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Ich dachte darüber nach und mir fiel ein, dass ich auch nie eine Textnachricht von ihm bekommen hatte. Allerdings hatte ich ihm ebenso nie eine geschickt. Meine eigene Liste war also genauso leer. Das war gar nicht so seltsam, wie ich zuerst gedacht hatte.

      Die Anrufliste reichte ein paar Wochen zurück. Die meisten der Kontakte waren eingehende Anrufe von einem M. Janssen JM. Er hatte neunmal angerufen, seitdem ich das Telefon ausgemacht und in der Tasche verstaut hatte. Das waren zu viele Anrufe für ein beiläufiges Interesse. M. Janssen hatte wohl einen Grund, damit zu rechnen, dass Paris abnehmen würde. Es gab auch Anrufe von jemandem namens Heck – eine ganze Menge. Das war die Nummer, die Paris am häufigsten angerufen hatte.

      Ich hörte die Mailbox ab, um noch ein wenig mehr herauszubekommen. Nichts. Ich sah mir erneut das Anrufer-Log an. Seitdem ich das Handy besaß, waren elf Anrufe hereingekommen, neun von M. Janssen und zwei von Heck. Keine Textnachrichten. Was auch immer Paris vor mir verheimlichen wollte, ich war mir sicher, diese beiden hatten damit zu tun. Das bedeutete, das JM nach dem Namen M. Janssen stand für Justizministerium.

      Das Telefon klingelte und ich machte mir fast in die Hosen.

      Auf dem Display stand M. Janssen JM. Natürlich. Es wurde kein Foto zusammen mit der Nummer eingeblendet. Es klingelte erneut und ich sah das Telefon an, als würde gleich die Stimme eines Dämons und nicht die eines Menschen daraus erklingen.

      Es klingelte ein drittes Mal und ich versuchte, mir klarzumachen, dass das Teil meines Plans war.

      Nach der Hälfte des vierten Klingelns tippte ich auf das »Abheben«-Symbol.

      »Wo zur Hölle waren Sie?«, fragte ein Mann. Ich ging davon aus, dass es der M. Janssen war, der unter der Nummer gespeichert war. Aber sicher war ich nicht. Dann fragte er: »Was machen Sie verdammt noch mal in Oklahoma?« Ich hatte recht gehabt, das Telefon wurde getrackt.

      »Wer ist da?«, fragte ich.

      »Milo Janssen – wer zur Hölle dachten Sie denn?«

      »Sie haben mich geweckt«, log ich und versuchte, schläfrig zu klingen. »Ich konnte das verdammte Display nicht lesen.«

      »Wer sagt eigentlich, dass Sie Zeit zum Schlafen haben? Sie sollten doch auf dem Weg nach Lansdale sein.«

      »Bin ich ja. Ich wurde nur aufgehalten.«

      »Ja«, sagte er, und ich merkte, wie er einen Gang runterschaltete. »Ich habe von der Sache mit Ihrem Halbbruder gehört. Ziemliche Scheiße.«

      »Was haben Sie gehört?«

      »Was glauben Sie denn – das ich über so was nicht im Bilde bin? Alles, was mit Ihnen zu tun hat, landet auf meinem Radar. Und wenn der Trailer Ihres Bruders in einem Riesenfeuerball hochgeht, dann erfahre ich das auf jeden Fall.«

      »Sie beschatten meine Familie?«

      »Nicht wirklich«, sagte er.

      Ich konnte das Achselzucken beinahe hören, ohne ihn zu sehen. Aber da war noch etwas anderes. Wenn ich ihn vor mir sah, stellte ich mir einen Schwarzen vor. Irgendetwas in seiner Stimme. Manchmal kann man den Straßenslang nicht völlig abschütteln. Manche wollen es auch gar nicht.

      »Longview Moody ist was anderes«, fuhr Milo fort. »Er hat für eine Reihe übler Typen gearbeitet, die sich mächtig in die Haare gekriegt haben. Ich musste ein Auge auf ihn haben.«

      »Und?«

      »Und ich habe ihn unter die Lupe genommen. Das heißt, ich habe mir angesehen, was die Jungs vor Ort so treiben und mit wem sie es zu tun hatten.«

      »Okay. Und haben Sie was gefunden?«

      »Er hat sich mit den falschen Leuten abgegeben. Das wissen Sie.«

      »Also keine Verbindung zu irgendwas …«

      »Etwa nervös?«

      »Möglicherweise«, antwortete ich ehrlich. »Vielleicht sollten wir uns treffen und reden, bevor ich den Ort betrete.«

      »Wenn ich mich je mit Ihnen Auge in Auge treffen muss, heißt das, es ist etwas gewaltig schiefgelaufen und dann wollen Sie mich lieber gar nicht sehen. Ich bin wie der Typ aus dem Comic: Sie würden mich nicht mögen, wenn ich wütend bin.«

      »Wieso denken Sie, dass ich Sie jetzt mag?«, fragte ich und versuchte nicht zu erleichtert zu klingen. Sie hatten sich nie gesehen, also kannte er Paris auch nicht besonders gut. Das vereinfachte die Sache. Ich würde nicht drauf bestehen.

      »Und wieso glauben Sie, dass mir das nicht meilenweit am Arsch vorbeigeht? Um aber Ihre Frage zu beantworten, und das war auch meine erste Frage – nein, wir haben keine Verbindung zwischen dem Tod Ihres Bruders und Ihrer Arbeit in Lansdale gefunden. Ich habe sogar das Gefühl, die Jungs vor Ort wollten es auf sich beruhen lassen und unter Tod durch Alkohol und typischen TIW verbuchen, wenn ich nicht nachgebohrt hätte.«

      »TIW?«

      »Tod-im-Wohnwagen.«

      »Verstehe.«

      »Ist so ein Redneck-Ding.«

      »Zweifellos.«

      »Standen Sie in Kontakt mit Ihrem Vater?«

      Die Frage warf mich aus mehr als einem Grund aus der Bahn. Ich wollte gerade etwas Wütendes loswerden, als mir einfiel, dass der Typ mit dem ich redete, dachte, er spräche mit Paris.

      »Nein«, sagte ich und zwang mich, ruhig zu bleiben. »Ich hielt lieber Funkstille. Nur für den Fall.«

      »Er wird die Leiche identifizieren.«

      »Was?«

      »Ihr Vater. Er wird die Identität der Leiche mit den örtlichen Behörden klären.«

      Ich hatte darüber nachgedacht. Lange. Die Frage war unvermeidlich: Wenn er wusste, dass es Paris war, würde er sich wünschen, ich wäre es gewesen? Und was, wenn er es herausbekäme? »Ich dachte, das Feuer hätte das unmöglich gemacht?«

      »DNA. Er wird nicht hingehen und sich … das ansehen. Sie haben recht, das Feuer war … na ja, soweit ich weiß, wird es keine visuelle Identifikation geben. Ihr Vater stellt seine DNA für einen Abgleich zur Verfügung.«

      Daran hatte ich gar nicht gedacht.

      »Wo waren Sie?«, fragte Milo.

      »Ich hab mich rar gemacht. Wie gesagt, nur für den Fall.«

      »Okay. Das ist in Ordnung, aber Sie müssen ein wenig besser in Kontakt bleiben. Ich sollte immer wissen, wo Sie sind. Das sind miese Typen.«

      »Welche?«, fragte ich und fischte ein wenig im Trüben.

      »Alle«, antwortete er und ignorierte den Köder. »Wann können Sie in der Stadt sein?«

      »Mindestens noch ein paar Tage. Ich …«

      »Zwei Tage.« Er schnitt mir das Wort ab. »Sie haben zwei Tage und Sie sollten nicht zur Beerdigung gehen.«

      »Wieso?«

      »Wissen Sie, warum er tot ist?«

      »Nein.«

      »Okay. Aber Sie haben den Verdacht, dass es kein natürlicher Tod war, sonst hätten Sie sich nicht auf den Weg gemacht, richtig?«

      Ich gab keine Antwort. Es gefiel mir nicht, dass Milo cleverer war, als sein Name vermuten ließ. Wer hatte überhaupt je von einem Schwarzen gehört, der Milo hieß?

      »Also«, fuhr er fort, »deswegen will ich nicht, dass Sie dort sind, um Aufmerksamkeit zu erregen. Egal welcher Art. Kein mitgefangen, mitgehangen

      »Das ist …«

      »So sieht es eben aus. Beschissen, aber das müssen Sie wohl einfach schlucken.«

      Ich wollte widersprechen, aber es war sehr viel leichter, es nicht zu tun. Nicht, dass überhaupt viele Leute auf der Beerdigung sein würden. Aber irgendjemand bemerkte vielleicht den Unterschied zwischen

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