelte sich auf der unruhigen Wasseroberfläche. Sie erreichten die Stufen und kletterten sie hinauf, bis sie auf der Hälfte der Treppe endlich im Trockenen waren.

      Krona brach auf den Stufen zusammen. Sie war sicher, noch nie in ihrem Leben so gefroren zu haben, nicht im Winterkrieg und auch nicht während der Überfahrt auf die Südlichen Inseln. Mit völlig steifen Fingern streifte sie ihren Mantel ab. Ihre Kleider klebten an ihr wie eine tödlich kalte Umarmung. Es schien ihr eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ihre Stiefel aufgeschnürt und ausgezogen und das Wasser darin ausgeschüttet hatte. Mit einiger Mühe entledigte sie sich ihres triefenden Waffenrockes und der zähen, kalten Hosen und behielt nur das Hemd an.

      »Du machst das Gleiche«, wies sie Pintel an. »Du holst dir sonst den Tod.«

      »Aber es ist so kalt«, widersprach Pintel zähneklappernd.

      »Genau. Und mit den nassen Kleidern noch kälter. Jetzt mach schon.«

      Pintel gehorchte widerstrebend. Krona untersuchte währenddessen die Blessuren, die das Tropfsteinwesen ihr beigebracht hatte. Es waren einige hässliche Quetschungen auf Brust und Schultern, die bereits rot und blau anliefen. Sie würde den Schulterriemen ihres Rucksackes polstern müssen, wenn sie nicht bei jedem Schritt Schmerzen haben wollte. Zitternd schlang sie die Arme um sich. Sie würde morgen keinen Schritt tun können, so viel war klar.

      Dann kam Fenrir mit Kronas Rucksack, den er über den Kopf gehoben hatte, um ihn trocken zu halten.

      »Schöne Beine hast du, Hauptmann«, sagte er grinsend, obwohl auch er vor Kälte zitterte.

      »Ich zeige sie dir gerne bei anderer Gelegenheit«, gab sie mit schwachem Lächeln zurück.

      »So

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