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hatte Angst, dass ihn jemand dort bitten würde, etwas beizusteuern.

      »Wie auch immer«, sagte ich.

      »Ja, wie auch immer«, echote Milo.

      »Wir sollten die Sache noch mal durchgehen«, sagte ich und fischte nach mehr Informationen.

      »Wieso?«

      Mir fiel kein Grund ein. Ich wusste nicht genug, um mir was einfallen zu lassen. Milo rettete mich erneut mit seinen Spekulationen und weil er mir helfen wollte.

      »Ich kenne das Gefühl«, sagte er. »Ging mir auch immer so, bevor ich im Irak einen Einsatz hatte. Aber wir haben darüber geredet. Es ist alles okay. Sie müssen einfach nur ein Cop sein. Sie brauchen sich nirgends einschleusen. Die werden zu Ihnen kommen.«

      »Danke«, sagte ich. »Klar wie Kloßbrühe. Wem bin ich eigentlich auf die Füße getreten, damit mir das passiert?«

      Er lachte. Das sollte er auch. Es war ein beiläufiger, nichtssagender Kommentar. Ich musste lernen, den Mund zu halten.

      »Komisch, das aus Ihrem Mund zu hören«, sagte Milo. Sein Lachen klang nicht sehr belustigt. Der scharfe Unterton richtete meine Nackenhaare auf. »Sie wissen genau, wem Sie auf die Füße getreten sind und wie«, sagte er. »Und Sie haben Glück, dass wir hier nicht bei den Texas Rangern sind.«

      »Kommt mir nicht so vor, als hätte ich Glück gehabt.«

      »Das gilt wohl für uns alle. Schlafen Sie ein wenig – wie spät ist es bei Ihnen? 4:45 Uhr?«

      »Ja.«

      »Und bleiben Sie in Kontakt.« Er beendete den Anruf.

      Danach war ich nicht mehr in der Stimmung noch mal einzuschlafen. Aber ich hatte einen Plan.

      Eine Stunde später hatte ich geduscht, mich angezogen und gepackt und trat in den frischen Morgen hinaus. Meine wenigen Habseligkeiten lud ich in den Pick-up.

      Ich fuhr mit der aufgehenden Sonne im Rücken in den nächsten, winzigen Ort. Es gab dort nicht viel, aber wenigstens eine Western-Union-Filiale und ein Restaurant der Kette Waffle House. Ich hatte vor, beiden einen Besuch abzustatten.

      Wirklich hungrig war ich nicht. Es ging mehr darum, ein wenig Zeit totzuschlagen, und um die Vorstellung, dass ich mich auf den Weg machen und eine ganze Weile nicht anhalten konnte, um etwas zu essen. Die lange Fahrt ins Nirgendwo hatte mich irgendwo in den Norden von Durant, Oklahoma, verschlagen. In zwei Tagen sollte ich in Lansdale sein, das am Rio Grande lag. Es waren nur etwa 700 Meilen, aber ich fuhr besser nicht durch Dallas oder irgendeine andere große Stadt. Die Interstate wollte ich ebenfalls vermeiden. Paris kannte jede Menge Leute bei der Polizei, und eine Menge Leute bei der Polizei kannten mich. Das hieß, nur die kleinen Highways und Städte kamen infrage. Die Strecke war vermutlich nicht viel länger, aber es waren einige Stunden mehr Fahrzeit. Zeit zum Nachdenken. Zu viel? Zu wenig? Das würde sich zeigen.

      Lansdale lag unmittelbar an der Grenze an einer breiten Stelle des Flusses, mitten in der Einöde zwischen El Paso und Laredo. Außerdem direkt am Rand des Big-Bend-Nationalparks, knapp 1100 Quadratmeilen Texas, die so unberührt waren, wie zu Zeiten des Wilden Westens. Dorthin zu kommen, war aber gar nichts, verglichen mit der großen Frage: Wieso zur Hölle tat ich mir das an? Die Welt schien sich immer wieder auf diese Wieso-Fragen zu reduzieren. Ich sollte mich lieber um das Was kümmern. Was würde ich dort vorfinden? Und was verdammt noch mal sollte ich deswegen unternehmen?

      Mein Aufenthalt im Waffle House zog sich ein paar Stunden hin, ich aß Steak und Eier und trank Unmengen Kaffee. Punkt acht Uhr zahlte ich meine Rechnung und ging hinaus zum Pick-up. Das Handy von Paris war viel besser, als die Prepaid-Handys, die ich immer benutzte. Es hatte eine Navi-App und Internetzugang. Ich nutzte beides, während ich beim Frühstück saß. Ich hatte den Namen und die Nummer eines Beerdigungsinstituts in Houston. Das war der Anruf, den ich bisher aufgeschoben hatte. Die meisten Geschäfte öffneten um neun. Das Institut hatte acht Uhr auf seiner Homepage angegeben. Liegt wohl in der Natur der Sache, dachte ich. Leute, die eine Beerdigung arrangieren müssen, tun das gern so schnell wie möglich. Sie stehen früh auf, wenn sie überhaupt geschlafen haben, und tätigen einen Anruf, den sie nie machen wollten.

      Beim dritten Klingeln hob jemand ab. Ich sagte dem professionell mitleidig klingenden Mann, für wen ich eine Beerdigung brauchte. Nachdem das Grundlegende geklärt war, fragte ich nach den Kosten. Er versuchte mir das Ganze ein wenig teurer zu verkaufen, aber strengte sich nicht besonders an. Ich kam ihm bei der Hälfte des Preises entgegen, aber bot beim Grabstein ein wenig mehr. Ich fragte, ob man ihn später ändern konnte, falls nötig. Er nahm zuerst an, dass ich davon sprach, einen Namen hinzuzufügen. Den der Ehefrau. Als ich ihm erklärte, ich wollte den ursprünglichen Namen ändern lassen, herrschte lange Stille. Es war wohl keine gebräuchliche Frage.

      »Die Sache ist die«, erklärte ich ihm, »ich mache das, ohne meine Familie ins Spiel zu bringen. Wir sind nicht immer einer Meinung.«

      »Keine Erklärung nötig«, sagte er und hörte sich an, als sei ihm eben das buchstäbliche Licht aufgegangen. »Ich kann eine flache Gravierung auf einer polierten Oberfläche in Auftrag geben. Wenn sich was ändert … na ja, dann können wir den Granit sandstrahlen und eine raue Oberfläche erzeugen, die neu graviert werden kann.«

      »Hört sich an, als wären Sie der Mann mit dem Plan.«

      »Heikle Probleme zu lösen ist mein täglich Brot«, sagte er.

      Daran hatte ich keine Zweifel.

      Nachdem ich also ein heikles Problem gelöst hatte, ging ich zum Büro von Western Union und schickte dem Beerdigungsunternehmen 9.300 Dollar. Ich hatte sorgsam darauf geachtet, die Kosten unter 10.000 Dollar zu halten. Banken und Geldtransferunternehmen mussten Transaktionen dieser Größe an die Bundesbehörden melden.

      Reich zu sein war teuer, ich hatte mehr Geld ausgegeben, seitdem ich das Geldbündel an mich genommen hatte, als je zuvor in solch kurzer Zeit. Der Packen Geldscheine sah aus, als sei er nicht angerührt worden. Im Pick-up blätterte ich ihn durch und überschlug den Betrag.

      Der Streifen mit Hundertern hatte insgesamt einen Wert von 10.000 Dollar. Es waren ursprünglich zehn davon in jedem Bündel. 100.000 Dollar. Es gab fünf Bündel in einer Reihe. 500.000 Dollar. Und es waren drei Reihen. Anderthalb Millionen Dollar. Ich schätze, deswegen war das Bündel nicht kleiner geworden. Es war schwerer, eineinhalb Millionen Dollar für Unterwäsche und Beerdigungen auszugeben, als ich gedacht hatte.

      Prokrastination – selbst notwendige Prokrastination – lässt sich nicht ewig ausdehnen. Bevor ich mich auf den Weg machte, ging ich ein wenig einkaufen. In einem Waffenladen kaufte ich zwei Schachteln Munition, jeweils eine für die Pistole, Kaliber .40, und für die 45er von Paris. Ich nahm auch für beide ein zusätzliches Magazin mit. Ein Reinigungsset rundete den Einkauf ab. Ich dachte für einen Moment, der Kerl hinter dem Tresen würde Fragen stellen. Aber das waren nur meine Nerven. Die Waffenhändler in Texas wissen, wann sie die Klappe halten müssen.

      Als Nächstes hielt ich an einer Tankstelle, machte den Tank voll und überprüfte Öl und Reifendruck. Der Pick-up besaß eines dieser Ersatzräder, die man an einem Stück Stahlseil ablassen kann. Ich ließ es herunter und tat so, als würde ich beim Ersatzreifen Luft nachfüllen. Unter dem Wagen steckte ich die 40er und einen Großteil des Geldes, in Mülltüten verpackt, in den Hohlraum der Felge. Ich schraubte das Ersatzrad wieder sorgfältig fest. Die 45er behielt ich im Wagen. Schließlich war ich nicht mehr Longview Moody, verurteilter Straftäter. Ab sofort war ich Paris Tindall, ehemaliger Ranger und jetzt Polizeichef von Lansdale, Texas.

      Im grünen Farmland nördlich von Lake Texoma, einem riesigen Wasserreservoir, das vom Red River gespeist wurde, fuhr ich los. Die Luft war klar. Es war heiß, aber nicht drückend. Ich fuhr auf Landstraßen in Richtung Westen und dann nach Süden und drehte das Radio an. Willie Nelson.

      Mir kam ein Gedanke und ich zog Paris’ Handy aus der Tasche. Ich bin kein großer Techniker, aber es gibt etwas, das jeder weiß, der begründete Sorge hat, getrackt zu werden. Wenn dein Handy dir anzeigen kann, wo du bist, kann es das ebenso jemand anderem

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