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er wird sein Versprechen auch halten. Zunächst einmal war es für ihn wichtig, sich selbst in seinem neuen Leben einzurichten, und vergiss nicht, dass er auch seine beruflichen Aktivitäten von dort oben regeln will. Das muss geplant und durchgeführt werden. Er muss keinen Zugang für alle Leute zur Felsenburg schaffen. Sie gehört zu seinem Besitz.«

      »Früher war halt alles anders«, bemerkte Inge.

      »Früher hatten wir auch einen Kaiser«, Teresas Stimme klang leicht ungeduldig. »Ich kann das mit der Felsenburg nicht mehr hören. Vor allem mokieren sich Leute darüber, die niemals hinaufgegangen sind. Wenn es nach mir ginge, würde ich keinen Zugang zur Ruine schaffen. Du lässt doch auch nicht Menschen durch deinen Garten laufen, damit sie sich den See angucken können. Graf Hilgenberg ist ein sehr netter Mensch, und Sophia kennt die Familie. Um noch einmal darauf zurückzukommen, was du gesagt hast, dass früher alles anders war. Marianne von Rieding hatte nie einen richtigen Bezug zu dem Besitz, sie weiß nicht, was alte Traditionen sind. Das sage ich jetzt nicht abwertend. Aber es ist so. Wäre uns unser Besitz erhalten geblieben, hätten Magnus und ich uns auch abgegrenzt. Man ist freundlich und nett zu seiner Umgebung, verhält sich seinen Angestellten gegenüber korrekt, aber man verbrüdert sich nicht mit ihnen.«

      »Mama, du bist ein Snob. Außerdem lebst du nichts von dem, was du da gerade erzählst.«

      »Weil sich alles verändert hat. Es wäre sehr töricht, etwas leben zu wollen, was es nicht mehr gibt. Ich sage es immer wieder, alles hat seine Zeit, man muss mit den Gegebenheiten leben.«

      »Nun, Angela von Bergen scheint dann zurückzublicken, sie hat ihren Mädchennamen angenommen.«

      Teresa winkte ab.

      »Darüber haben wir bereits gesprochen, und da warst du durchaus meiner Meinung. Angela hat ihren Mädchennamen angenommen, weil sie durch nichts an ihren schrecklichen Ehemann erinnert werden möchte. Ich habe ihr dazu geraten, und dazu stehe ich auch. Inge, deswegen müssen wir wirklich nicht streiten. Es macht mich nur wütend, dass alle auf den Grafen Hilgenberg sauer sind, weil er für seinen Besitz andere Regeln einführt.

      Er lädt alle Leute aus dem Sonnenwinkel ein, damit sich alle bei ihm treffen. Erinnere dich, dass Frau von Rieding oder die Münsters nur einen ausgewählten Personenkreis zu sich eingeladen haben. Aber nun Schluss mit dem Thema. Ich fahre jetzt nach Hohenborn, und wenn du magst, dann kannst du mitkommen.«

      Inge überlegte kurz, dann lehnte sie ab.

      »Danke, Mama, ich bleibe lieber hier. Falls Pamela es sich anders überlegt, möchte ich das Kleid zu Ende nähen, das sie sich gewünscht hat.«

      Nähen konnte Inge ebenfalls sehr gut. Eigentlich konnte sie alles, vor allem stand sie mitten im Leben, und da konnte Teresa stolz auf sich und Magnus sein. Sie hatten ihre Tochter zu dem gemacht, was sie war.

      *

      Nicki erzählte eigentlich ihrer Freundin immer alles. Die Begegnung mit dem Mann am See behielt sie für sich. Roberta hatte wirklich für alles Verständnis, sie wäre ziemlich irritiert, wenn sie erführe, dass Nicki schon wieder an einen anderen Mann dachte, nachdem sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um ihren Mathias zu finden.

      Dachte sie an den Mann, der vielleicht Dr. Bredenbrock hieß, weil er interessanter war als Mathias?

      Oder war es, weil sie aufgegeben hatte, Mathias zu suchen, der offensichtlich nicht mehr war als ein Phantom?

      Sie hatte keine Ahnung, und sie war deswegen ziemlich verwirrt.

      Am liebsten wäre Nicki nicht mit zu diesem Treffen gegangen. Sie tat es nur in der Hoffnung, ihrem Retter zu begegnen.

      Roberta sah in ihrem schmalen, schlichten Kleid aus leichter Wolle sehr hübsch aus. Dazu trug sie eine schön geschnittene Jacke.

      Nicki seufzte.

      Roberta konnte anziehen was sie wollte, sie stellte immer etwas dar.

      Sie selbst fühlte sich in ihrem Kostüm ein wenig verkleidet. Sie hätte am liebsten eine Hose und ein Twinset angezogen. Da sie jedoch nicht wusste, was bei ›Grafens‹ so verlangt wurde, hatte sie sich für das Kostüm entschieden.

      Ihre Haare hatte sie ordentlich hinten zu einem Knoten hochgesteckt.

      »Du siehst toll aus, Nicki«, rief Roberta spontan, als sie ihre Freundin sah, »du solltest viel öfter so herumlaufen.«

      Da Nicki wusste, dass sie das nicht tun würde, antwortete sie nicht.

      Sie machten sich auf den Weg, und der halbe Sonnenwinkel schien unterwegs zu sein. Nicki stellte fest, dass die Menschen sehr unterschiedlich angezogen waren, doch herausgeputzt hatten sie sich irgendwie alle.

      Als sie den größten Teil der Wegstrecke hinter sich gebracht hatten und um die Ecke bogen, blieben sie stehen.

      Man sah das Herrenhaus, die Dependance, doch mittendrin stand ein großes weißes Zelt.

      »Der Herr Graf will das gemeine Volk offensichtlich nicht in sein Wohnzimmer lassen«, spottete Nicki. »Weißt du, wenn ich so etwas sehe, habe ich schon keine Lust mehr.«

      Sie wollte sich umdrehen, zurückgehen, doch Roberta hielt sie zurück.

      »Nicki, ich weiß, dass du nur meinetwegen hier bist, eigentlich wolltest du das nicht. Und nun suchst du ein Haar in der Suppe. Ich finde das mit dem Zelt eine geniale Idee. Auch wenn das Herrenhaus sehr groß ist, kann man unmöglich alle Leute des Sonnenwinkels darin unterbringen. Im Zelt geht das. Also, reiß dich zusammen, mir zuliebe. Wir müssen nicht lange bleiben, okay?«

      Nicki zuckte die Achseln, dann gingen sie weiter hinauf bis zu dem Zelt, das bereits ziemlich gefüllt war. An einer Seite war ein kaltes Buffet aufgebaut, die Tische waren hübsch eingedeckt. Es sah alles sehr gut aus, man hätte hier auch eine Hochzeit feiern können, so stilvoll war es. Der Graf hatte sich nicht lumpen lassen. Von dem sah man nichts, er machte vermutlich bei den Leute, die zuerst gekommen waren, shake hands.

      Da Roberta überall bekannt war, musste sie viele Hände schütteln, und Nicki langweilte sich, zog sich ein wenig zurück, überlegte, wie sie sich unauffällig entfernen könnte.

      Sie zuckte zusammen, als eine Männerstimme sagte: »So sieht man sich wieder.«

      Sie wirbelte herum und sah in die Augen ihres Retters. Ihr ging es sofort besser.

      »Ich wusste überhaupt nicht, dass Sie im Sonnenwinkel wohnen. Warum sind Sie mir nie aufgefallen?«, machte er ihr ein Kompliment. Dann stellte er sich vor, und es war Dr. Bredenbrock, wie von Teresa von Roth vermutet.

      »Ich wohne nicht hier, sondern ich besuche nur meine Freundin, die Frau Dr. Steinfeld, und die hat mich dazu verdonnert, sie zu begleiten.«

      »Und ich bin in erster Linie hier, um Menschen kennenzulernen, in deren Nachbarschaft ich wohne, noch nicht lange, wohlgemerkt.«

      Nicki verkniff sich die Frage, wie man aus freien Stücken in den Sonnenwinkel ziehen konnte. Jeder hatte für alles seine Gründe, und Roberta war schließlich hier ebenfalls gelandet, und schlimmer noch, sie fühlte sich wohl.

      Sie unterhielten sich angeregt. Irgendwann zuckte Nicki zusammen, weil sie tatsächlich glaubte, Mathias gesehen zu haben. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihn nicht mehr entdecken. Sollte sie daran erinnert werden, dass es Mathias war, der bei ihr Begehrlichkeiten erweckte? Sie bekam ein schlechtes Gewissen, und sie entschuldigte sich rasch mit dem Bemerken, ihre Freundin suchen zu müssen.

      Er war wirklich sehr, sehr nett, dieser Dr. Bredenbrock.

      Ob es wohl eine Frau Bredenbrock gab? Offensichtlich nicht, sonst wäre er nicht allein gekommen.

      Nicki entdeckte ihre Freundin in einem Pulk von Menschen, da schien es ja etwas Interessantes zu geben. Neugierig näherte sie sich den Leuten, und dann erstarrte sie.

      Nicht Roberta war der Mittelpunkt, nein, es war …

      Es konnte nicht wahr sein!

      Ihre Fantasie musste

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