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DIE REGELN DER RACHE (Black Shuck 2). Ian Graham
Читать онлайн.Название DIE REGELN DER RACHE (Black Shuck 2)
Год выпуска 0
isbn 9783958352964
Автор произведения Ian Graham
Жанр Языкознание
Серия Black Shuck
Издательство Bookwire
Er bewegte jetzt nachdenklich den Kopf hin und her. »Na gut«, sagte er schließlich. »Ich überlege mir was, wie wir deine Eltern zu Besuch anreisen lassen können.«
Nun strahlte Constance überschwänglich und blieb stehen, um sich zu ihm umzudrehen. »Danke«, erwiderte sie und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Backe. »Shelby wiederzuhaben ist toll, aber ich sehne mich nach mehr. Alleine schaffe ich das hier nicht.« Sie strich sich über den Bauch und schaute an sich hinunter.
Declan konnte sich durchaus in sie hineinversetzen, obwohl seine eigenen Eltern getötet worden waren, lange bevor er eine reife Beziehung zu ihnen hatte aufbauen können. Welcher Ehemann sah sich schon dazu imstande, seiner Frau den bestärkenden Umgang mit ihren Verwandten zu verbieten? Er musste nur irgendeinen Weg finden, auf dem sich garantieren ließ, dass seine Schwiegereltern, wenn sie zu Besuch kamen, nicht versehentlich aufdeckten, wo Constance und er wohnten.
»Wenn ich aus der Schweiz zurückkehre, treffen wir erste Vorbereitungen. Eventuell kann uns ja auch der amerikanische Senator helfen, mit dem ich mich in Kürze besprechen werde.«
***
Ein paar Stunden später, als die Sonne ihre letzten Strahlen auf die Hügellandschaft warf, legte Constance ihre nackten Füße auf Declans Schoß. Sie saßen vor dem Fernseher, und er schaute hinunter. Ihre Füße waren so schlank wie ihr Körper, und sie hatte sich die Zehennägel feuerrot lackiert, was gut zu ihren rostbraunen Haaren passte. Sah man von der runden Wölbung ab, dort wo sie das Baby in sich trug, besaß sie eine perfekte Figur. Der Bauch gereichte ihr allerdings in gänzlich anderer Hinsicht zur Zierde. Nun hob sie ein Bein an und stieß ihm mit dem großen Zeh unter die Nase.
»Starr nicht so ins Leere, sonst verpasst du noch das Ende.«
»Entschuldige, ich habe nur gerade mit dem Gedanken gespielt, dich auszuziehen.«
Sie trat ihn scherzhaft.
Declan lächelte weiter. So war ihre Beziehung eben. Das letzte halbe Jahr ihrer Ehe hatte sich länger angefühlt als die vorangegangenen acht zusammengenommen. Wenngleich er wusste, dass Hormone und andere chemische Stoffe die Stimmung und das Verhalten einer Frau während der Schwangerschaft extrem beeinträchtigten, machte er in erster Linie sich selbst und die Vergangenheit dafür verantwortlich, die er die ganze Zeit über, so verbissen hatte, ad acta legen wollen. Letzten Endes jedoch waren sie doch noch auf gewaltsame Weise von ihr eingeholt worden. Vielleicht litt er auch einfach unter Verfolgungswahn, vielleicht gab es überhaupt niemanden dort draußen, der sie aufs Korn nehmen wollte.
»Mom war begeistert von der Idee, sie nach Irland zu holen«, erzählte ihm Constance nun. »Sie waren nämlich noch nie hier.«
»Es ist ein schönes Land«, entgegnete Declan halbherzig. Es stimmte zwar, aber diese Schönheit würde für ihn nie mehr sein als ein dünner Schleier zum Verbergen des Unrechts, das während eines brutalen Konflikts begangen worden war. Er fragte sich, ob auch andere, die die Troubles miterlebt hatten, so empfanden. Man durfte sich nichts vormachen; lange Zeit während ihres Verbleibs in Amerika waren ihm die Auseinandersetzungen, die IRA beziehungsweise ihre protestantischen Gegenspieler, der Tod und die Zerstörung, die er gesehen hatte, kein einziges Mal in den Sinn gekommen. Womöglich musste er sich einfach stärker bemühen, das Ganze mitsamt den jüngeren Ereignissen zu verdrängen.
Plötzlich fielen innerhalb von Sekundenbruchteilen zwei Schüsse – nahezu gleichzeitig und kaum voneinander unterscheidbar.
Kapitel 8
Declan erkannte sofort, dass der erste Schuss mit einer Flinte abgegeben worden war, der zweite war leiser gewesen, vermutlich mit einer Einhandfeuerwaffe oder einer kleinkalibrigen Maschinenpistole im Einzelschussmodus. Er sprang von der Couch auf und schaute seine Frau an. »Geh sofort nach oben.«
In einigen Landstrichen der USA war es relativ normal, ab und zu willkürliche Schüsse zu hören, aber nicht hier in Irland. Hier störte die friedliche Ruhe allerhöchstens gelegentlich mal ein auf einer weiter entfernten Straße vorbeikommender Lastwagen oder aufheulende Bauernhofmaschinen, die gegen Ende eines Arbeitstags von ihren Besitzern abgeschaltet wurden.
»Wieso? Was ist denn los?«
»Die Schüsse sind irgendwo in der Nähe des Hauses der Hogans gefallen.« Declan nahm das Sprechteil ihres Telefons von der Station auf dem Tisch neben der Couch und wählte dann ihre Nummer. Danach lauschte er fast eine Minute lang dem Freizeichen. »Sie heben nicht ab.«
Schließlich packte er eine der Hände seiner Frau und zog daran, damit sie aufstand, woraufhin er sie zur Treppe begleitete. Sie gingen wesentlich langsamer hinauf, als ihm in dieser Situation lieb war, aber na ja … Oben in ihrem Schlafzimmer hob er die Matratze an einer Ecke an und zog darunter eine Smith & Wesson Sigma 9mm hervor. Nachdem er das Magazin überprüft hatte, lud er sie durch und hielt Constance die Waffe hin. »Die funktioniert genauso wie jene, mit der wir daheim geübt haben.«
»Declan, das ist doch schon über ein Jahr her.« Sie weigerte sich, die Pistole anzunehmen.
Darum behielt er sie zunächst, umklammerte sie mit einer Hand und legte die andere an den Lauf, um ihn ruhig zu halten, als ob er zielen würde. »Falls jemand versucht, in das Zimmer zu kommen, ohne sich vorher zu erkennen zu geben, behältst du beide Daumen unten und drückst immer wieder ab, bis derjenige zu Boden geht.« Er zeigte ihr noch einmal die korrekte Schusshaltung. »Verstehst du?«
Sie nickte beklommen. Nun ließ sie sich die Pistole geben, und er ging zum Kleiderschrank hinüber, um dort eine Vorderschaft-Repetierflinte mit Pistolengriff zu holen, die auf zwei Haken über der Tür hing. Der Besitz dieser beiden Waffen war in Irland illegal, wovon er sich aber nicht hatte abschrecken lassen. Er zog den Verschluss der Flinte zurück. »Wird sich schon alles aufklären«, sagte er beim Verlassen des Schlafzimmers und schloss die Tür sorgfältig hinter sich.
Unten öffnete er eine, die neben das Haus führte. Frische Luft strömte in den Flur hinein, wovon er sofort eine Gänsehaut bekam. Er ignorierte die Kälte aber und hielt die Waffe in die Höhe, als er hinaustrat. Von dieser Warte aus konnte er die Einfahrt bis zum Ende einsehen, aber weder Autos noch Personen erkennen. Da es hier keine Straßenbeleuchtung gab, lagen die fünf Morgen des Platzes vor dem Gebäude im Schatten, der umso länger wurde, je tiefer die Sonne sank. Er wartete kurz, bis sich seine Augen den Lichtverhältnissen angepasst hatten, bevor er in den Hof ging. Er blieb so lange an der Hausmauer, wie er nur konnte, und bewegte sich dann bis zu dem ersten der Bäume, welche die Seite der Auffahrt flankierten. Den weiteren Weg nahm er relativ zügig, wobei er bewusst nicht auf den Schotter trat, der verräterische Geräusche hätte verursachen können. Kurz blieb er an einem Viehgatter stehen, um sich nach dem Vorplatz des Hauses umzudrehen. Auch in der zunehmenden Dunkelheit erkannte er, dass sich etwas auf dem Gut regte, und er fasste dies als ermutigendes Zeichen auf. Denn falls es wirklich Ärger im Haus der Hogans gab, war er offenbar noch nicht eskaliert. Declan sprang über das Gatter und ging dann weiter, bis er in einem Gebäude weiter vorne an der Straße Licht brennen sah.
Dort wohnten die alten Eheleute, und es handelte sich dabei um das einzige andere Wohnhaus auf Fintan McGuires zweihundert Morgen Land. Obwohl es wesentlich kleiner war als sein Haus, versprühte es ein nicht weniger reizvolles Flair. Auch hier schlängelte sich Efeu an den Steinmauern hinauf und bedeckte ganze Teile der zweistöckigen Bausubstanz.
Jetzt fiel Declan ein Auto auf, das nicht den Hogans gehörte. Ein Ford Escort mit ausgebleichtem roten Lack unten an der Auffahrt, dicht neben einer unbeschnittenen Hecke geparkt und deshalb nur schwer zu entdecken.
Declan näherte sich weiter und machte einen großen Bogen um das Haus, bis er schließlich den Garten dahinter erreichte.