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herausrufen würden, dass sie die Lage im Griff hatten. Erst danach würden sie selbst eintreten.

      »Rechter Flügel sauber«, bestätigte jemand per Funk. »Links ist auch alles sauber«, teilte der nächste Beamte mit.

      Campbell sah von der Tür aus, wie drei seiner Männer um eine Ecke bogen und vorsichtig die Treppe in den ersten Stock betraten.

      »Auf den Boden! Sofort! Arme ausstrecken!« Die Befehle ertönten, kurz, nachdem sie oben angelangt waren.

      »Um Gottes willen!«, rief jemand mit schottischem Akzent. »Is' ja gut, is' ja gut!«

      »Alpha fertig, nichts gefunden.«

      »Bravo ist durch, eine Person festgenommen.«

      »Charlie hier, niemanden gefunden.«

      »Verdammt.« Campbell stampfte durch das Obergeschoss zum Hintereingang, wobei der alte Holzboden unter seinem nicht unerheblichen Gewicht knarrte. Nachdem er über verstreute Infobroschüren und Holzsplitter des Türrahmens getreten war, nahm er eine Betontreppe, die in die schmale, gepflasterte Gasse hinter den früheren Reihenwohnungen führte. Unten ging er weitere Stufen hinab in den Keller. Er musste den Kopf einziehen, als er das enge, muffige Gewölbe unter dem Hauptbüro der Unabhängigkeitsbewegung betrat.

      »Hier gibt es nichts zu holen, Sir«, sagte einer der Beamten, die in dem Raum herumstanden.

      Campbell brauchte sich nicht lange umzusehen, um zu wissen, dass der Mann recht hatte. Abgesehen von einem klapprigen Stuhl und einem Haufen verwitterter Holzstücke, der mit irgendwelchen alten Spruchbändern zugedeckt war, enthielt dieser Keller gar nichts. »Scheiße!«

      Er verließ das Gebäude, ließ seinen Blick über mehrere Mülltonnen und den Belag der Gasse schweifen, aus dessen Rissen Grünzeug wuchs. Dass irgendeines der Autos kurz zuvor abgestellt worden war, ließ sich nicht erkennen, aber wie konnte er sich dessen schon sicher sein? So wie die Straße aussah, schien sie wochentags dauerhaft zugeparkt zu sein. »Team Bravo, bringen Sie den Festgenommenen sofort nach draußen hinter das Gebäude.«

      »Verstanden, sind unterwegs, Sir.«

      Wenige Augenblicke später traten die beiden Anzugträger, die Campbell begleiteten, beiseite, und drei der bewaffneten Beamten führten einen Mann in Handschellen durch die Hintertür hinaus. Der Inspektor musterte den ungepflegten Blondschopf, den seine Einheit anscheinend aufgeweckt hatte. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

      »Pff, William Wallace, und lassen Sie mich raten: Sie sind Gas-Wasser-Scheiße und wollen nur die Heizung kontrollieren.«

      Campbell schmunzelte und hielt einen gefalteten Durchsuchungsbefehl in die Höhe. »Nein, ich bin der Spielverderber, der Ihnen Krümel in den Käse streut. Jetzt sagen Sie schon, was Sie hier tun.«

      Der Mann starrte ihm weiterhin unerschrocken in die Augen, schwieg jedoch. So, wie er neben den beiden schwerbewaffneten Polizisten in den dunkelblauen Sonderkommandouniformen stand, sah er in seinen weißen Boxershorts und einem Unterhemd aus wie ein verhärmter, bleicher Zwerg.

      »Angesichts der Einrichtung oben würde ich vermuten, dass er hier wohnt, Sir. Dort liegen nämlich jede Menge Kleider auf dem Boden herum, und wir haben ihn auf einer Matratze in einem der Zimmer gefunden.«

      »Also gut.« Campbell schaute dem Fahrer eines hellblauen BMW beim Zurücksetzen in die Gasse zu. »Falls Sie mir gegenüber nicht aussagen wollen, können Sie auch gerne beim Geheimdienst Rechenschaft ablegen.« Er öffnete die Hintertür der Limousine, woraufhin die beiden Beamten den ungepflegten Mann zum Einsteigen zwangen, wobei einer von ihnen dessen Kopf niederdrückte. Der Inspektor knallte die Tür wieder zu und drehte sich anschließend zu den beiden Anzugträgern um. »Er gehört jetzt ganz Ihnen.«

      Kapitel 6

       10:09 Uhr Ortszeit, verlassenes Hafenterminal – Pacific Quay Glasgow, Schottland

      Lord Dennis Allardyce blickte in Richtung Süden am Flusshafen entlang, dessen Boden komplett überwuchert war, während er hörte, wie ein Auto vom Asphalt auf den Schotter rollte. Beim Näherkommen wirbelte es eine Staubwolke hinter sich auf. »Da ist unser Mann.« Als er sich umdrehte, stand in einiger Entfernung Harold Thom da.

      Der Mann war untersetzt, hatte rote Haare mit grauen Strähnen und ein Gesicht, mit dem er Frischmilch hätte sauer machen können. »Pünktlich auf die Minute.« Er schaute auf seine Uhr und ging auf ein leer stehendes Backsteingebäude hinter ihnen beiden zu.

      Allardyce konnte Thoms gegenwärtiges Befinden bestens nachvollziehen.

      Beim Innengeheimdienst arbeitete der Mann als Leiter des Ressorts für Terrorbekämpfung in Irland und dem Inland. Shane O'Reilly war sein direkter Vorgesetzter. Er hatte erst eine Viertelstunde zuvor erfahren, dass sein Befehlsgeber nicht im Keller des INC-Hauptbüros gefunden worden war, wo man ihn zuletzt geortet hatte, und dies mit äußerstem Ärger zur Kenntnis genommen. Die Befürchtung, ihr Rettungsversuch habe vielleicht zu seiner Hinrichtung geführt, lastete schwer auf Thom.

      Allardyce fuhr mit den Händen an seinem schwarzen Trenchcoat hinunter und überblickte den verlassenen Hafen einmal mehr. Möwen lachten über ihm am Himmel oder stürzten sich auf die Fische auf den Trockendocks, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden waren. Sturmwellen hatten sie vollkommen überflutet, und in dem grauen Wasser trieb eine Menge Müll. Östlich der pfeilförmigen Anlage sah man die riesigen Satellitenschüsseln von BBC Schottland und die Squinty Bridge, die über den River Clyde in den Glasgower Stadtkern führte. Als er sich nach Westen umdrehte – er machte sich fortwährend Sorgen wegen möglicher Beobachter dessen, was hier gleich geschehen würde – konnte er die Dächer der neuen Wohnhäuser am Südufer des Flusses und auf der Gegenseite das Riverside Museum mit seiner modernen Architektur erkennen, dessen kantiges Äußeres an die Oper in Sydney erinnerte. Dass die nächsten Gebäude so weit weg waren und hohes Gestrüpp den gesamten Hafen umwachsen hatte, beruhigte ihn. So konnte sie wenigstens niemand entdecken.

      Ein hellblauer BMW bog jetzt auf den Sandplatz neben dem Backsteinbunker ein und hielt an. Zwei Männer in Anzügen stiegen aus und zogen einen dürren, schmuddelig wirkenden dritten in weißer Unterwäsche von der Rückbank der Limousine.

      Dennis ging auf das Gebäude zu und begrüßte ihn. »Bringen Sie den Mann hinein, er soll sich setzen.«

      »In Ordnung, Sir.«

      »Was denn, Sie stülpen mir gar kein schwarzes Tuch über?«, höhnte der Fremde, der Handschellen trug. »Das ist aber sehr enttäuschend.«

      »Halten Sie den Mund!«, verlangte einer der Agenten, während sie ihn hineinführten. Hinter ihm schlugen sie die verrostete Tür zu.

      »Mit Ihnen habe ich hier nicht gerechnet, Direktor.«

      Allardyce drehte sich zu dem obersten ihrer Glasgower Spitzel um. »Normalerweise wäre ich auch nicht gekommen, doch diese Sache betrifft die Staatssicherheit und genießt deshalb absoluten Vorrang. Ich nehme mal an, er war die einzige Person in dem Gebäude?«

      »Richtig, Sir. So wie es aussah, wohnte er in den Zimmern im Obergeschoss. Seinen Namen will er uns aber nicht nennen.«

      »Er ist uns bereits geläufig«, erwiderte Allardyce. »Alles Weitere übernehmen jetzt wir.«

      »Selbstverständlich, Sir.« Der Mann kehrte zu dem Wagen zurück, mit dem er hergefahren war.

      Dennis betrat daraufhin das Gebäude. Drinnen sah es genauso verwahrlost aus wie von außen. Das unwirtliche Klima Schottlands hatte längst sämtliche Gipskartonplatten an den Wänden aufgelöst, sodass die Mauersteine und das faule Sperrholz zu sehen waren. Im Dach klafften Löcher, durch die man die grauen Wolken sah, und auf dem Boden lag zwischen Kothäufchen der Möwen Müll, der wahrscheinlich von jemandem zurückgelassen worden war, der widerrechtlich hier gehaust hatte. Beim Anblick des stillgelegten Hafens würde wohl niemand ahnen, dass der MI5 ihn eines Tages als nördliche Zentrale zu nutzen beabsichtigte. Falls Schottland dem Königreich noch lange genug

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