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eine Hand auf ihren Bauch. »Alles Okay bei dir?«

      »Ja, alles prima.« Sie wandte sich ab und stieg wieder in den Wagen. Ihr bisherige Freude verschwand, und ihre kühle Reserviertheit kehrte wieder zurück. Declan schüttelte seinen Kopf. Er versuchte doch lediglich, sie und ihr ungeborenes Kind zu beschützen, kam sich aber bisweilen selbst wie ihr schlimmster Feind vor.

      Als sei das alles noch nicht genug, war Constance auch noch unzufrieden, weil er in wenigen Tagen in die Schweiz verreisen musste, um sich dort mit zwei Politveteranen zu treffen; einem Amerikaner und einem Briten. Die beiden leiteten die offiziellen Ermittlungen ihres Landes zu den Ereignissen, die auf der Welt als Victoria-School-Krise bekanntgeworden waren. Bei dieser Gelegenheit würde sich Declan zum ersten Mal öffentlich bei laufender Aufnahme zu seiner Verstrickung in die Affäre äußern und seine frühere Rolle bei Terrorakten erörtern. Von einfacher Nervosität zu sprechen wäre stark untertrieben gewesen. Von den Männern, mit denen er sich auszutauschen gedachte, hing stark ab, wie sich sein Leben in Zukunft gestalten würde.

      »Wohin darf's denn jetzt gehen?«, fragte Alan, während Declan die Klappe des Laderaums schloss. Mit geschlossenen Türen und dank der getönten Scheiben unterschied sich der Mercedes Vito nicht mehr von den zahllosen ähnlichen Modellen, die in Irland als Lieferwagen Verwendung fanden. Aus genau diesem Grund hatte er ihn auch gekauft.

      »Nach Hause.«

      »Aye, Sir.«

      Zu Hause, dies war seit den Vorfällen das Landgut von Declans Freund Fintan McGuire, dem Sohn eines ehemaligen IRA-Kommandanten.

      Bei ihrer Abfahrt vom Hafen spürte Declan auf einmal, wie das Handy in einer seiner Taschen vibrierte. Er blickte zu seiner Frau hinüber und schmunzelte, weil diese gerade in Babysprache flüsterte, um dem Ungeborenen Shelby vorzustellen. Kaum, dass er mit einem Daumen über den Touchscreen gefahren war und die SMS gelesen hatte, die gerade eingegangen war, verging ihm das Lächeln allerdings abrupt.

       Wir müssen reden. Bald. – A

      Kapitel 4

       17:02 Uhr Ortszeit, Gutshaus – The Droveway St. Margaret's Bay im Südosten von England

      Lord Dennis Allardyce steckte das Krypto-Mobiltelefon wieder ein, und erhob sich aus dem neueren schwarzen Range Rover, nachdem ihm sein Chauffeur die Tür geöffnet hatte. Er atmete tief die salzige Luft ein, während der Wind, der vom Ärmelkanal her wehte, sein schütteres, grauer werdendes Haar zerzauste. Obwohl das Haus, vor dem er gerade angekommen war, inmitten hoher Bäume stand, drehte er sich jetzt in Richtung Kanal um und rückte seine lohfarbene Sportjacke aus gerippter Baumwolle zurecht. Jetzt am späten Nachmittag wirkte das hellgrüne Laub im Licht der Sonne sogar noch farbenfroher, und obwohl er nicht hindurchschauen konnte, wusste er genau, dass die Meerenge und die berühmten weißen Klippen von Dover nicht mehr als eine halbe Meile entfernt waren. Er strich sich die Haare mit einer Hand zur Seite und wandte sich dem Eleanor Estate zu, dem prachtvollen Wohnsitz der britischen Innenministerin Meg Unruh.

      Als Generaldirektor des Security Service war er ihr direkt unterstellt und musste regelmäßig Bericht an sie erstatten. Während seiner kurzen Amtszeit als Spionagechef des Landes hatte es bis zum heutigen Abend allerdings niemals einen Anlass gegeben, Unruh in ihrer Hauptwohnung aufzusuchen. Er blickte hinauf zu der stattlichen Eingangstür des Hauses, als sie geöffnet wurde und ein Bediensteter in Schwarzweiß zur Seite trat, um Allardyce hineinzulassen.

      Dieser drehte sich zu seinem Fahrer um, der ihm einen Koffer reichte, und stieg dann die Betontreppe hinauf. Beim Eintreten schaute er in das Gebäude hinein. Das Interieur sah fast genauso aus, wie er es sich vorgestellt hatte. Aufwändige Holzvertäflungen, bunte Teppiche und breite Bögen über den Durchgängen zwischen den einzelnen Räumen. Altertümliche Lampen und Vasen voller blühender Blumen standen auf handgefertigten Tischen, und stilvolle Porträts von Personen, bei denen es sich vermutlich um Familienmitglieder handelte, hingen nebeneinander an den Wänden.

      »Die Ministerin widmet sich Ihnen in Kürze, Sir. Kann ich Ihnen in der Zwischenzeit etwas Gutes tun?«

      »Nein, danke.«

      Der Angestellte wandte sich von ihm ab und zog sich aus dem Saal zurück. Nun stand Allardyce alleine da und wartete auf die Ministerin, während ihm das Bild einer Frau ins Auge fiel, das genau gegenüber vom Eingang hing. Ihre schulterlangen Haare waren goldbraun, die Falten in ihrem Gesicht zeugten von einem anmutigen Alter, und sie lächelte nachdenklich; gemalt in warmen und leuchtenden Farben, als scheine die Sonne auf ihre fahle Haut und lasse ihre blauen Augen funkeln. Das Gemälde wirkte in jeder Hinsicht detailliert, ein wahres Kunstwerk.

      »Meine Mutter«, erklärte eine Frauenstimme irgendwo über Allardyce. »Eleanor Winwood.«

      Er schaute hoch und sah Meg Unruh, die gerade am Ende der Galerie um die Ecke bog und die Treppe in der Mitte hinunterging. Anders als ihre Mutter hatte sie eine Kurzhaarfrisur und dunkelbraune Haare wie Mahagoni. Ihr Gesicht war faltenfrei, denn sie selbst war noch relativ jung, und anstatt gutmütig zu lächeln, zeigte sie überhaupt keine Gefühlsregung.

      »Dann kann Ihr Anwesen ja nur aus diesem Grund Eleanor Estate heißen.«

      Unruh zog ihre Augenbrauen zusammen. »Richtig. Dieses Haus wurde an derselben Stelle gebaut, wo früher der Bauernhof der Familie Winwood stand. Meine Großeltern tauften meine Mutter Eleanor, weil es Sonnenstrahl bedeutet, und von St. Margaret's Bay heißt es, es sei der erste Ort im Vereinigten Königreich, den die Sonne morgens küsse.«

      »Interessant. Um das Haus meiner Familie in den Cairngorms ranken sich ähnliche Geschichten.«

      »Genug der Vorrede, Dennis. Wenn Sie persönlich hier sind, müssen Sie ein äußerst wichtiges Anliegen haben. Warum sind Sie hergekommen?«

      Allardyce langte in die Brusttasche seiner Sportjacke. »Deshalb.« Er hielt einen schwarzen USB-Stick in die Höhe. »Den hat das Glasgower Büro des MI5 heute erhalten.«

      »Was ist das?«

      »Darauf enthalten ist eine Videonachricht unseres vermissten Offiziers.«

      »Hier entlang.«

       Er folgte ihr einen Flur hinunter, wo sie eine Tür für ihn aufhielt.

      Sie führte ihn anschließend in ein geräumiges Arbeitszimmer mit einem breiten Eichenschreibtisch und zahlreichen Bücherregalen an den Wänden. Dahinter gelangte man durch eine Glasdoppeltür auf einen Balkon mit Ausblick auf den Garten. Farbloses Licht fiel durch die Scheiben ein.

      Dennis stellte seinen Aktenkoffer auf den Schreibtisch und nahm einen Laptop heraus. Nachdem er ihn aufgeklappt hatte, steckte er den Stick in den USB-Anschluss und schaltete den Laptop an. Unruh setzte sich in einen von zwei Lehnsesseln vor dem Schreibtisch, während er mehrere Mausklicks machte. Dann rückte er das Gerät so zurecht, dass sie ebenfalls auf den Monitor schauen konnte. Wenige Augenblicke später wurde eine Kamera scharfgestellt, die vor einem dunklen Hintergrund auf ein zerschlagenes, blutverschmiertes Gesicht zeigte.

      Die Ministerin rutschte unbehaglich in ihrem Sessel hin und her. »Oh mein Gott.«

      Wie auf ein Zeichen desjenigen hin, der diese Aufzeichnung gemacht hatte, fuhr sich der Geschundene mit der Zunge über die Lippen und fing an zu sprechen. Seine Stimme klang dabei vollkommen niedergeschlagen und erschöpft. »Mein Name ist Shane O'Reilly. Ich bin Geheimagent des Security Service Ihrer Majestät und muss dieses Video unter Androhung meines To…«

      »Halt dich ans Drehbuch, du Idiot«, fauchte jemand außerhalb des Bildes, und gleichzeitig wurde O'Reilly mit irgendeinem Gegenstand geschlagen. Dann fuhr er fort: »Ich möchte der Regierung Ihrer Majestät hiermit mitteilen, dass sie ihre Scheinuntersuchungen der Anschläge in Penrith und Carlisle abbrechen sowie umgehend alle miesen Tricks gegen die Kampagne für die Unabhängigkeit Schottlands unterlassen soll. Dass so viele Unschuldige gestorben sind, war vollkommen unnötig und ist nur geschehen, um zu verdeutlichen, mit welcher Geringschätzung die britische Obrigkeit auf ihre eigenen Bürger hinabsieht.

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