Скачать книгу

Südenglands dem dunkelblauen Wasser des Ärmelkanals wichen. »Ich hab einfach nur 'nen miesen Tag.«

      »Das kenn ich.« Sie lächelte nach wie vor. »Wo wir gerade von Gründen dafür sprechen, sich zu betrinken: Ich fliege diese Strecke drei Mal im Monat. Die Firma, für dich ich arbeite, ist in Zürich ansässig, und die einzigen männlichen Angestellten sind ein Haufen Affen, die mich jedes Mal in total holprigem Deutsch anzubaggern versuchen. Das ist echt so was von peinlich – für die natürlich.«

      »Das tut mir leid«, entgegnete Declan auf Deutsch und grinste kurz, bevor er einen weiteren Schluck trank. Unhöflich zu sein, entsprach eigentlich gar nicht seiner Art, also konnte er sie nicht einfach links liegenlassen. Er hoffte deshalb, dass sie sich rasch langweilte, sodass sie sich eine Illustrierte zum Lesen nehmen oder wie die meisten anderen Passagiere, anfangen würde, mit ihrem Handy zu spielen.

      Zunächst aber lachte sie auf. »Und Sie fliegen beruflich oder zum Spaß in die Schweiz?«

      Declan überlegte einen kurzen Augenblick. »Beruflich, kann man wohl sagen.«

      »In welcher Branche arbeiten Sie denn?«

      »Immobilien.«

      »Steinbauer oder Zetterberg?«

      Declan sah sie begriffsstutzig an. »Weder noch.«

      »Das sind aber die beiden größten Immobilienkonzerne im Land. Ich hätte deshalb fest auf einen der beiden getippt.«

      »Ich bin freischaffend.«

      »Ach so.« Sie klang sofort beeindruckt. »Auf seine raue Art attraktiv und reich. Der Tag wird ja immer besser.«

      Declan wollte etwas erwidern, doch sie kam ihm zuvor.

      »Moment, jetzt weiß ich es: Nun kommt die Stelle, an der er ihr sagt, dass er verheiratet ist, richtig?«

      Das ärgerte ihn. Sicher, er war verheiratet, die Frage war nur: wie lange noch? Szenen und Satzfetzen ihres letzten Streits drängten sich ihm unwillkürlich wieder auf. Sie würde nach dem, was am vorangegangenen Abend passiert war, doch nicht ernsthaft in die Staaten zurückreisen, oder? Käme sie überhaupt an den Polizisten vor der Tür der Suite vorbei, wenn Sie es versuchte? Declan hätte Allardyce anrufen und ihn bitten sollen, die Beamten gesondert zu warnen. Dann wäre sie zwar noch wütender auf ihn geworden, aber zumindest sicher gewesen.

      »Das fasse ich dann mal als Ja auf.«

      »Nein. Ich meine doch, richtig, aber … momentan kriselt es sozusagen bei uns.«

      »Hmm. Den Whiskey schütten Sie also ihretwegen in sich hinein?«

      Er nickte.

      »Ein Strohwitwer also. Na wunderbar – Schwule, Säufer oder Strohwitwer. Irgendeinen Haken gibt es immer.«

      »Tut mir leid.« Er ließ sich das Ganze kurz durch den Kopf gehen. Eigentlich tat es ihm nicht leid. Denn er kannte die Frau nicht und hatte im Moment wirklich ernstere Probleme, als besorgt sein zu müssen, einer Wildfremden auf die Füße getreten zu sein. Er strengte sich zwar an, über das bevorstehende Treffen nachzudenken und seine Aussagen vorzuformulieren, aber sein Ehestreit unterbrach ihn ständig bei dieser Aufgabe. Darum ließ er sich noch eine großzügige Menge aus dem Fläschchen in seiner Hand die Kehle hinunterrinnen.

      »In meinem Alter muss man darauf gefasst sein, über die eine oder andere Unebenheit hinwegzusehen, also lassen Sie hören: Was hat sie angestellt, dass Sie Ihren Kummer im Whiskey ertränken?«

      »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich lieber nicht darüber sprechen.«

      »Dann eben über etwas anderes. Ich heiße Penny, wie darf ich Sie nennen?«

      »Declan.«

      Jetzt fiel sie ihm allmählich wirklich auf die Nerven. Wer war dieses Gör? Er war im Laufe der Jahre schon oft geflogen und noch nie auf ein derart brennendes Interesse seitens anderer Fluggäste gestoßen, noch dazu so kurz nach dem Start. Bisweilen hatten sich manchmal zu einem späteren Zeitpunkt Unterhaltungen ergeben, doch auch das nur selten aufgrund moderner Geräte vom E-Book-Reader bis hin zum Smartphone. Die meisten Menschen beschäftigten sich heutzutage lieber mit sich selbst. Warum fragte diese Frau ihn also dermaßen aus? Gab es dafür nicht Partnerschaftsbörsen im Internet? Er wusste natürlich, dass er nach gängigen Maßstäben attraktiv war, doch sein Bauch sagte ihm die ganze Zeit, dass hier etwas nicht stimmte.

      »Ein Ire, nicht …«

      Er flüsterte nun: »Sie tragen ein bisschen zu dick auf.«

      Sie schaute ihn erneut an, und ihr verging das Lächeln.

      »Der Trick besteht darin, dass man natürlich wirkt, so als sei man tatsächlich die Person, die man darstellen will.«

      »Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Sie stand auf und strich nervös ihren Rock glatt. »Wahrscheinlich sind Sie doch verdrehter obenrum, als ich gedacht habe. Entschuldigen Sie mich bitte.«

      Sie hatte laut genug gesprochen, um die Aufmerksamkeit mehrerer anderer Passagiere in ihrer Nähe auf sich zu lenken. Nachdem sie in den Gang getreten war, ging sie zur Toilette im hinteren Teil der Businessclass.

      Declan dachte kurz nach und erhob sich dann ebenfalls. Während er der Frau folgte, schaute er sich in dem Flugzeug um, um sich einen Überblick über seine Mitreisenden zu verschaffen. Alle widmeten sich wieder dem, was sie zuvor getan hatten, bevor sie von dem »streitenden Pärchen« gestört worden waren. Er zog den Trennvorhang der Flugkabine zu, woraufhin er in einem engen Raum vor dem bereits geschlossenen Vorhang der zweiten Klasse stand.

      »Verflucht noch mal!«, schimpfte die Frau, als er die Tür festhielt, die sie gerade hatte schließen wollen, und die Toilette zusammen mit ihr betrat. »Was fällt Ihnen …«

      »Mund halten!« Er drehte das Schloss an der Tür. Obwohl die Toilette in der ersten Klasse größer war, standen sie dicht voreinander und berührten sich fast mit den Nasenspitzen. Declans Blick ruhte mehrere Sekunden lang auf ihr, während sich die Vorstellung, die junge Dame sei hier, um ihn zu überwachen, in seinem Kopf verfestigte, weil sie offenbar keine Furcht angesichts eines Mannes zeigte, der sie in die Enge trieb. Sie wusste also genau, wer er war.

      »Falls Sie das Beste sind, was Allardyce zu bieten hat, sollte Großbritannien die Qualitäten seiner Geheimdienste wohl mal gründlich überdenken.«

      Sie erwiderte seinen Blick mit Argwohn.

      Declan packte die kleine Handtasche, die sie bei sich hatte.

      »Nein!« Sie hielt sie so fest, wie sie konnte.

      Er riss sie ihr aus der Hand, öffnete den Reißverschluss und ließ dann den Inhalt kurzerhand ins Waschbecken fallen. Aber nichts Unübliches kam zum Vorschein. Darum steckte er eine Hand hinein und tastete sorgfältig das Futter ab. Als er etwas darunter fühlte, riss er es einfach auf. Anschließend nahm er einen dünnen, schwarzen Geldbeutel heraus. Dieser war zwar nicht das, was er suchte, aber er war versteckt gewesen und deshalb einen genaueren Blick wert.

      Penny schloss daraufhin ihre Augen und atmete laut aus.

      »Verteidigungsministerium«, meinte Declan nach dem Aufklappen des Geldbeutels, als er den Ausweis darin sah. »Harper, Gertrude.«

      Beim Hören ihres Namens verdrehte sie die Augen.

      Während Declan die anderen Informationen untersuchte, war er sich klar darüber, dass bestimmt so gut wie alles getürkt war. Er wusste genau, dass das Personal vom MI5 und MI6 auf bestimmten Ebenen gelegentlich Ausweise des Verteidigungsministeriums bei sich trug, und viele ihrer Angestellten schoben diese Behörde zum Schutz von Freunden und Verwandten vor.

      Obwohl er sich sicher war, dass sich die Praktiken der Geheimdienste im Laufe der Jahre öfter geändert hatten, wurde ihm bewusst, dass er sich vermutlich immer noch besser mit ihnen auskannte als der Durchschnittsbürger. Anfang der 1990er hatte er sie mithilfe von nicht reputierlichen Quellen studiert, weil er fest davon überzeugt gewesen war, dass die Black-Shuck-Einheit

Скачать книгу