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Allardyce neugierig.

      »Demonstrationsbanner, Sir«, antwortete Toby und wählte noch ein Foto aus. »Ausgehend von dem, was wir in Erfahrung bringen konnten, unternahmen wir eine Suche und fanden Spruchbänder, von denen wir ausgehen, dass sie bei der Unabhängigkeitskampagne Verwendung finden. In einem der anderen Videos taucht auch jemand auf, der ein T-Shirt mit dem gleichen Logo trägt.«

      »Na so was.« Dennis verglich das Bild der Plane mit dem neuen, das eine Gruppe auf einer Straße zeigte. Die Personen darauf schwenkten Banner mit einem Symbol in Grün und Schwarz, dem Kürzel der Kampagne und ihr Motto »Schottland kann frei sein«.

      »Nun sagt uns diese Verbindung aber allein immer noch nicht viel«, relativierte Toby, »doch ich möchte Sie vorübergehend auf den Keller selbst verweisen.« Er klang allmählich selbstbewusster und vergrößerte jetzt wieder das Standbild aus dem Gewölbe mit der Mauer hinter Shane O'Reilly. »Sehen Sie die rötlich-gelbe Farbe der Ziegel ungefähr ab dem oberen Drittel der Wand? Das ist typisch für eine Art von Sandstein, der während des Immobilienbooms in Glasgow Anfang des 20. Jahrhunderts häufig verbaut wurde und das Stadtbild stark geprägt hat.

      Somit konnten wir den Ort auf Glasgow eingrenzen, und eingedenk der Gebäude im Zusammenhang mit der schottischen Unabhängigkeitsbewegung, sowie einer komplexen Reihe von Schlagwörtern, mit denen ich Sie jetzt nicht langweilen will, haben wir eine umfassende Bildsuche im Internet gestartet, unter anderem in den Dateien der städtischen Wohnungsbaugenossenschaft und mehreren weiteren mit historischen Bauwerken. Dabei sind wir hierauf gestoßen.« Ein lauter Klick ertönte, und ein Foto von einem leeren Raum erschien. Es war eindeutig derselbe, in dem Shane O'Reilly während der Aufzeichnung gestanden hatte.

      »Brillant«, rief Allardyce, ohne einen Hehl daraus zu machen, dass ihm diese Fähigkeiten Respekt abverlangten.

      »Danke, Sir. Das Gebäude mit diesem Keller steht im Norden von Glasgow, und wie Sie vielleicht schon geahnt haben, befindet sich im Erdgeschoss das Hauptbüro der Unabhängigkeitskampagne. Dokumente belegen deutlich, dass sie momentan der einzige Mieter unter dieser Adresse ist.«

      »Absolut brillant.« Dennis stand auf, nahm das Telefon vom Schreibtisch und deaktivierte die Freisprechfunktion. »Sam, hören Sie mich?«

      »Ja, ich bin noch da, Dennis.«

      »Ich möchte, dass Sie diesen Standort sofort beobachten lassen.«

      »Ich schicke gleich jemanden los.«

      »Gut, und setzen Sie ein Analyseteam auf jeden Informationsschnipsel an, den wir über die Unabhängigkeitsbewegung und ähnliche Organisationen haben. Morgen früh erwarte ich dann einen ausführlichen Bericht.«

      »Ich mache mich umgehend an die Arbeit.«

      »Dann hören wir bald wieder voneinander.«

      Nachdem Allardyce den Anruf beendet hatte, wandte er sich an Meg Unruh, die mit verschränkten Armen und strenger Miene neben ihm stand.

      »Und wer steckt hinter dieser Unabhängigkeitskampagne?«

      »Das weiß ich noch nicht genau, doch es ist einer der vielen Ableger der Scottish National Party, die sich für die Abspaltung des Landes von Großbritannien starkgemacht hat.«

      »Befürwortet sie Gewalttaten?«

      »Meines Wissens nach nicht. Unserer Pflicht gemäß überwacht der MI5 solche Vereinigungen schon sehr lange. Einige neigen zwar eher zu Protesten als andere, doch abgesehen von ihren Seilschaften zu den militanter ausgerichteten Gewerkschaften deutet nichts darauf hin, dass sie gewalttätige Absichten hegen. Bis heute wurden immer nur friedliche Aktionen lanciert.«

      »Das scheint sich kürzlich aber wohl geändert zu haben.«

      »Ja, das könnte sein. Wie Sie bereits sagten, geriet die Partei im Zuge ihrer Wahlniederlage ins Straucheln, und mich würde es nicht wundern, wenn sich ein paar Anhänger daraufhin ziemlich blumige Verschwörungstheorien ausgedacht haben, um sich selbst froh zu machen. Sie pochen bereits auf eine neue Abstimmung in ein paar Jahren.«

      »Ich setze mich schnellstmöglich mit der Premierministerin in Verbindung«, versprach Unruh, »aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass sie nicht anders reagieren wird als ich. Unsere Regierung wird sich bestimmt nicht von einer Bande hinterhältiger, größenwahnsinniger Sozialisten einschüchtern lassen. Was brauchen Sie, um sichergehen zu können, dass diesen Aktionen schnell und ohne viel Aufhebens ein Riegel vorgeschoben wird?«

      »Zunächst einmal Durchsuchungsbefehle und Polizeistreitkräfte«, begann Allardyce. »Mehrere Mannschaften am besten. Falls Officer O'Reilly wirklich in einem Gebäude festgehalten wird, das die Unabhängigkeitsbewegung gemietet hat, lautet unsere oberste Priorität natürlich, ihn zu befreien. Mit ihm wäre den Entführern nämlich automatisch jeglicher Verhandlungsspielraum genommen.«

      »Abgemacht. Ich rufe gleich den schottischen Polizeipräsidenten an.«

      Kapitel 5

       Sonntag, 9:45 Uhr Ortszeit, Hauptbüro der Unabhängigkeitskampagne Newton Place, Glasgow, Schottland

      Der leitende Polizeiinspektor Duncan Campbell beobachtete, wie die letzten Anlieger – es waren die wenigen, die sich an einem Sonntagmorgen an ihren Arbeitsplätzen aufgehalten hatten – in Sicherheit gebracht wurden, weg von den zu Büros umgebauten Reihenwohnhäusern aus der Viktorianischen Zeit, die nun mehr als ein Dutzend Unternehmen gemietet hatten. Eilig verschwanden die ängstlich ausschauenden Vertriebsangestellten, Therapeuten und Immobilienmakler, und näher rückte in geduckter Haltung eine Schlange schwerbewaffneter Polizeibeamter auf dem Betongehsteig. Ihr Ziel war das letzte Gebäude, an dessen Erdgeschossfenster eine Fahne in Grün und Schwarz auf weißem Untergrund mit der Abkürzung INC - Independence Now Campaign – neben der Eingangstür hing. Das Büro der Unabhängigkeitsbewegung. Einem Überwachungsteam des Innengeheimdiensts, das man am Vorabend auf dem Gelände postiert hatte, war es gelungen, die Anwesenheit einer Person in den ansonsten leeren Räumlichkeiten zu bestätigen. Ein blonder Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren hatte das Haus betreten, doch seit zwölf Stunden war soweit ersichtlich durch keine der beiden Türen irgendjemand ein- oder ausgegangen. Deshalb hatte Campbells Spezialeinheit die Erlaubnis zum Stürmen bekommen.

      Er selbst war zwischen einer dichten Baumreihe auf der anderen Straßenseite des Gebäudes in Deckung gegangen und blickte gerade besorgt auf seine Armbanduhr. Hoffentlich dröhnte der Verkehr in den umgebenden Straßen laut genug, um den etwaigen Lärm zu übertönen, der bei der Evakuierung der Nachbarn und den Vorbereitungen zum Eindringen in das Büro aufkam. Die Operation lief bereits seit zwanzig Minuten, Zeit war also das A und O. Falls sich die zu rettende Person wirklich noch dort drinnen befand, könnte jeder Fehler, den sich die Beamten erlaubten, zu einer sofortigen Hinrichtung führen.

      »Team Bravo in Stellung«, rief eine Männerstimme in Campbells Ohrknopf.

      »Charlie fertig zum Losschlagen«, teilte ein zweiter Beamter mit.

      Die zwei Mannschaften in der Gasse auf der anderen Seite des Gebäudes standen somit einsatzbereit in Position, eine am Hintereingang und die andere vor der Tür des Kellers, der separat zugänglich war. Fehlte also nur noch Team Alpha, das die Anweisung hatte, von vorn einzutreten, und momentan noch zehn Yards entfernt wartete.

      »Auf Empfang bleiben«, flüsterte Campbell jetzt in sein Mikrofon, als die Mitglieder von Alpha anhielten, um behutsam eine Ramme aus Metall nach vorn durchzureichen. Dann gingen sie weiter. »Kontakt in zwanzig Sekunden … fünfzehn – zehn – fünf – Marsch, Marsch, Marsch!«

      Er warf einen Blick auf zwei Anzugträger neben ihm, während die Mannschaft die Vordertür einrannte und mit vorgehaltenen Maschinenpistolen ins Erdgeschoss stürzte. Über den Knopf in seinem Ohr verfolgte er mit, wie die beiden anderen Eingänge am hinteren Teil des Gebäudes ebenfalls aufgestoßen wurden.

      »Polizei! Wir sind bewaffnet! Polizei!«, schrien die Beamten beim Ausschwärmen in die Räume des wie eine Stadtwohnung angelegten Inneren. Nachdem

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