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die in einen sternenübersäten, von Wolkenfetzen bedeckten, dunklen Himmel flogen. Die Tätowierung war fein ausgeführt und nahezu hypnotisch. Ums Handgelenk, unter den klimpernden Silberreifen, war ein Kreis aus grellen, grinsenden Totenschädeln und Blumen. Die Darstellung im Stil des Dia de los Muertos erinnerte mich an die Finger des hageren Mannes, der mich in die Wüste geschickte hatte.

      Ich unterschrieb und dachte im letzten Moment daran, dass ich Paris Tindall war und nicht Longview Moody.

      »Schlafen Sie gut, Chief«, sagte Lenore und überreichte mir den Schlüssel.

      Ihre Augen waren haselnussbraun mit einem grüngoldenen Schimmer. Ich sah nach unten, um keine Erwartungen zu wecken, die ich nicht erfüllen konnte. Dabei fiel mir eine weitere Tätowierung auf, eine farbenprächtige Blume, die in ihrem Oberteil verschwand.

      Als ich wieder aufsah, hatte sich Lenores Lächeln verändert. Es war noch strahlender. Sie drehte sich um. Ich war mir nicht sicher, ob ihr Haar immer so üppig fiel oder ob sie nachgeholfen hatte. Ich musterte sie. Mein Blick blieb an einer kleinen Pistole, Kaliber .25, hängen, die sie hinten im Hosenbund trug. Mir fiel auch auf, dass sie unter der Waffe ein weiteres Tattoo mit Schädeln und Blumen trug.

      »Haben Sie immer eine Waffe einstecken?«, fragte ich.

      »Mir deckt ja auch nicht immer der Chief den – Rücken.« Sie sah mich erst an, als sie das Wort Rücken ausgesprochen hatte. Sie drehte sich halb um und klimperte mit den Wimpern.

      Ein betörender Anblick, aber mir fiel etwas anderes auf. Es war das zweite Mal, dass sie mich Chief genannt hatte. Beim ersten Mal hatte ich zwar das Wort gehört, aber nicht auf die Bedeutung geachtet.

      »Sie wissen, wer ich bin?«

      »Natürlich. Ich habe Sie erwartet.«

      »Wieso?«

      »Es gibt hier nur zwei Orte, wo man ein Zimmer mieten kann. Im Desert Drop oder im Jagdklub. Sie wurden noch nicht nach da oben eingeladen, oder?«

      »Gun Hills?«

      »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht?« Sie stellte die Frage ohne Augenaufschlag, aber es lag etwas in ihrem Blick, als sie näherkam.

      »Und hat Sie irgendwer gebeten, einen Anruf zu machen, wenn ich einchecke?«, fragte ich.

      Sie lächelte. Ihr Gesicht strahlte. Ihre Augen, grüngoldene Akzente auf poliertem Holz, schienen Geheimnisse zu bergen. Lenores Lächeln war das von Eva, die mir den Apfel reichte. »Soll ich warten?«

      »Kommt drauf an.«

      »Auf was?«

      »Was die wollen, wenn sie hier sind.«

      Sie nickte, lehnte sich nach vorn und sagte mit heiserem Flüstern: »Reden.«

      Ich musterte sie erneut. Anfang 30, schlank, aber herrlich kurvig. Ihr T-Shirt war knapp und der Bauch darunter flach und weich. Lenore sah wie eine Frau aus und nicht wie ein Mädchen. Und sie war daran gewöhnt, dass man sie ansah. Ich richtete meinen Blick wieder auf ihre Augen und sagte: »Ich habe genug geredet. Wenn jemand vorhat herzukommen, um mich abzuknallen, rufen Sie ihn an, damit ich es hinter mich bringe. Ansonsten würde ich jetzt gern ein paar Stunden schlafen.«

      Sie lachte. »Alles klar, Chief.«

      Ich öffnete die Zimmertür und hängte zuerst ein Laken über das Fenster. Zusammen mit den Vorhängen wurde das Licht besser gedämpft und der kleine Raum wirkte wie eine Höhle. Als Nächstes drehte ich die Klimaanlage auf Maximum.

      Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich sofort einschlief und von Lenore träumte. Aber das stimmt nicht. Ich bin rasch eingeschlafen, aber meine Träume waren chaotisch finstere Strudel, die mich mit einem unguten Gefühl und verschwitzt aufwachen ließen. Der Schweiß erkaltete schnell in dem dunklen Zimmer.

      Als es klopfte, saß ich noch in meiner Unterwäsche auf dem feuchten Bettzeug. Es hatte länger gedauert, als ich gedacht hatte. Das wenige Licht, das durch die Kombination aus Laken und Vorhang drang, war rot. Es war Abend.

      Zeit, die Hosen anzuziehen. Mein einziges Zugeständnis an die Etikette. Ich klipste das Holster für die 45er an der Hose fest, aber das ging vermutlich nicht als Kleidung durch. Ich wusste nur, ohne die Waffe hätte ich mich nackt gefühlt.

      Keine Ahnung, wer an der Tür war, aber ich hatte nicht daran gezweifelt, dass mich jemand besuchen würde. Ich hätte auf Cops getippt – einer oder eine ganze Abordnung, die wissen wollten, was Sache ist. Wenn das Justizministerium den neuen Chief auswählte, waren die übrigen Cops sicher nervös. Dann war da die Kehrseite der geworfenen Münze – Kopf oder Zahl. Es konnten die Feds selbst sein, ein Kontaktmann, um mir die Regeln zu erklären.

      Ich ließ das Licht aus, genau wie das Hemd – ich wollte nicht allzu freundlich erscheinen, egal, wer klopfte –, öffnete die Tür und trat einen Schritt zurück.

      Die heiße Luft schlug ihre Klauen in die Zimmerdecke und bahnte sich ihren Weg ins Innere, verjagte die kühle Luft am Boden. Es wurde etwas weniger schummrig im Zimmer, aber nicht richtig hell. Durch die Tür sah man einen dämmrigen Himmel mit Rot- und Purpurtönen. Ausgefranste Wolken zogen nach Westen, die Spitzen von der sinkenden Sonne rot gefärbt. Wie Raketen, die sich beim Wiedereintritt in die Atmosphäre erhitzten.

      Und die Männer vor der Tür.

      Der Fette stand direkt davor. Er hatte geklopft. Der andere hielt sich im Hintergrund. Sein Gesicht war durch einen Strohhut halb verdeckt und er lehnte sich mit einem Fuß gegen das Geländer vor der Tür. Er stand mit dem Rücken zum Sonnenuntergang und hatte den Kopf zur Seite geneigt. Anscheinend hatte er etwas anderes im Blick als die Tür. Aber das änderte nichts daran, dass ich spürte, wie er in meine Richtung starrte. Wenigstens konnte er mich nicht besser sehen als ich ihn.

      »Chief Tindall«, sagte der Dicke. Seine Stimme klang kalkuliert fröhlich.

      »Ja«, erwiderte ich. »Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet.«

      »Oh, das verstehen wir«, meinte er. »Das verstehen wir. Aber es bin ja nur ich, Bascom Wood, vom Stadtrat. Wir haben uns letzten Monat getroffen.«

      Ich starrte ihn einen Moment an und glaubte, es sei alles vorbei. Ich dachte, ich sollte mir mein Hemd anziehen und in den Pick-up steigen.

      Dann fragte er: »Sie erinnern sich?«

      Ich nickte. »Ja.«

      »Gut. Gut.« Er grinste und zeigte auf meinen Kopf. »Sie haben sich die Haare wachsen lassen. Darum sollten Sie sich kümmern.«

      Ich fuhr mit der Hand durch die unordentliche Frisur. Paris hatte immer kurzes Haar getragen. Ich überlegte mir ein paar Lügengeschichten. Ich war im Urlaub gewesen – oder hatte zu viel zu tun. Ich war noch nicht dazugekommen …

      »Kann ich irgendwas für Sie tun?« Ich versuchte ihn von mir abzulenken und wieder darauf zu stoßen, wieso er gekommen war. »Es war ein langer Tag. Ich bin müde.«

      »Ich wollte nur …« Stadtrat Wood schien angestrengt nachzudenken. »Ich wollte Chief Paris Tindall persönlich willkommen heißen.«

      Es klang komisch, wie er den Namen und Titel zusammen nannte. Aber vielleicht bildete ich mir das ein.

      »Gut. Gut.« Wood warf einen verstohlenen Blick zu dem Mann, der am Geländer lehnte. »Sehr gut. Ich lasse Sie erst einmal ein oder zwei Tage in Ruhe, bevor ich auf der Wache vorbeischaue. Sie wollen sicher zuerst die Truppe kennenlernen, ohne dass Ihnen die Bosse über die Schulter schauen.«

      »Bosse?«

      »Nun, äh, ich weiß, es sind … besondere Umstände, aber der Chief ist immer noch dem Stadtrat Rechenschaft schuldig.«

      »Hätte ich mir da nicht einen Besuch vom Bürgermeister verdient?«

      Selbst bei der fahlen Beleuchtung erkannte ich, wie Bascom die Gesichtszüge entgleisten. Er sah nervös von einer Seite zur anderen. »Leider haben wir diese Stelle immer noch nicht besetzt. Seitdem

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