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aber in der Wohnung selbst bewegten sich Umrisse. Er legte eine Hand auf den Griff, drückte ihn hinunter und öffnete dann die Tür mit einem Ruck. Beim Eintreten hielt er die Flinte schussbereit. Zum Glück quietschten die Angeln nicht, sodass alles geräuschlos vonstattenging.

      »Ich frage Sie zum letzten Mal«, sprach ein Mann. »Wo steckt er? Uns wurde gesagt, er sei hier. Falls ich innerhalb der nächsten dreißig Sekunden keine Antwort von Ihnen bekomme, geht meine nächste Kugel nicht in Ihr anderes Bein, sondern direkt in Ihren Schädel.«

      Declan wagte sich mit einer Drehbewegung vorsichtig aus der Diele heraus. Vor den Hogans stand ein maskierter Mann. Alan wurde von seiner Frau in den Armen gehalten und hatte eine blutende Schusswunde an einem Bein erlitten. Die Patronenhülse – Kaliber 12 – lag nicht weit von ihm entfernt auf dem Boden. Neben ihnen kniete noch ein Mann mit einer Maske.

      »Da ist er!«, rief der Stehende und drehte sich ruckartig mit der Pistole zu ihm um.

      McIver feuerte sofort und traf seine Brust, sodass der Kerl rückwärts gegen eine Wand prallte. Rasch lud er noch einmal durch und gab einen zweiten Schuss ab, während der andere Mann aufstand und zu fliehen versuchte, allerdings nicht, ohne selbst noch mit seiner Pistole anzulegen. McIvers Kugel traf ihn oben an der Schulter, und er fiel rücklings in den Flur, wohin er sich hatte zurückziehen wollen. Declan stieß jetzt in die Küche vor, lud abermals durch und richtete die Flinte dann auf den Kerl, der in dem Gang gelandet war. Er lebte zwar noch, konnte ihm aber nicht mehr gefährlich werden, weil ihm der Treffer beinahe den kompletten Arm abgerissen hatte. Ohne Notarzt würde er binnen weniger Minuten verbluten.

      »Charlie? Liam?«, rief irgendwo ein weiterer Mann. »Scheiße!«

      Ohne das Gewehr hinunterzunehmen, kniete sich Declan neben die Hogans. »Wie viele sind es?«

      Nicola schluckte ihre Tränen hinunter. »Drei.«

      »Ihre Begleiter sind tot!«, rief er. »Aber Sie können es überleben. Lassen Sie einfach Ihre Waffe fallen und kommen Sie langsam die Treppe hinunter.« Er horchte, ob sich etwas tat, doch dem war nicht so. Nachdem er die Flinte leise an die Wand neben der Tür gelehnt hatte, erhob er sich, streckte die Arme über dem Küchenfenster aus und löste lautlos einen der weißen Seidenvorhänge.

      Alan Hogan sah nicht gut aus. Er war blass und verlor offensichtlich rasch sehr viel Blut. Behutsam zog McIver den kaputten Stoff von dessen Hose zurück und betrachtete die Einschusswunde, die sich etwa sechs Zoll oberhalb der Kniescheibe befand. Der Verletzte zuckte bei der Berührung vor Schmerz zusammen. Declan hielt sich einen Zeigefinger vor den Mund. »Alles wird gut«, formte er mit den Lippen, während er den Vorhang mit beiden Händen ineinander verdrehte. Dann drückte er ihn langsam auf das Loch. Dabei lauschte er weiterhin und behielt die Treppe im Auge, auf der er mit dem dritten Eindringling rechnete. Währenddessen zurrte er den Stoff fest um das Bein des Verletzten, damit es zu bluten aufhörte.

      »Wie entscheiden Sie sich?«, rief er laut und griff wieder zu seiner Flinte. »Es gibt nur zwei Wege hier raus; aufrecht gehend mit erhobenen Händen oder in einem schwarzen Sack.«

      Etwas fiel auf den Boden – Patronen, die nacheinander die Stufen hinunter auf den Fußboden im Flur rollten.

      »Und jetzt die Waffe!«

      Ein vernickelter Revolver landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden, woraufhin Declan vorsichtig in den Flur trat, während er mit der Flinte in das Obergeschoss zielte. Auf halber Höhe im Treppenhaus stand mit nach oben ausgestreckten Armen ein dünner Mann mit rotem T-Shirt unter einer braunen Lederjacke, der eine schwarze Skimaske trug. McIver forderte ihn mit einer seitlichen Kopfbewegung zum Herunterkommen auf.

      Der Mann gehorchte augenblicklich.

      Am Fuß der Treppe drückte er ihn fest gegen die Wand und hielt ihm die Flinte genau unter das Kinn. Dem Vermummten stockte der Atem, und er schloss seine Augen.

       »Runter mit dem Ding.«

      Auch diese Aufforderung befolgte er, indem er eine Hand herunternahm und die Skimaske vom Kopf zog. Das Gesicht darunter war schweißnass und noch sehr jung. Der Mann blinzelte hektisch, damit ihm keine Tropfen in die Augen rannen.

      Declan kochte innerlich vor Wut. Er rammte dem Burschen den Lauf des Gewehrs nachdrücklich ins Fleisch und knurrte: »Du bist ja noch ein Kind. Ein Kind!« Dann nahm er die Flinte herunter und zerrte ihn – einen Teenager – am Kragen in die Küche. »Zieh deinen Gürtel aus!«

      Auch dies tat er sofort. Während er das braune Leder aus den Schlaufen seiner Jeans zog, zitterten seine Hände heftig, und er holte beinahe hechelnd Luft.

      »Bind ihm das Bein damit ab – los!«

      Alan Hogan zuckte wieder gequält zusammen und verzog sein Gesicht, als der Junge ihn anfasste.

      »Fester!«

      Nervös löste der Teenager den Dorn des Gürtels wieder und schaffte es unter großem Kraftaufwand, den Gürtel um drei Löcher enger zu schnallen.

      Declan nahm den Hörer vom Festnetztelefon an der Küchenwand und gab ihn Nicola Hogan. »Rufen Sie einen Krankenwagen.«

      Dann schleifte er den jungen Mann am Kragen über die Diele hinaus auf den kleinen Hinterhof. »Raus hier!« Er drückte ihn auf die Motorhaube von Alan Hogans mattblauem Nissan Pick-up und richtete abermals die Flinte auf ihn.

      »Nein! Lassen Sie mich bitte am Leben!«

      »Ach? Und wieso? Ihr habt meinen Freund da drin angeschossen.«

      »Ich nicht, ich nicht. Es war Charlie. Charlie hat es getan!«

      Der Bursche hielt sich die Hände vors Gesicht, als könne er so einen Flintenschuss abwehren. Declan drohte ihm weiter mit der Waffe und beobachtete dabei genau, wie dieser die Augen immer wieder öffnete, um verstohlen auf seinen potenziellen Scharfrichter zu schauen.

      »Wie heißt du?«

      »Michael … Alistair …«

      »Entweder, oder.«

      »Michael Alistair McCraven!«

      »Heute Abend hast du Glück, Michael Alistair McCraven.« Declan ließ von ihm ab. »Ich töte keine unbewaffneten Kinder. Spuck's aus! Warum bist du hier, und wer hat dich geschickt?«

      Der Teenager nahm die Hände von seinem Gesicht und sah Declan mehrere Sekunden lang stumm an, um sich zu vergewissern, dass dieser es mit dem Nichttöten auch ernst meinte.

      »Red schon!« Der Mann umklammerte die Flinte wieder fester.

      »Schon gut, schon gut! Charlie bekam tausend Pfund, ein Foto und die Beschreibung des Wegs zu diesem Haus. Er sollte herfahren, um jemanden umzulegen. Ihm wurden weitere tausend Pfund dafür versprochen.«

      »Von wem?«

      »Ich weiß nicht, wer es war. Ehrlich. Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, dass ich keinen Schimmer hab! Charlie hat uns den Vorschlag gestern gemacht. Er hat uns alles darüber erzählt, nannte dabei aber nicht den Namen seines Geldgebers.«

      »Habt ihr, bevor ihr hergekommen seid, bereits jemand anderen angegriffen?« Declan dachte dabei an Shane, der ihre Verabredung ja bekanntlich nicht eingehalten hatte.

      »Nein.«

      »Sag mir die Wahrheit!«

      »Das tue ich, meine Hand drauf. Wo Charlie vorher war, kann ich allerdings nicht sagen. Wir haben uns erst vor ein paar Stunden getroffen, um herzukommen.«

      »Was seid ihr? IRA-Mitglieder? Protestanten?«

      »Charlie gehört der IRA an. Liam und ich sind nur ganz normale Typen. Wir haben eine Zeit lang versucht, aufgenommen zu werden, aber sie wollten uns nicht. Es hieß, wir könnten nichts, was sie bräuchten. Charlie behauptete aber, dass würde sich nach diesem Auftrag ändern.«

      Declan legte eine finstere Miene an den Tag und schloss kurz die Augen. Er war überzeugt davon, dass Michaels Aussage uneingeschränkt der Wahrheit entsprach. Solche Geschichten hatte

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