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beobachtete, wie McIver im Gedränge auf der Straße verschwand. Zuletzt sah er, wie sich der Mann bei zwei Frauen entschuldigte, die miteinander geplaudert hatten, als er zwischen ihnen hindurchging. Sein offenes Jeanshemd blähte sich ein wenig hinter ihm auf. Der Gedanke daran, der Innenministerin erklären zu müssen, wieso er sich weiterhin mit jemandem traf, obwohl man ihn davor gewarnt hatte, den Kontakt aufrechtzuerhalten, war ihm mehr als unangenehm.

      Tom Gordon bog in Richtung Whitehall ab und ließ nach einem Gebäudeblock seine Fensterscheibe hinunter. Er hupte kurz, als er die Abzweigung links in die Downing Street nahm, und bremste mit dem schwarzen Ranger Rover vor dem Einfahrtstor. Dann hieß es warten, solange die schwerbewaffneten Wachen den Unterboden des Wagens mit einem Spiegel überprüften und die beiden Insassen taxierten. Schließlich wurden sie durchgewunken. Die Weiterfahrt über das Kopfsteinpflaster der Straße gestaltete sich äußerst ruckelig, bis sie endlich vor Hausnummer 10 anhielten, einer der berühmtesten Adressen der ganzen Welt.

      »Guten Morgen, Direktor Allardyce.« Ein Bediensteter öffnete ihm die Tür und hielt sie fest.

      »Guten Morgen.« Dennis ging geradewegs und ohne Unterbrechung auf die glänzende schwarze Tür zu, auf deren silbernem Anschlag die Zahl 10 stand. Man öffnete ihm, woraufhin Allardyce einen prächtig hergerichteten Empfangsflur mit einem dunkelroten Teppichläufer betrat, der einen Teil des Würfelparkettbodens bedeckte. In den drei Jahrzehnten, seit er zum ersten Mal in dem dreistöckigen Haus aus schwarzem Backstein gewesen war, hatte er mehrere Amtsträger ein- und ausziehen sehen. Mit einigen von ihnen war Allardyce besser ausgekommen als mit anderen, und obwohl die gegenwärtige Bewohnerin seiner politischen Partei angehörte, weckten sowohl das Gebäude selbst als auch die Entscheidungen, die darin getroffen wurden, bis heute Ehrfurcht in ihm. Vor allem, nachdem er aufgrund der Situation in Nordirland einmal mehr in Bedrängnis geraten war. Während er sich bemühte, sein Unbehagen zu verdrängen, ging er weiter über den Flur und anschließend in einen offenen Raum, wo eine stattliche Treppe gewunden an der zur Hausseite gehörenden Wand hinaufführte. An deren Fuß baute sich ein Leibwächter in Schwarz vor ihm auf, als Allardyce näherkam.

      »Sir.«

      Er nickte ihm zu und nahm dann die Stufen in Angriff. Auf der Höhe des mittleren Absatzes zum ersten Stock hin begann an der Wand eine Porträtgalerie. Beim Weitergehen las er langsam die Namen auf den schmalen Messingplaketten, die jeweils unten an den Rahmen angebracht worden waren. Er hatte dieselben Fotos zwar schon viele Male gesehen, doch ihre Geschichtsträchtigkeit beruhigte ihn aus irgendeinem Grund, wenn er die vergangenen Jahrhunderte Revue passieren ließ. Beginnend mit Sir Robert Walpole 1721, reihten sich die Bilder auf dem kanariengelben Putz bis zum Absatz des Obergeschosses aneinander. Jedes von ihnen zeigte einen ehemaligen Premier mit elegant vor dem Körper gefalteten Händen. Im letzten Rahmen hing ein Schwarz-Weiß-Foto des vorherigen Ministers. Ein Bild seiner Nachfolgerin würde man erst hinzufügen, wenn diese ihr Amt niederlegte.

      Ein Wachmann mit steinerner Miene packte den Knauf einer Tür links hinter dem oberen Absatz und öffnete sie für ihn. Allardyce rückte daraufhin seine Krawatte zurecht und trat dann über die Schwelle, woraufhin das Schloss hinter ihm leise klickte, als sei eine Stecknadel auf den Boden gefallen. Von der Ecke des rechteckig angelegten Zimmers aus schaute er in sieben Gesichter, die seinen Blick erwiderten; teils mürrisch, teils vollkommen teilnahmslos.

      »Direktor Allardyce«, sagte eine Frau im strengen Tonfall. Sie saß ganz hinten gegenüber an einem Kamin mit Eisengitter. »Wir haben gerade eben erst über Ihre Unpünktlichkeit gesprochen.«

      »Madame Prime Minister.« Er ging um die Sitzgelegenheiten herum auf die Frau mittleren Alters mit den hellbrauen, schulterlangen Haaren zu, die einen olivgrünen Hosenanzug und schwarze Perlenohrringe trug. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, wobei ihr freundlicher Gesichtsausdruck keineswegs zu ihrer Stimme passte.

      »Ich bitte um Verzeihung. Leider habe ich keine angemessene Entschuldigung dafür.«

      »Also, Sie alle«, rief ein heiserer Mann daraufhin. »Das Thames House schickt seinen Vorzeigeterroristen, um uns zu retten. Mich wundert es sehr, dass er nicht mit Ihnen gekommen ist. Immerhin hat er Ihr Vertrauen gewonnen. Warum lassen Sie ihn denn nicht auch den Rest von uns bezaubern, damit wir uralte Geister zu Grabe tragen können?«

      »Direktor Griffin.« Dennis lachte kurz auf und wandte sich dann dem Leiter des MI6 zu. »Ich dachte mir schon, dass wir Ihre Gegenwart heute Morgen hier ertragen müssen. Die Umschreibung ›uralte Geister zu Grabe tragen‹ wäre vielleicht vor hundert Jahren zutreffend gewesen, doch jetzt ist nur noch ein uralter Geist übrig, fürchte ich. Das Positive daran ist: Würde er auch noch begraben werden, bräuchte Vauxhall Cross einen neuen Direktor – obendrein einen besseren, wäre zu hoffen.«

      Griffin schnaubte abfällig und stand auf. »Ich werde …«

      »… wieder Platz nehmen, das werden Sie tun, William«, lenkte die Premierministerin ein. »Ich werde Sie beide hier bestimmt keine Hahnenkämpfe austragen lassen, während wir eindeutig wichtigere Angelegenheiten vom Tisch zu räumen haben. Meg, würden Sie bitte beginnen, und uns über den aktuellen Stand der Dinge aufklären?«

      Griffin setzte sich zähneknirschend zurück auf eine gepolsterte Bank neben eins von zwei Fenstern, die mit weißem Chiffon verhangen waren, und starrte Allardyce mit seinen Knopfaugen ungehalten an, als sich ihre Blicke begegneten. Meg Unruh erhob sich neben der Premierministerin.

      »Die Ermittlungen im Fall der Bombenanschläge in Carlisle und Penrith gehen zügig voran. Wir sichten täglich neue Informationen. Mein Büro hat alle von Security Service verlangten Durchsuchungsbefehle durchgesehen und genehmigt sowie Kontakt mit Schottlands Überwachungsdiensten aufgenommen. Da es momentan so aussieht, als laufe alles auf diese oder jene Art wieder auf die IRA hinaus, habe ich mich außerdem mit den Zuständigen für Staatsangelegenheiten in den jeweils betroffenen Bezirken in Verbindung gesetzt. Alle bemühen sich innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeitsbereiche nach Kräften, und Direktor Allardyce hält mich über jeden weiteren Schritt auf dem Laufenden. Bezüglich der genauen Details möchte ich ihm nun das Wort erteilen.«

      »Danke sehr, Madame Prime Minister, Madame Home Secretary.« Dennis trat näher und blieb in der Mitte des Raumes stehen, wo er sich jetzt den anderen Sitzplätzen zuwandte. »Ich wende mich hiermit zum ersten Mal an einige von Ihnen und möchte darum eines klarstellen: Trotz meines Wunschs, dauerhaften Frieden in Nordirland zu erzielen, und meinen Versuchen in den frühen 1980ern, zu diesem Zweck einen Dialog mit der IRA zu führen, bin ich in erster Linie britischer Staatsangestellter. Meine Treue habe ich dem Vereinigten Königreich und seinen Bürgern geschworen. Dem Gericht Domville gab ich Beweise für Declan McIvers Unschuld im Falle der Ereignisse vom vergangenen Frühling und meine eigene direkte Beteiligung daran. Hätte ich nur eine Sekunde lang geglaubt, er stelle eine Bedrohung für irgendjemanden außer den Personen dar, die ihn zu töten versuchten, wäre ich ihm bestimmt nicht zur Seite getreten.«

      Er ließ seinen Blick über die Gesichter schweifen, um herauszufinden, ob irgendjemand vielleicht Einwände hatte, und fuhr fort, als keine erhoben wurden. Während er die Kenntnisse aller über die Untersuchungen der Sprengstoffattentate auffrischte, verschwieg er bewusst, dass es mittlerweile einen Zusammenhang mit Declan McIver gab. Nachdem er zu Ende gesprochen hatte, wartete er auf etwaige Fragen, während er die Premierministerin anschaute.

      Imogen Clarke blieb einen Moment lang ruhig mit dem Kinn auf die Hand gestützt sitzen. »Hat sich irgendeine der Organisationen, die Ihre Nachforschungen betreffen, auf diese oder jene Weise öffentlich dazu geäußert?«

      »Nein noch nicht.«

      »Ich kann einfach nicht glauben, dass sie so lange schweigen, während die Polizei alle Gebäude auf den Kopf stellt, die sie nutzen. Kein Zweifel, in meinen Augen gehen Sie veritablen Spuren nach, aber ich mache mir vor allem Sorgen darum, wie das Ganze in den Medien dargestellt wird. Mancherorts in Schottland herrschen in Bezug auf die Unabhängigkeit immer noch Spannungen wie beim Karfreitagsabkommen in Belfast. Was es im Moment tunlichst zu vermeiden gilt, sind Straßenschlachten.«

      Allardyce nickte. »Das sind durchaus berechtigte Sorgen. Ich habe meine regionalen Sachbearbeiter

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