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zu sich heran und rief: »Nicki, ich möchte dich gern mit dem Grafen Hilgenberg bekannt machen.«

      Nicki glaubte, im Boden versinken zu müssen.

      Graf Hilgenberg …, das war ihr Mathias!

      Sie wäre am liebsten davongelaufen, doch sie hatte keine Chance, Roberta, bestens gelaunt, hatte sie am Arm genommen. »Graf Hilgenberg, darf ich Sie mit meiner allerbesten Freundin, Nikola Beck … Nicki, bekannt machen?«

      Ihre Blicke begegneten sich. Sie versanken ineinander.

      Sie hielt es nicht länger aus, sie murmelte so etwas, was klang wie »ich freue mich«, dann schob sie die Leute beiseite und lief davon.

      Sie hörte nicht, wie Roberta ihren Namen rief, sie spürte nicht die verwunderten Blicke, die sie trafen. Sie war nur von einem beseelt …, sie wollte weg, nichts als weg.

      Sie hatte sich ein Bein ausgerissen, ihn wiederzusehen, sie hatte ein Vermögen an Wahrsager und noch mehr ausgegeben.

      Es war nicht einmal gelogen, sie hatten davon gesprochen, dass er in der Nähe war. Nur niemand von ihnen hatte ihr erzählt, dass ihr Mathias zufällig ein Graf war, der auf einem stattlichen Anwesen residierte.

      Wie peinlich!

      Sie hatte ihn für jemanden gehalten, der knapp bei Kasse war, sie hatte ihm nicht nur eine Currywurst spendiert, und er hatte sich vermutlich innerlich kaputtgelacht.

      Sie hatte sich in ihn verliebt, sie hatte geglaubt, ihm ginge es ähnlich, dabei lagen zwischen ihnen Welten, Ozeane.

      Wäre sie bloß nicht mitgegangen, dann wäre ihr einiges erspart geblieben.

      Mathias Graf Hilgenberg!

      Das musste sie erst einmal verdauen.

      Sie kam völlig außer Atem an Robertas Haus an, und dort packte sie in Windeseile erst einmal ihre Sachen zusammen.

      Was da geschehen war, das hatte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen.

      Das war grotesk! Das war eine Farce!

      Ihre Gefühle fuhren mit ihr Achterbahn, und die schwankten zwischen Zorn, Enttäuschung und …, sie wusste nicht, was noch.

      Nicki war innerlich so aufgewühlt, dass sie nicht einmal weinen konnte. Das wäre jetzt eine Erleichterung gewesen.

      Sie wollte gerade für Roberta ein paar erklärende Zeilen hinterlassen, als die nach Hause kam. Sie war ziemlich aufgebracht. Bei allem Verständnis für Nicki und die Eskapaden, die es bei ihr immer wieder mal gab, das war jetzt zu weit gegangen.

      »Kannst du mir mal sagen, was das jetzt zu bedeuten hatte?«, wollte Roberta wissen.

      Nicki musste sich erst einmal setzen.

      »Roberta, ich fühle mich so was von, entschuldige bitte den Ausdruck, doch mir fällt kein besserer ein, verarscht.«

      »Nicki, du hast dich danebenbenommen, dein Auftritt war mehr als peinlich.«

      Nicki konnte nicht mehr, sie begann zu weinen.

      Sofort war Roberta wieder besänftigt, sie fasste ihre Freundin bei der Schulter.

      »Nicki, was ist los? Weswegen weinst du jetzt?«

      Es dauerte eine Weile, ehe Nicki ihr eine Antwort geben konnte, und dann erzählte sie ihrer Freundin unter Schluchzen, was geschehen war.

      »Dieser Graf ist mein Mathias, er hat mir etwas vorgemacht, er hat sich auf meine Kosten amüsiert. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als ich erfahren musste, dass der vermeintliche arme Mann, den ich in Erinnerung hatte, ein Graf ist, nicht nur das, dass er in diesem Anwesen da oben residiert?«

      Oh Gott!

      Damit hätte Roberta nun nicht gerechnet!

      Welch furchtbares Missverständnis.

      Dennoch …

      »Nicki, du hättest nicht davonlaufen müssen. Graf Hilgenberg hätte bestimmt alles aufgeklärt.«

      Nicki wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

      »Das hätte er tun müssen, als wir uns damals trafen, als er den armen Mann mimte, der in teuren, aber alten Klamotten herumläuft, der nicht die Kohle hatte, angeblich wohlgemerkt, sich eine Currywurst zu kaufen. Wie peinlich! Ich wünsche diesem Grafen die Pest an den Hals.«

      Nicki war impulsiv, sie machte aus ihrem Herzen keine Mördergrube, deswegen nahm Roberta das mit der Pest auch nicht so ernst.

      »Nicki, noch einmal, du hättest bleiben müssen.«

      Nicki schüttelte den Kopf.

      »Nein, Roberta, wozu denn? Mit dem anderen Mathias hätte ich etwas anfangen können, mit einem Grafen nicht. Ich möchte jetzt nach Hause fahren.«

      »Nicki, das geht in deinem Zustand überhaupt nicht. Weglaufen ist übrigens auch keine Lösung.«

      Roberta konnte reden wie sie wollte, sie konnte bitten, sie konnte drohen. Nicki war von ihrem Vorsatz nicht abzubringen, und so gab Roberta schließlich nach. Nicki musste ihr versprechen, langsam zu fahren und sich direkt zu melden, wenn sie daheim angekommen war.

      Das versprach Nicki.

      Es war so anders gelaufen als gedacht, es war wie im wahren Leben.

      Dass Graf Hilgenberg Nickis Mathias war, damit hätte niemand rechnen können. Roberta war sich sicher, dass es für sein Verhalten eine Erklärung gab, aber Nicki war für nichts mehr zugänglich.

      Roberta begleitete ihre Freundin noch zu deren Auto, und dann blickte sie ihr nach, bis sie um die Ecke verschwunden war.

      Graf Hilgenberg Nickis Mathias. Das war schon was, damit hätte auch sie nicht gerechnet. andererseits, der Graf legte ganz offensichtlich keine großen Wert auf seine Kleidung. Er lief immer ein wenig herum wie jemand, der sich nichts Neues erlauben konnte. Doch das hatte er mit den englischen Lords gemeinsam. Wenn man die sah, hatte man auch immer das Gefühl, ihnen etwas Geld geben zu müssen, damit sie sich eine neue Hose, eine neue Jacke oder einen neuen Pullover kaufen konnten. Das war das Understatement, das sie bewusst kultivierten, und Graf Hilgenberg tat es auch.

      Hoffentlich kam Nicki heil zu Hause an. Sie hätte sie nicht fahren lassen dürfen.

      Roberta wusste, dass sie erst wieder zur Ruhe kommen würde nach Nickis Anruf.

      Dumm gelaufen!

      Mehr fiel Roberta augenblicklich zu allem nicht ein.

      *

      Peter Bredenbrock hätte sich gern weiter mit der Freundin der Frau Doktor unterhalten, doch die war plötzlich wie vom Erdboden verschwunden gewesen. Und auch die Frau Doktor hatte dieses Kennenlerntreffen sehr schnell verlassen.

      Gut, lange war er ebenfalls nicht geblieben. Maren und Tim waren zu Hause geblieben. Und sie allein zu wissen, ließ ein ungutes Gefühl in ihm aufsteigen. Ilka war unberechenbar, sie stand mit dem Rücken zur Wand, nachdem ihre Träume von einem Leben an der Seite eines jungen Rockmusikers geplatzt waren. Er konnte mit ihr umgehen, doch er wollte nicht, dass Ilka in den Seelen der Kinder einen noch größeren Schaden anrichtete. Maren und Tim waren gerade dabei zu vergessen, was geschehen war und was ihre heile Welt zerstört hatte.

      »Papa, hat es dir bei dem Grafen nicht gefallen?«, erkundigte Tim sich.

      »Nicht wirklich, ich bin viel lieber mit euch zusammen.«

      Das schien die Kinder zu freuen.

      Dennoch verhielten sie sich ein wenig merkwürdig, gedrückt. Peter konnte es fühlen. In der kurzen Zeit, in der er nicht zu Hause gewesen war, musste etwas passiert sein.

      Ilka?

      Sofort gingen alle Alarmglocken bei ihm an.

      Er merkte, wie er ein flaues Gefühl in der Magengegend bekam. Und noch während er darüber nachdachte, wie er seine Fragen formulieren sollte,

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