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wir uns diesen Wächter vor.«

      »Geht schon mal voran«, sagte Krona. »Ich habe hier mit Pintel noch etwas zu besprechen.«

      Sie wartete, bis die anderen sich einige Schritte entfernt hatten, dann bückte sie sich, um auf Augenhöhe mit dem kleinen Zauberer zu sein.

      »Du fragtest vorhin, wie wir uns befreit hätten. Ich glaube, du kannst mir das besser erklären als ich dir.« In kurzen Zügen beschrieb sie die Geschehnisse, während Pintels Augen immer größer wurden.

      »Sie hat es anders gemacht als du«, schloss sie. »Sie hat weder Worte gesprochen noch Gesten vollführt. Sie stand einfach nur da. Hast du eine Erklärung?«

      »Keine eindeutige. Nicht alle, die etwas bewirken, müssen dabei Worte sprechen. Es kommt darauf an, wo man die Arkanenergie für den Zauber hernimmt. Einfach erklärt, es gibt da zwei Prinzipien: Die einen nehmen die Energie aus der Umgebung. Das sind die Zauberer, so wie ich. Die Arkanenergie ist überall, musst du wissen, auch hier in dem Fels und im Wasser. Um an sie heranzukommen, muss man Formeln sprechen. Manchmal hilft es auch, ein bisschen mit den Fingern zu wedeln. Es ist nicht unbedingt nötig, macht aber Eindruck.« Er zwinkerte und grinste breit. »Die anderen«, fuhr er fort, »haben die Energie in sich und holen sie von dort, wenn sie zaubern. Sie haben sie sozusagen immer vorrätig. Die meisten von ihnen machen eine Gottheit für diesen Umstand verantwortlich, was wissenschaftlich keinem Beweis standhält, nebenbei bemerkt. Es gibt außerdem noch eine Reihe von Wesen, die arkaner Natur sind, wie Elementargeister, Untote, Drachen, Kobolde und ähnliche. Die tragen auch ihren eigenen Energievorrat mit sich herum, und wenn sie intelligent genug sind, können sie auf diese Weise zaubern. Die Existenz der meisten von ihnen ist allerdings keineswegs bewiesen, und …«

      »Was ist mit Jerina?«, unterbrach Krona. »Ich glaube kaum, dass sie in Wirklichkeit ein Kobold ist, oder?«

      »Nein«, sagte Pintel. »Dann schon eher eine von diesen Zauberpriestern. Ich bin wirklich erstaunt. Ich muss sie zu diesem Thema befragen, sobald die Zeit ist. Warum hat sie nie erwähnt, dass sie zaubern kann?«

      »Wer weiß – vielleicht wollte sie nicht angeberisch rüberkommen?«

      »Wie nett von ihr. Ich werde sie jedenfalls im Auge behalten.«

      »Genau darum wollte ich dich bitten.«

      Fenrir erwartete sie einige Schritte weiter im Gang.

      »Er hat den Schlüssel, den wir brauchen«, sagte er mit entnervtem Gesichtsausdruck. »Und er wird ihn uns geben, wenn wir ihm drei Rätsel gelöst haben. Ich komme mir vor wie in einer Gutenacht-Geschichte«, fügte er kopfschüttelnd hinzu.

      »Rätsel find‘ ich gut«, verkündete Pintel. »Jedenfalls tausendmal besser als wilde Tentakelwesen.«

      »Ich bin nicht sehr gut im Rätsellösen«, sagte Krona düster.

      »Macht nichts«, sagte Pintel. »Ich schon.«

      »Na gut. Dann löse du diese Rätsel für uns, damit wir vorankommen.«

      Der durchscheinende Zwerg erwartete sie in einem kleinen Nebenraum, der sich vom hinteren Teil des Ganges aus öffnete. Es gab nicht mehr darin als einen verstaubten, wackeligen Tisch und einen Hocker, auf dem das Zwergenabbild saß. Seine lebende Entsprechung schien ein noch rüstiger Zwerg fortgeschrittenen Alters gewesen zu sein: In seinem wirklich langen Bart schimmerten weiße Strähnen, und sein Gesicht war von einem Gespinst feiner Fältchen durchzogen. Sein Blick wandte sich zu den Gefährten, und er sah sie hellwach und durchdringend an, als sie sich in dem engen Raum versammelten.

      »Da seid ihr«, sagte er mit tiefer, knarrender Stimme. »Habt euch bis hierher durchgeschlagen, was? Tapfer, tapfer. Und nun, frischen Mutes auf zum letzten Abschnitt? Wer von euch ist der junge Markholt?«

      »Ich«, sagte Jerina und trat einen Schritt nach vorne.

      »Soso, soso.« Der Zwerg nickte, während er die junge Frau lange betrachtete. »Eine Erbin also. Auch recht. Und ein halbes Kind noch.«

      Krona beobachtete, wie Jerina ihre Fäuste öffnete und schloss, aber nichts erwiderte.

      »Nun ja, nun ja«, sagte der Zwerg. »Hast dir feine Gefährten mitgebracht, Mädchen? Ist einer dabei, der mir drei Rätsel lösen wird?«

      »Ich werde sie selbst lösen«, entgegnete Jerina kühl.

      »Aber …«, sagte Pintel.

      »Halt den Mund«, zischte Jerina zu ihm hinunter, und beleidigt kam er der Aufforderung nach.

      »Also, Mädchen«, sagte der Zwerg. »Hier kommt das erste.

       Ich mache hart, ich mache weich

       Ich mache arm, ich mache reich

       Ein jeder hat mich gern

       Und doch hält man sich von mir fern.«

      »Das ist einfach«, sagte Jerina beinahe abfällig. »Feuer, natürlich.«

      »Du hast es erraten, Mädchen«, bestätigte der Zwerg. »Nun löse mir das zweite:

       Ein Tal voll und ein Land voll

       Und doch ist’s keine Hand voll.«

      »Ich hab’s gleich«, sagte Jerina. »Warte nur einen Augenblick.«

      Schweigen legte sich in den Raum, während Jerina angestrengt nachdachte.

      »Ich weiß es«, quietschte Pintel plötzlich unterdrückt und begann, von einem Fuß auf den anderen zu hopsen. »Ich weiß es!«

      »Ich weiß es nicht«, fauchte Jerina. »Also lass mich nachdenken.«

      Diesmal aber gehorchte Pintel nicht, er hängte sich an Jerinas Gewand und formte das Lösungswort mit den Lippen, während er versuchte, sie zu einem Blick nach unten zu bewegen, doch sie ignorierte ihn.

      »Sei still.« Krona machte einen Schritt und legte Pintel die Hand auf die Schulter. »Wer weiß, vielleicht wird einer von uns zu Stein verwandelt, wenn wir vorsagen. Sie ist so klug, sie wird schon selbst drauf kommen.«

      »Weißt du’s?«, fragte Pintel mit hochroten Wangen.

      »Nö«, sagte Krona. »Wie ging es noch mal? Ein Land voll und keine Handvoll?«

      »Nebel«, sagte Jerina. »Ich hätte es längst gewusst, wenn ich mal in Ruhe hätte nachdenken können.«

      »Keine Eile nötig«, versicherte der Zwerg. »Ich habe Zeit. Und deine Antwort ist richtig, junge Dame. Nun kommt das dritte. Aber warte mal, du sollst nicht die ganze Arbeit alleine machen müssen. Ich werde es einem deiner Gefährten stellen. Und zwar dir.«

      Sein durchscheinender Finger schnellte vor und zeigte auf Krona.

      »Ach nein«, sagte Krona entnervt. »Muss das sein? Hier, stellt es ihm.« Sie nahm Pintel bei den Schultern und schob ihn nach vorne. »Er ist unser Rätselfachmann.«

      »Ich stelle es dir«, wiederholte der Zwerg unbeirrt. »Keine Sorge, du wirst es lösen können. Hier ist es:

       Leise komm ich

       Keinen verschon ich

       Dein Herz brach ich

       Dein Liebstes nahm ich

       Und bald hol ich dich.«

      »Das ist ein schlechter Scherz«, sagte Krona mit blutleeren Lippen.

      »Niemand lacht«, erklärte der Zwerg. »Nun, Kriegerin, kennst du die Antwort?«

      »Der Tod«, sagte sie ausdruckslos. »Und das war das dritte. Jetzt gib uns den Schlüssel.«

      »Eilig, eilig, immer so eilig«, murmelte der Zwerg kopfschüttelnd und begann, sein durchscheinendes Gewand zu durchsuchen. »Aber wie heißt es so schön – Reisende soll

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