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je. Meine Mama hat mich schon vor Mädchen wie Ihnen gewarnt.«

      Sie winkte immer noch, aber sah mich dabei an und lächelte. Ein hübsches Lächeln.

      »Sie meinen, Verführerinnen?«

      »Ich meine die Sorte Mädchen, die ich heiraten will.«

      Einen Moment hörte sie auf, den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen, und vollführte einen kleinen Sitztanz. Das Lachen, das ihre kurze Aufführung begleitete, war ein belustigtes, albernes Kichern, das dennoch mädchenhaft klang. Verdammt sexy.

      »Das interpretiere ich mal als Ja«, sagte sie und winkte dann energischer. »Ernesto! Un cervesa por favor.« Ihr Spanisch war genauso geschliffen wie meines. Aber da war noch etwas anderes, ein Akzent, den ich nicht einordnen konnte. Als sie die Hand senkte, hielt sie sie vor mein Gesicht und wackelte mit den Fingern. »Nur für alle Fälle: Ich mag Smaragdschliff. Nicht zu groß, aber schön glänzend.«

      »Gelbgold oder Weißgold?«

      »Sehen Sie sich meine Haut an.« Sie ließ einen Finger über ihren linken Arm nach oben und wieder hinabgleiten. Sie hatte dunkle Haut. Ein Teil war ihrer Herkunft zu verdanken, der Rest der Sonne. Ich konnte nicht sagen, was den größeren Anteil hatte.

      Ich muss verwirrt ausgesehen haben.

      »Weißgold oder Platin«, sagte sie, als hätte ich etwas völlig Offensichtliches übersehen. Ich mochte, wie sie mich ansah, auch wenn ihr Blick mir zu verstehen gab, dass ich ein wenig schwer von Begriff war. »Das würde sich gut von meiner Haut abheben.«

      »Ich merke es mir.«

      »Und sagen Sie es auch Ihrer Mama.«

      »Würde ich tun, wenn sie noch am Leben wäre.« Ich dachte an meine Mutter, Dotty. Eine Sekunde glaubte ich, ich hätte mich vielleicht verplappert, bevor mir einfiel, dass auch Paris’ Mutter gestorben war.

      Ernesto stellte ein Bier vor mir ab und fragte, ob ich die Speisekarte haben wollte.

      »Ich bin am Verhungern«, sagte ich und sah dann Lenore an. »Was ist denn zu empfehlen?«

      Ohne zu zögern oder sich Gedanken zu machen, was mir wohl schmecken könnte, wies sie Ernesto an, mir einen Teller mit Enchiladas zu bringen. Und sie fügte hinzu: »Einen großen.« Sobald er gegangen war, sagte sie: »Es tut mir leid.«

      »Was?«

      »Das mit Ihrer Mutter.«

      »Das ist lange her.«

      »Es beschäftigt Sie. Das merke ich.«

      Ich zuckte mit den Achseln, dippte einen Chip in die Salsa und aß ihn. Es schmeckt fast nach nichts. Stattdessen durchfuhr meinen Hals ein brennender Schmerz. Zum Teil stieg er wie heißes Gas in die Nebenhöhlen. Ein anderer Teil sank nach unten wie eine Mischung aus Blut und Säure. Der Rest verweilte im Rachen. Aus dem Magen breitete sich Hitze aus. Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich musste heftig husten.

      Leonore schob mir mein Bier entgegen. Ich nahm einen großen Schluck und sie meinte: »Habanero-Dip. Ich hätte Sie warnen sollen.«

      Ich keuchte und hustete, als zwei Gestalten an den Tisch traten. Lenore sagte zu ihnen: »Habt ihr schon den neuen Chief kennengelernt?«

      Ich sah nach oben, immer noch das Bierglas an den Lippen. Dann hob ich die freie Hand zum Gruß. Direkt neben mir, grinsend wegen des kleinen Missgeschicks, stand eine Frau in Uniform. Sie war fast so groß wie ich. Mit den Stiefeln sicher über eins-achtzig. Wie Lenore eine echte Frau – kein bisschen mädchenhaft, mit Hüften und Brüsten –, außerdem muskulös. Selbst mit den definierten Armen wirkte sie in ihrem Kakihemd und mit der Polizeimarke sehr weiblich. Wie ein weiblicher MMA-Champion, aber dennoch …

      Als ich das leere Glas abstellte, wandte ich mich der zweiten Person zu – einem Mann, ebenfalls in Uniform. Er grinste nicht. Ich hatte keine Ahnung, welchen Ausdruck er zur Schau getragen hatte, denn sobald ich ihn ansah, entgleisten ihm die Gesichtszüge. Sie entgleisten nicht nur, sie waren in einen bösen Unfall verwickelt. Er gab sich Mühe, sie wieder in die Spur zu bringen. Was dabei herauskam, war eine Mischung aus versteinert und wütend. Irgendetwas an mir überraschte ihn und er wirkte ziemlich angepisst. Er war Hispanic, kleiner als die Frau, ein ganzes Stück kleiner als ich. Schlank, aber definiert. Er stemmte offenbar Gewichte.

      Bevor ich meine Stimme wiederfand, drehte er sich um und ging hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen oder auf die Rufe seiner Kollegin zu reagieren.

      »Es tut mir leid«, sagte sie. »Er ist in letzter Zeit ein wenig launisch.«

      »Wegen mir?«, brachte ich heraus.

      »Zum Teil, glaube ich.« Sie musterte mich ohne ein Lächeln. Ein ehrlicher Blick, der zu sagen schien, dass ich nicht das war, was sie erwartet hatte, aber sie sich ein Urteil für später aufsparte. »Ich glaube, Liebeskummer spielt vielleicht auch eine Rolle.« Sie sah dabei Lenore an und ich war dankbar, dass Ernesto in diesem Moment ein frisches Bier vor mir abstellte.

      »Habanero-Dip«, sagte Lenore zu der anderen Frau, als könnte das jeden meiner Makel erklären.

      Die Polizistin nickte. Ich musterte sie erneut, während ich trank. Sie war eine blonde, blauäugige, nordische Schönheit, die aussah, als könne sie einen Truck anheben. Auf dem Namensschild stand Gutiérrez.

      Als ich mein Glas hinstellte, streckte sie die Hand aus. »Officer Bronwyn Gutiérrez.«

      »Ehrlich?«, fragte ich und schüttelte ihre Hand. So viel zum Thema Taktlosigkeit. »Ich meine …« Ich zuckte die Achseln und sagte wieder: »Ehrlich?«

      Sie lächelte, ein einstudiertes und vertrautes Lächeln, das sie sicher nur für diese Unterhaltung aufgespart hatte. »Meine Mutter hat englische Literatur an der USC studiert. Mein Vater war Gewerkschaftler und Anwalt.«

      »Und Sie sind Polizistin.«

      »Und ich bin Polizistin.«

      »Und zu was neigen Sie mehr, Officer Gutiérrez? Literatur oder Streiks organisieren?«

      »Ich neige mehr zur Neunmillimeter, Sir.«

      Lenore grinste mich an und sah dann weg, während sie das Grinsen hinter ihrem Bierglas verbarg. Sie sagte: »Da müssen Sie allein durch.«

      »Nun …«, fing ich an, aber verstummte dann. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte.

      »Mir ist aufgefallen, dass Sie mehr ein Cop der alten Schule sind«, sagte Gutiérrez.

      Das war eine Gelegenheit, dachte ich für eine Sekunde. Ich hätte sagen können: »Ich bin kein Cop«, und einfach gehen. Aber es gab Bier, Essen und gut aussehende, interessante Frauen. Ich hatte nicht vor, irgendwohin zu gehen.

      »Wieso genau gehöre ich zur alten Schule

      »Die 45er hinter ihrem Rücken.«

      »Sie mögen die 45er?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Die Neunmillimeter ist eine saubere Sache. Bei der Riesenknarre da geht es mehr um Gemetzel und Wut.«

      »Mein Vater hat mir die Waffe gegeben, als ich Cop wurde.«

      »Oh, ich …«

      »Das beschreibt ihn mehr oder weniger. Gemetzel und Wut. Ich würde sagen, Sie kommen eher nach Ihrer Mutter.«

      Sie lächelte wieder und schien sich ein wenig zu entspannen. Es war schwer, sie nicht sympathisch zu finden.

      »Was ist das für ein Geruch?«, wollte Gutiérrez wissen.

      Lenore nahm die Hand vom Gesicht und sagte: »Er hat sich die Haare schneiden lassen. Nebenan.«

      »Oooh, verstehe.«

      Ernest stellte einen voll beladenen Teller mit Enchiladas vor mir ab und einen weiteren mit Tacos für Lenore.

      »Wollen Sie sich uns anschließen, Bron?«, fragte Lenore.

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