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kann. Ich wollte heute eigentlich in einem der Restaurants am Zugerberg zu Abend essen, musste mich dann aber stattdessen mit aufgewärmter Gemüsesuppe an Bord eines Flugzeugs begnügen.«

      »Ach, das Drangsal des Menschseins.«

      Er lachte und ließ den heiteren Moment langsam ausklingen, bevor er wieder ernst wurde. »Wie geht es James?«

      Sie hielt erschrocken die Luft an. »Den Umständen entsprechend.«

      Kreft machte ein langes Gesicht. Sein letztes Treffen mit seinem alten Klassenkameraden James Clarke lag sogar noch sogar weiter zurück, obwohl sie während all der Jahre in Kontakt geblieben waren. Nach der Universität hatten beide politische Interessen verfolgt, doch im Zuge einer Reihe unvorhergesehener Krankheiten war James schließlich zum Invaliden geworden, und seine Ehefrau hatte viele seiner Pläne aufgegriffen, so gut sie konnte, um ihn zu würdigen. Sie ehrte ihn auch tatsächlich, denn sie war zum höchsten wählbaren Amt des Landes berufen worden.

      »Die Suppe scheint dir nicht geschadet zu haben. Wieso hat England denn das Vergnügen, von dir besucht zu werden?«

      Sie und Kreft hatten in der Vergangenheit mehr Zeit miteinander verbracht, als irgendjemandem – vor allem ihrem Mann – bewusst war, denn sie hegte Bedürfnisse, die nur wenige Vertraute in aller Verschwiegenheit befriedigen konnten, so wie es ihre Ambitionen erforderten.

      In gewisser Weise hasste er es, ihr Verhältnis ausnutzen zu müssen, um seine Ziele durchsetzen zu können, doch das war leider notwendig, und sie hatte es notwendig gemacht. Wenngleich er sich in seinen persönlichen Bindungen als unpolitisch verstand und unterschiedliche Kandidaten auf beiden Seiten des Großen Teichs unterstützte, hatte Imogen Clarke ihr Fähnchen gerne immer in den Wind gehängt. Ihre Hörigkeit der US-Regierung gegenüber, während sich der Krieg gegen den Terror dahinzog, war Kreft während des Bürgerkriegs in Libyen teuer zu stehen gekommen, und weil sie sich weigerte, die Miteinbeziehung von Interessengruppen beim Treffen von Entscheidungen innerhalb ihrer Regierung kategorisch auszuschließen, war es schließlich so weit gekommen, dass man ihm Verträge verleidet hatte, die seinen strauchelnden Betrieb wieder auf Kurs gebracht hätten. Alles Handlungen, die es nun wiedergutzumachen galt.

      »Der MI5 wird sich bald wieder in meine Geschäfte hier im Land einmischen.« Er ließ kurz den Kopf hängen, ehe er ihn wieder anhob und ihr in die Augen schaute. »Und dieses Mal möchte ich, dass du es verhinderst.«

      Clarke blickte ihn verwundert an, allerdings mit dem Hauch eines Lächelns im Gesicht. »Gibt es denn einen Grund dafür, dass der MI5 dies tut?«

      Er lachte auf. »Im Ernst, du weißt doch, was ich in den letzten paar Monaten durchgemacht habe, doch ich bin dabei die ganze Zeit nichts weniger gewesen als entgegenkommend. Das Gericht unter Domville hat mich in allen Punkten reingewaschen. Du darfst nicht zulassen, dass die das noch einmal tun. Es ist wie eine Hexenjagd.«

      »Und was suchen sie dieses Mal?«

      Er zog seine Schultern hoch. »Wie soll ich das wissen? Meine Anwälte in Glasgow haben mir mitgeteilt, dass die Polizei in Strathclyde heute Morgen ein Gebäude eines Konzerns gestürmt hat, in das ich viel Geld gesteckt …«

      »Und was hat das mit dem MI5 zu tun? Die Polizei führt doch ständig irgendwelche Razzien durch, ohne dass der Secret Service dabei auf den Plan tritt.«

      Er strich wieder über den Stoff an seiner Brust und hüstelte. Sie unterhielten sich im umgänglichen Ton miteinander, weshalb er hoffte, dass sie ihn für voll nahm. »Meinen Anwälten zufolge waren das nicht irgendwelche Polizisten, sondern Staatsbeamte. Und nachdem ich wegen Allardyce und seinen Helfern monatelang durch den Wolf gedreht worden bin, sehe ich Haftbefehle kommen, so wie man eine Erkältung spürt, bevor sie richtig ausbricht.«

      Clarke schmunzelte.

      »Ich halte nichts von Drohgebärden, Imogen, schon gar nicht dir gegenüber – also glaub bitte nicht, dass das von mir selbst ausgeht – aber die Wahl nächstes Jahr rückt immer näher, und dein Posten steht bereits unter Beschuss, sowohl seitens der Labour Party als auch durch die Freidemokraten. Dass du Dennis Allardyce einspannst, der anscheinend mit einem ehemaligen IRA-Terroristen angebandelt hat, hat die Gemüter selbst in deiner eigenen Partei extrem gespalten. Dir ist doch klar, dass ich viel in drei der vier Medienanstalten investiert habe, die deine letzte Kandidatur gefördert haben, doch meine Stimme allein entscheidet nun einmal nicht. Unsere Gruppe wendet ihr politisches Kapital sehr umsichtig auf und wird, fürchte ich, keine Führungskraft in Nöten mehr subventionieren. Ich will dich auf keinen Fall untergehen sehen. Gib mir etwas, womit ich den anderen versichern kann, dass du dich weiterhin für unsere Interessen einsetzt – unsere rechtmäßigen, legalen Interessen.«

      »Oh bitte, Lukas, verschone mich damit.« Sie rieb sich die Stirn. »Ich bin das ständige Geschiebe unheimlich leid. Die Liberalen in diesem Land können schon seit Ewigkeiten keine Mehrheit mehr erzielen. Die Labour Party hat ihre letzte Mehrheit im Irakkrieg verspielt, und niemand aus meiner eigenen Partei würde es wagen, sich gegen einen Amtsinhaber aufzulehnen. Die Leistungen und der Einfluss deiner Gruppe reichen ohne Weiteres aus, um Anhänger für die Partei zu kaufen, sind aber beileibe nicht entscheidend, wenn es um das Ergebnis einer allgemeinen Wahl geht.«

      Kreft war wütend geworden, ahnte aber, dass hinter dem, was Clarke sagte, mehr steckte. Darum schluckte er die Kröte und wartete ab.

      »Ich halte den MI5 davon ab, dich zu belästigen, weil du uns hilfst, wegen deines guten Verhaltens vor Richter Domville und weil wir eines auf keinen Fall tun dürfen, wenn britische Bürger auf offener Straße getötet werden, nämlich immer wieder dieselbe alte Leier anstimmen, vor allem aber aufgrund deiner Freundschaft zu mir – und James – seit Menschengedenken. Nicht weil ich Angst habe, deine Gruppe würde jemand anderen unterstützen.«

      »Du hattest noch nie Schwierigkeiten damit, offen zu sagen, was du meinst, Imogen. Das ist eine Tugend, die allen anderen Frauen in meinem Leben vollkommen fehlt.« Er bemühte sich um ein charmantes Lächeln. »Unser nächster Ausflug sollte nicht mehr so lange auf sich warten lassen, hmm? Die knackig kalte Bergluft, der Wind vom Zugersee. Neuschnee auf den Gipfeln. Die Schweiz ist zu dieser Jahreszeit eine wahre Pracht.«

      »Schlaf gut, Lukas. Ich bin mir sicher, wir treffen uns noch früh genug wieder.«

      Damit wandte sie sich ab und ging. Ein schwarz gekleideter Sicherheitsangestellter stand mit einem Regenschirm parat, als sie den Baldachin verließ. Auf den Pflastersteinen des Gartenwegs zur Vorderseite der Villa klackten die Absätze ihrer Schuhe laut.

      Kreft sah, wie sie noch einen Blick über die Schulter warf, während das Tor für sie geöffnet wurde. Dann verschwand sie um die Ecke. Er glättete seinen Anzug erneut, hob seinen eigenen Schirm und kehrte aufmerksam von anderen Männern in Schwarz im Auge behalten, zu seinem Wagen zurück. Als er sich auf der Rückbank des Rolls-Royce niederließ, war er zuversichtlich, genau das erreicht zu haben, was er vorgesehen hatte. Der MI5 und die anderen britischen Geheimdienste würden ihm bestimmt keinen Kummer mehr bereiten.

      Kapitel 11

       Montag, 09:01 Uhr Ortszeit, Bushaltestelle J – Lambeth Road London, England

      Declan tat so, als sei er mit seinem Smartphone beschäftigt, während er lässig auf der schmalen Bank unter der Überdachung der Haltestelle saß, und nahm den Doppeldeckerbus immer noch nicht zur Kenntnis, der gerade wenige Fuß vor ihm angehalten hatte. Stattdessen schlug er die Oberschenkel übereinander und fuhr mit dem Daumen über den Touchscreen, während die letzten Fahrgäste hastig einstiegen, Koffer und Schirme verstauten und ihre Fahrkarten noch einmal überflogen, bevor sie Platz nahmen. Der Fahrer wartete kurz für den Fall, dass noch jemand mitkommen wollte, drückte aber nach ein paar Augenblicken den Knopf, um die Tür zu schließen. Sekunden später fuhr der leuchtend rote Bolide davon, und zurück blieb der unverkennbare Gestank von Dieselkraftstoff.

      Declan schaute dem Bus hinterher und dann auf die andere Straßenseite. Er saß seit knapp zwanzig Minuten an dieser Stelle, doch was das Gebäude betraf, das er beobachtete, hatte sich weder darin

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