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»Ich wette, etwas Komisches passiert, wenn wir da rein gehen. Aber was?«

      »Vielleicht fallen diese Tropfsteine auf uns runter«, überlegte Krona. »Findet ihr es nicht bemerkenswert, dass es nur oben welche gibt? In der oberen Höhle hatte jeder Tropfstein an der Decke auch einen Partner auf dem Boden.«

      »Vielleicht gab es unten auch welche, bevor der Raum zu dieser Form verändert wurde«, sagte Fenrir. »Solche Tropfsteine wachsen nicht von heute auf morgen nach.«

      »Aber Tropfsteine müssen tropfen, um zu wachsen«, wandte Pintel ein. »Das sagt schon der Name. Und hier tropft gar nichts.«

      »Du hast recht«, sagte Fenrir erstaunt. »Wirklich sehr seltsam.«

      »Löscht euer Licht«, sagte Krona. »Wir werden es nicht brauchen, und wahrscheinlich ist es gut, wenn wir beide Hände frei haben. Fenrir, mach deinen Bogen bereit.«

      »Das habe ich gemacht, während du noch nachdachtest, Hauptmann«, gab Fenrir kalt zurück.

      »Gut«, sagte sie und schluckte vergeblich an ihrem Ärger. »Jerina, wie wäre es dann, du würdest mal den Dolch in die Hand nehmen, der deinen Gürtel ziert?«

      Mit einem verächtlichen Schnauben kam Jerina der Aufforderung nach.

      »Wir rennen durch«, sagte Krona. »Ich nehme an, der Hebel dort öffnet die Tür. Ich geh zuerst, mach die Tür auf, und ihr anderen kommt nach, so schnell ihr könnt, klar?«

      »Klar«, bestätigte Pintel hörbar aufgeregt.

      Krona machte einen Schritt in den Raum und spannte sich zu einem Sprint, die Gedanken fest auf ihre zukünftige kleine Privatsammlung erlesener Diamanten gerichtet. Doch was gleichzeitig geschah, nagelte sie vorerst auf ihrer Position fest. Wie sie es befürchtet hatte, löste sich, kaum dass sie den Raum betreten hatte, ein gewaltiger, tonnenschwerer Tropfstein von der Decke und raste auf den Boden zu, doch statt dort mit betäubendem Knall zu zerbersten, erzeugte sein Aufprall eher das Geräusch von feuchtem Lehm, der auf Stein klatscht. Der Tropfstein verlor seine Form und verwandelte sich in einen flachen, grauen Fladen, doch gleich darauf zog sich die seltsame Masse zusammen und richtete sich zu einem grob menschenähnlichen Wesen auf.

      Fenrir zog scharf die Luft durch die Zähne. Pintel gab ein erstauntes »Oh« von sich. Krona warf einen raschen Blick zur Decke, doch augenblicklich wollte kein weiterer Tropfstein seinen Platz verlassen. Sie richtete den Blick wieder auf das eigenartige Wesen und hob das Schwert, doch es schien nicht auf Kampf aus zu sein. Stattdessen machte es einen schmatzenden Schritt rückwärts bis zu dem Hebel und legte ihn um.

      Zunächst geschah gar nichts. Dann erwachte, irgendwo tief im Berg, ein entferntes, aber gewaltiges Brummen, das sich näherte, sich zu einem Dröhnen steigerte und zu einem Fauchen und Rauschen, und dann brach Wasser aus den beiden gegenüberliegenden Schächten, schlug klatschend auf dem Steinboden auf und strudelte die Rinne hinunter, die sich rasch füllte. Das Wesen bezog vor der Steintür Posten und sah mit blicklosem Gesicht zu der Gruppe hinüber.

      »Ich verstehe«, sagte Fenrir. »Besiege den Wächter und lege den Hebel um, bevor du ertrunken bist.«

      »Worauf warten wir dann?«

      Mit einer schnellen Bewegung entledigte Krona sich ihres Gepäcks, nahm das Schwert vor sich und stürmte voran. Als sie ihren Gegner erreichte und ihren ersten Hieb führte, schäumte ihr das eiskalte Wasser bereits um die Waden.

      Das Wesen hob den Arm und parierte Kronas Angriff mit einer Wucht, die ihren Schwertarm schmerzen ließ. Gleichzeitig holte es mit einer Faust von der Größe eines Vorschlaghammers zum Gegenangriff aus. Krona duckte sich zur Seite und landete an der Schräge. Wenigstens hatte sich das Wesen nicht angefühlt, als sei es wirklich aus Stein, vielmehr erinnerte es an die mit Stroh ausgestopften, ledergeharnischten Übungspuppen auf dem Exerzierplatz, und aus der Nähe sah die undefinierbare graue Masse auch nicht aus wie Stein, eher wie Wachs.

      Sie stieß sich von der Wand ab und führte einen neuen Angriff. Diesmal durchschnitt die scharfe Klinge etwas von der Masse, blieb dann stecken, und sie verbrachte einige gefährliche Augenblicke, bis sie ihr Schwert befreit hatte. Sie tauchte unter der Faust des Tropfsteinwesens durch und führte einen neuen Angriff. Sie war viel schneller und musste es nutzen, denn unaufhörlich spien die zwei Schächte neue Wassermassen in den schmalen Raum.

      Die Luft war angefüllt mit betäubendem Rauschen und eiskalter Gischt. Krona ging dazu über, ihr Schwert beidhändig zu führen, um mit ihren klammen Händen besseren Griff zu haben. In ihrem Kopf hatte sich längst das altbekannte Räderwerk in Bewegung gesetzt. Die Schwächen des Gegners ausfindig machen, die eigenen Stärken dagegen setzen, taktisch vorgehen. Kraft sparen. Effizient sein, schnell töten.

      Binnen kurzer Zeit stieg das Wasser ihr bis übers Knie und gefror ihre Füße zu Eisklumpen. Ihr Mantel tauchte ins Wasser und zog schwer nach unten. Der nächste Schlag, den sie führte, trennte dem Wesen eine Hand ab, doch schien es sich nicht sonderlich daran zu stören. Mit dem glatten grauen Stumpf schlug es zurück und schmetterte Krona gegen die Schräge, wo sie für Augenblicke nach Luft schnappte. Sie hörte die Stimmen von Fenrir und Pintel, die ihr etwas zuriefen, doch die Worte wurden von dem Brüllen der Wasserfälle verschluckt. Fast gleichzeitig schwirrte ein Pfeil an ihr vorbei und fand sein Ziel, gefolgt von einem zweiten, in rascher Schussfolge einem dritten, der es zwischen den Augen getroffen hätte, wenn da Augen gewesen wären, und einem vierten mitten in der Brust. Krona presste sich flach gegen die Schräge, sie nahm an, dass ihre Gefährten genau das von ihr verlangt hatten, und dann zischte eine Folge von blauen Lichtstrahlen an ihr vorbei und schlugen in dem Wesen ein, wobei sie bemerkenswert große Löcher verursachten.

      Krona warf einen raschen Blick hinüber zu ihren Gefährten. Fenrir setzte seinen Beschuss fort: In einer einzigen, fließenden Bewegung zog er einen Pfeil aus dem Köcher auf seinem Rücken, spannte, zielte, schoss, ein Zyklus von beeindruckender Schnelligkeit und Präzision. Pintel stand schon beinahe bis zu den Hüften im Wasser. Krona sah, wie die Lippen des kleinen Zauberers sich bewegten, während seine dünnen Finger durch die Luft huschten, um eine neue Serie Lichtstrahlen auf den Weg zu bringen.

      All das hätte gereicht, um einen anderen Gegner zwei- oder dreimal zu töten. Das Tropfsteinwesen schien jedoch durch die klaffenden Löcher in seinem Leib nicht sonderlich behindert. Ungeachtet der Angreifer wandte es sich wieder zu Krona, die damit am wenigsten gerechnet hatte. Wer unter solchem Beschuss stand, wandte sich normalerweise nirgendwohin. Sie konnte sich gerade noch zur Seite werfen, ehe die riesige Faust des Wesens dort gegen die Schräge krachte, wo soeben noch ihr Kopf gewesen war. Auf dem nassen Stein verlor sie den Halt und fiel auf die Knie. Das strudelnde Wasser bremste ihren Sturz. Die Kälte verschlug ihr den Atem, eine Welle klatschte ihr heftig ins Gesicht. Für einen Augenblick war sie orientierungslos, dann wischte sie sich mit einem triefenden Ärmel Wasser aus den Augen und erhob sich. Ihr Schwert war, wo es hingehörte, zuverlässig in ihrer Rechten. Sie wirbelte herum und führte es mit aller Kraft gegen die Körpermitte ihres Gegners. Die Klinge sank in die seltsame Masse ein. Krona warf sich rückwärts, um sie frei zu bekommen, für einen Augenblick meinte sie, die Arme würden ihr ausgerissen, dann kam ihr Schwert los und sie taumelte rückwärts.

      »Das war Nummer vier!«, schrie sie das Wesen an. »Mindestens! Sag mir, wie oft ich dich töten muss, bevor du endlich verschwindest!«

      Das Wesen antwortete nicht. Krona hatte auch nicht damit gerechnet. Sie stand keuchend und starrte ihren Gegner, der, übel zugerichtet, nicht einmal schwankte. Sie fragte sich, ob er überhaupt mit Waffen und Kampfkunst zu besiegen war, aber in Ermangelung einer Alternative, und weil das Wasser ihr bereits beinahe bis zur Hüfte reichte, führte sie einen neuen Angriff. Diesmal schlug das Wesen mit der Faust ihre Klinge weg und verpasste ihr gleichzeitig mit dem Armstumpf einen mächtigen Schlag gegen die Schulter. Krona ging in die Knie. Sie ignorierte den Schmerz und prüfte sofort, ob sie den Arm noch bewegen konnte, er fühlte sich taub an, gehorchte ihr aber, nichts gebrochen, also weiter. Sie erhob sich platschend und wich einem neuerlichen Angriff des Wesens aus. Das Kämpfen wurde mühsamer, das Wasser entzog ihr alle Körperwärme, jede Bewegung kostete mehr Kraft, als für sie gut war. Während sie sich von der Schräge abstieß und sich zu einem neuen Angriff

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