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Sollte sich der Staat allerdings weigern, dieser Aufforderung nachzukommen, wird man mich hinrichten und den Vorgang mitschneiden. Meine Leiche wird danach unauffällig verscharrt werden, wo niemand sie jemals findet. Sie wurden hiermit gewarnt.«

      Daraufhin wackelte das Bild stark, ehe man nur noch ein Rauschen sah. Auf einen weiteren Mausklick hin erschien wieder Dennis' Desktop. Er entfernte den USB-Stick und schob ihn sorgfältig zurück in seine Brusttasche, während er der Innenministerin ins Gesicht schaute, um ihre Reaktion zu erfahren.

      »Das war der schlimmste Wust aus dreisten Lügen, den ich mir je habe anhören müssen«, empörte sie sich mit noch schrillerer Stimme als üblich. »Die Schotten haben sich bereits per Wahl dafür entschieden, in der Union zu bleiben. Versuchen diese Leute tatsächlich, dem MI5 die beiden Attentate anzuhängen?«

      Allardyce nickte. »Anscheinend hat jemand den Eindruck, der Innengeheimdienst betreibe Hetze, um weitere Bemühungen für die Unabhängigkeit Schottlands zu verhindern. Selbstverständlich könnte nichts davon mehr an der Wahrheit vorbeilaufen. Es gibt schließlich keine miesen Tricks, also können wir offensichtlich auch nichts unterlassen, was wir gar nicht tun. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei den Entführern, die dieses Video aufgenommen haben, auch um die Bombenleger.«

      »Das ist nur zu typisch für die radikalen Gemüter unter uns. Sie unterliegen in einer freien und gerechten Wahl, gehen dann auf einmal hin und bezichtigen den Staat, ihre Anstrengungen sabotiert zu haben, indem sie es so darstellen, als ob sie um ihr erwünschtes Ergebnis beraubt worden seien. Was wird unternommen, um die Herkunft des Videos zu bestimmen?«

      »Alles. Wir haben aktuell ein Team von Analytikern zusammengestellt, die den ganzen Tag daran arbeiten. Zum jetzigen Zeitpunkt sollte eigentlich bereits ein Ergebnis vorliegen.« Allardyce nahm sein Handy heraus und wählte eine Nummer. Es dauerte nicht lange, und ein Mann mit streng klingender Stimme meldete sich.

      »Sam«, sagte Dennis – es war der Vizedirektor Samuel Reed – und drückte auf das Freisprechicon. »Ist das Team fertig?«

      »Ich glaube schon, aber bevor ich Sie zu den Leuten durchstelle, gibt es noch etwas, das Sie unbedingt wissen müssen.«

      »Und zwar?«

      »Es gibt noch andere Videos, nicht nur dieses eine. Es wurden mehrere im Internet veröffentlicht, und darin behaupten die Entführer, dass unser Offizier bei einem versuchten Sprengstoffanschlag vor Ort gewesen ist.«

      »Haben sich die Medien schon darauf gestürzt?«

      »Nein, noch nicht, aber ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird.«

      »Sorgen Sie dafür, dass die Analysten Kopien davon bekommen, und ergreifen Sie alle notwendigen Maßnahmen, damit diese Videos sofort aus dem Netz genommen und von der Journaille ferngehalten werden. Sie könnten für uns immerhin wichtige Hinweise enthalten.«

      »Die Analysten sind sie schon alle durchgegangen. Ich stelle Sie jetzt zu dem Leiter des Teams durch. Männer, frisch auf.« Reed nahm den Hörer von seinem Ohr, während er dies sagte, und erklärte: »In der Leitung ist der Generaldirektor mit der Innenministerin, Toby, und Sie haben das Wort. Beginnen Sie bitte mit Ihrem Namen und dem, was Sie tun.«

      Allardyce beugte sich nach vorn und öffnete eine Software auf dem Laptop. Nach der Eingabe von Log-in-Informationen und einem Passwort lehnte er sich wieder zurück und wartete.

      »Guten Nachmi… oder besser gesagt Abend, Madame Secretary und Direktor Allardyce«, stammelte ein junger Mann. »Mein Name ist Toby Price, und ich bin der leitende Auswertungstechniker der gemeinschaftlichen Terroranalysezentrale. Mein Team – neben mir Graham McCall, Sashi Patel und Peter Fuller – haben die Videos, die man uns zur Verfügung gestellt hat, ausgiebig untersucht und eine Reihe von Punkten zusammengestellt, die Sie bestimmt interessieren werden. Sind Sie gerade im System eingeloggt?«

      »Ja. Sitzungsnummer 102956«, antwortete Allardyce, indem er die Zahlen in der Ecke des Bildschirms ablas.

      »Sehr gut, Sir. Ich sehe Sie jetzt.«

      Der Mauszeiger begann, sich ohne Dennis' Zutun zu bewegen, und nach ein paar Sekunden erschien der Desktop-Hintergrund von Prices PC im Untergeschoss des Thames House. »Also, fangen wir damit an, dass ich Ihnen kurz zusammenfasse, was wir bisher herausgefunden haben.«

      »Wir möchten gerne etwas über die Stimme des Geiselnehmers wissen«, hob Unruh an. »Was gibt es dazu zu sagen?«

      »Natürlich Ma'am. Gut … nun, seine Stimme deckt sich leider mit keiner aus unserer Datenbank, doch zwei Dinge ließen sich daran feststellen. Anscheinend benutzte er einen schottischen Jargon und versuchte auch, möglichst wie ein Schotte zu klingen. Unser Stimmerkennungsprogramm deutete allerdings auf etwas anderes hin. Es handelt sich mit weit höherer Wahrscheinlichkeit um einen Iren – einen Nordiren, um genau zu sein.«

      »Einen Patrioten also«, warf die Ministerin trocken ein.

      »Vermutlich, Ma'am.«

      »Sonst noch etwas?«

      »Das ist leider alles, was es über die Stimme zu sagen gibt, aber aus dem Bildmaterial haben wir erheblich mehr gewinnen können. Das Wichtigste ist, glaube ich, dass wir wissen, wo der erste Mitschnitt – das Forderungsvideo, wenn Sie es so nennen möchten – gemacht wurde.«

      Allardyce setzte sich sofort aufrecht hin. »Sie konnten den Ort bestimmen?«

      »Ja, Sir.«

      »Wie das?«

      »Indem wir die Umgebung aufgehellt haben, sowohl bei den Ausführungen der Geisel als auch danach, als die Kamera hektisch hin und her geschwenkt wurde, bevor jemand sie ganz ausschaltete. Das gab uns einigen Aufschluss.«

      Durch das Telefon hörte man nun mehrere Mausklicks, woraufhin ein Foto auf dem Laptopmonitor erschien.

      »Zunächst einmal«, fuhr Toby fort, während er durch mehrere Bilder blätterte, »ist ringsherum, während der Mann spricht, nicht mehr alles komplett dunkel. Man sieht Erdboden, eine alte Steinmauer, die niedrige Decke …«

      »Er befindet sich also in einem Kellergewölbe«, unterbrach ihn Unruh ungeduldig. »Und wie hilft uns das weiter?«

      Toby räusperte sich. Mit zwei so hohen Regierungstieren zu sprechen machte ihn offensichtlich nervös, weshalb sich Allardyce wünschte, die Ministerin würde ein bisschen Verständnis für den Kerl aufbringen, anstatt so ruppig wie immer zu sein.

      Meg Unruh war nach einer langen Karriere im Unterhaus schließlich ins Innenministerium berufen worden, wo sie eines der vier wichtigsten Ämter des Königreichs bekleidete. In dieser Position betreute sie als Hauptverantwortliche alle inneren Angelegenheiten des Staates, darunter Einwanderung, Bürgerschaft, nationale Sicherheit und Überwachung.

      In ihrem parlamentarischen Wahlkreis Dover an der Ostspitze des County Kent gab sie ein Inbild des Wohlstands ab. Sie und ihr Mann hatten ihr üppiges Familienvermögen in beträchtliche wirtschaftliche und politische Interessen investiert. Warmherzigkeit war hingegen eine Eigenschaft, die beiden vollkommen abging. Das Paar war hoffärtig und kinderlos geblieben – in dieser und auch in vorangegangenen Ehen – es zog die Gesellschaft preisgekrönter Cockerspaniel vor und verkehrte nur selten mit Personen, die weniger als eine Million Pfund schwer waren. Obgleich Allardyce die meisten von Unruhs politischen Ansichten teilte, und selbst mehrere Namenszusätze besaß, die ihn vom Durchschnittsbriten absetzten, verstand er sich von jeher als Diener des Volkes und meinte damit alle Bürger, sowohl die ärmsten als auch die reichsten.

      »Hinaus läuft letzten Endes alles auf Folgendes«, fuhr Toby fort. »Nach Officer O'Reillys Schilderungen schaltete wie gesagt irgendwann jemand das Gerät ab und rüttelte dabei daran. Wir haben diesen Teil langsamer ablaufen lassen und das Bild bereinigt, um noch besser erkennen zu können, wie die Umgebung aussieht.«

      Er hörte auf, sich durch die Schnappschüsse zu klicken, um eine Einstellung aufzurufen, die einen Haufen Holz am Boden des Kellers zeigte. Trotz des etwas schiefen Bildwinkels ließen sich mehrere Streifen weißes Vinyl erkennen, welche

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