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durch Butter. In meiner Schule gab es eigentlich nicht viele, die sich auskannten, vielleicht zwei oder so. Ich erklärte ihnen n bisschen die Regeln, damit sie keinen Scheiß machten, und basta. Und dann nehm ich den Ball und lauf los. Natürlich spielte Žukausks nicht für die vierzehnte Rugby, genauso Slanina nicht für die fünfzehnte. Das hätte mir so richtig in den Kram gepasst. Denen hätte ich die Knochen gebrochen, sie zermalmt, und diesen Javtoks hätte ich so elegant wie n Baum stehen lassen. Aber ich musste ihren Klassenkameraden den Hintern versohlen. Vielleicht würden sie ihnen ja Grüße von mir ausrichten.

      Spaß vorbei, morgen ist schulfrei, da haben wir Pläne. Die Lehrer streiken. Die Zeitungen schrieben auch darüber: »Dasgegenwärtige Lehrergehalt ist katastrophal, verboten niedrig. Außerdem liegt das Prestige des Lehrerberufs am Boden. Bis heute arbeiteten die Lehrer fleißig, übten sich in Geduld. Aber die Geduld hat ihre Grenzen.« Ich sagte es doch schon. Was kann diese Mathematikerin uns schon beibringen? Wenn du klagst, dass du katastrophal wenig verdienst, woher soll dann deine Autorität kommen? Das ist wie ne Gleichung, die sie nicht kennt. Autorität ist gleich Kohle plus deren vernünftige Verwendung. Oder im Litauischen, da mussten wir Sprichwörter auswendig lernen: »Wer liest und schreibt, der muss nicht um Brot betteln.« Was meint ihr dazu? Um Brot betteln jetzt alle, aber nicht alle kriegen welches. Und die, die lesen und schreiben, die stehen ganz hinten in der Schlange an. Einige stellen sich gar nicht erst an, denn sie sind absolut pleite. Was bringt es, diese Sprichwörter zu lernen? Wo soll ich mit denen hin? Könnt ihr euch denn den Mafia-Baranis vorstellen, der so nem Esel erklärt, was Sache ist, und plötzlich sagt: »Die Augen sind der Spiegel der Seele, du wirst mich nicht übers Ohr hauen, ich sehe und verstehe alles.« Könnt ihr euch das vorstellen? All diese Sprichwörter haben so nen Bart. Das Lebenist neu, da müssen auch neue Sprichwörter her. Deshalb werde ich den Lehrern sagen: Kannste schreiben und lesen, dann frisste nen Besen.

      Aber nicht nur zur Schule zu gehen ist fürn Arsch, sondern auch gute Noten – für die darfste dich schämen. Mein Cousin ist kaum älter als ich, aber den sehe ich auch fast nie in der Schule. Der dreht irgendwelche Dinger, und alle respektieren ihn. Ist doch klar: Du musst dich durchschlagen, nicht die Schulbank drücken. Du kaufst was, und bis dus loswirst, sind die Preise gestiegen, aber wenn dus wieder kaufen willst, sind die Preise nochhöher. So läufste wie der Hamster im Rad. Aber wie sollteste auch anders. Wenn du stehen bleibst, dann kannste dir in nem Monat den Arsch mit den Scheinchen abwischen, das Geld muss im Umlauf bleiben, damit du wenigstens auf demselben Level bleibst. Wenn du nicht dauernd läufst, dann kannstes vergessen.

      Und die Rentner … Die verlangen, dass man ihre Rente jeden Monat anhebt, aber wie soll das gehen? Meine Mutter kam irgendwie durch, aber Taschengeld gabs fast keins. Fürs Mittagessen, n Kinoticket oder auch in die Disco. N waschechter Feiertag. Sie war Friseurin. Kein Superberuf, aber zum Friseur mussten alle. Natürlich, du kannst dir auch ne Schüssel überstülpen und dir die Haare selbst schneiden, aber dann siehste aus wie Jim Carrey in Dumm und Dümmer. Das ist aber nur im Film saulustig, und wir befanden uns im Leben, und nicht in irgendeinem, sondern in dem, das in Šiauliai stattfand und in dem die bereits erwähnten Autoritätsformeln galten. Deshalb gab es hier einige Grundregeln. Was die Frisuren betrifft, kann ich dazu nur sagen, dass für meine Mum die Anforderungen zu hoch waren. Also ging ich zu ihrer Freundin, die mir auch umsonst die Haare schnitt. Man musste mit nem Flattop rumlaufen. Na, wie Arnie im Terminator oder Pippen von den Chicago Bulls oder Chris Mullins, der zusammen mit Marčiulionis bei den Golden State Warriors spielte. Und auch bei uns – Minde Žukausks, Slanina, Javtoks – alle mit Flattop, deshalb wurde über die Frise nicht diskutiert. Damit war alles klar.

      Mein Dad arbeitete als Lagerarbeiter im Fleischkombinat. Falls jemand von euch denkt, das ist scheiße, dann kann ich nur so viel dazu sagen: Er erzählte nie viel von seiner Arbeit, aber an Knete fehlte es nie. Genau damals kaufte er sich wie aus heiterem Himmel n Auto, dabei hatte er nicht mal nen Führerschein. Warum auch, wenn er sich sowieso nie ne Karre würde leisten können. Und jetzt – seht ihn euch an! Da habt ihr euren Lagerarbeiter.

      Also, Dad hatte mir geräucherte Würste aus seiner Fabrik organisiert, morgen streiken die Lehrer, also ab nach Riga und wieder zurück mit Kapital, das man mit den Händen greifen kann. Und wenns rund läuft, dann ist alles chicago bulls.

      6

      Diesmal fuhr ich mit nur einer Tasche, dafür fein säuberlich in Lagen vollgestopft mit geräucherten Würsten. Das ist was ganz anderes als Brot. Bei dem schleppste zwei volle Säcke mit und weißte gar nicht, wohin damit. Und dann kommste zwar nicht in die roten Zahlen, aber zockst dreimal weniger ab als mit den Würsten. Nach meinen Berechnungen hätte ich, wenn alles glatt ging, etwa sechzig Bucks in der Tasche, und damit lässt sichs schon spielen. Etwas zur Seite legen, bei der Bank, die zahlte ja jetzt ganz passable Zinsen, den Rest an verschiedenen Fronten in Umlauf bringen, um sich n bisschen gegen Risiken abzusichern. Jetzt aber hatte ich all meine Knete reingesteckt, die mir noch von Polen geblieben war, und Dad hatte auch noch was dazugelegt.

      Wir fuhren also eher ruhig nach Riga. Wem sollte denn schon ne kleine Tasche auffallen, wenn rundherum Säcke voller Brot standen? Wir quatschten mit allen über die Preise und was wo besser lief. So ne Schabracke hatte furchtbares Mitleid mit den Ukrainern am Bahnhof in Šiauliai. Die würden dort einer nachm anderen skalpiert. In Riga wäre das nicht so. Einmal sollen zwei Typen angetanzt sein, angeblich aus der Polizeiwache Prūdelis. Einer zeigte nen alten Ausweis der freiwilligen Hilfspolizei, der andere nen Führerschein. Woher sollten die Ukrainer denn auch wissen, wie die Ausweise der Polente hier aussahen? Zahlen!, sagten die. N andermal kam einer mit nem echten Polypen, nem neunzehnjährigen Lümmel von eben jener Polizeiwache, und verdonnerte n Taras zu ner Geldstrafe von tausend Talonai. Als jener rumzumotzen begann, tauchten andere Polypen auf, na echte, und sahen zu, dass er sich schnell wieder einkriegte. Jetzt standen Name, Vorname und Adresse des Strafgeldforderers in unserer Zeitung. Irgendwie schnallte ich nicht ganz, warum die dort andauernd die Adressen von irgendwelchen kleinen Fischen veröffentlichten. Vielleicht, damit dieser Taras in die Krimstraße gehen und ihn zu Mus hauen kann? Oder vielleicht, damit andere mit nem Businessplan bei ihm vorbeischauen und sich Uniform und Ausweis von ihm ausleihen?

      Lauter Zirkus. Genau wie mit diesen Präsidentenwahlen. Mir ja egal, ich konnte weder wählen noch sonst was, aber dafür reichten die Themen, damit im Zug keinem langweilig wurde. Der Geilste war dieser Vilkaitis, der Kandidat des litauischen Ablegers der Weltbewegung der Essenden. Der ratterte durchs ganze Land, verteilte Semmeln und rief: »Wer hat, der beiße!« Ob das denn nicht eine Verhöhnung der Leute wäre, sagte ne Frau, die nicht nur keine Semmeln, sondern auch sonst kein Brot bekamen.

      Im TV zeigten sie seinen Stellvertreter, Erlickas, den humoristischen Autor, wie er die Fragen der Journalisten beantwortete. Der brachte die Lippen nicht auseinander, sprach irgendwie ausm Bauch und zeigte irgendwas mit den Fingern, während n anderer den Journalisten zu übersetzen versuchte, was der Vizepräsident sagte. Minde und ich lachten uns krumm, so beknackt war das. Vilkaitis isn guter Schauspieler und Erlickas ist überhaupt n Supertyp. Sie zeigten Ausschnitte aus nem Theaterstück von ihm, da macht er alle Präsidenten und Möchtegernpolitiker voll konkret zur Schnecke.

      Als wir uns Riga näherten, sang Minde wieder sein altes Lied.

      »Dann also bei den Markthallen?«

      »Bei welchen Markthallen denn? Hab dir doch gesagt, dass die uns dort aufsammeln kommen, da kannste Gift drauf nehmen.«

      »Mit den Broten haben die uns kein einziges Mal eingepackt, warum sollten sie das jetzt? Unsere Ware geht weg wie warme Semmeln, und dann ab mitm nächsten Zug nach Hause!«

      »Einmal ist immer das erste Mal.«

      »Beim ersten Mal gibts Blut aufm Laken. Das ist nicht das erste Mal.«

      »Was laberste da? Welches Blut denn? Kommt mir mit Laken daher.«

      »Fürn Arsch ist das, hierher zu tuckeln und dann nicht richtig Cash zu machen.«

      »Hörma, wenn du willst, dann stell du dich doch vor diese Hallen. Wir müssen ja nicht Händchen halten. Und wenn du wieder daheim bist, dann such dir ne Tusse, und dann reden wir weiter über Laken und so.«

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